Populismus-Experte: „Auch Greta Thunberg ist gegen die Eliten“
Im Gespräch Sind Fridays for Future und Co. „Ökopopulisten?“ Oder reden nur Rechte dem Volk nach dem Mund? Der Politikwissenschaftler Aron Buzogány erklärt, für wen die Bezeichnung Populist taugt – und ob es auch Faschisten im grünen Gewand gibt
Klimawandelleugner reden gerne vom „Ökopopulismus“ und bezeichnen Menschen in der Klimabewegung als „Ökofaschisten“. Aron Buzogán beschäftigt sich seit Jahren mit den beiden Großthemen Ökologie und Populismus. Hier erklärt der Politikwissenschaftler, dass nicht alle Ökos unbedingt links sind – und nicht alle rechten Populisten immer auf den Erhalt des Planeten pfeifen. Auch illiberale Regierungsparteien in Osteuropa seien nicht per se wissenschaftsfeindlich. Wieso gelingt dann keine EU-weite Klimapolitik?
der Freitag: Herr Buzogány, können Sie den Begriff „Ökopopulismus“ für uns skizzieren? Was ist das?
Aron Buzogány: Sowohl Ökologie als auch Populismus sind Megathemen. Wenn es dar
ür uns skizzieren? Was ist das?Aron Buzogány: Sowohl Ökologie als auch Populismus sind Megathemen. Wenn es darum geht, ihre Überschneidungen zu verstehen, wäre die naheliegende Frage: Was tun Populisten in Bezug auf die Umwelt? Das wäre eine erste, enge Definition. Wir haben populistische Parteien und dann haben wir das, was sie in Bezug auf die Umwelt tun und behaupten. Die Schwierigkeit liegt hier in der Definition dessen, was als populistisch gilt. Wir könnten aber auch fragen, ob Gruppen, die normalerweise nicht als Populisten gelten – wie die Klimabewegung – nicht vielleicht wirklich populistische Rhetorik und Strategien anwenden. Das sind die beiden Ansätze: Wir können uns entweder populistische Parteien ansehen, oder wir können uns Gruppen ansehen, die nicht als populistisch gelten, und untersuchen, wie sie populistische Ansätze, Technologien, Sprache und Diskurse nutzen.Ist die Ökologie denn überhaupt ein klassisch populistisches Thema?Ja. Seit dem 19. Jahrhundert haben viele Populisten Umweltthemen aufgegriffen.Und sind die eher rechts oder links?Diese Links-Rechts-Unterschiede machen bei diesem Thema historisch gesehen nicht viel Sinn. Die US-amerikanische Populistenbewegung des 19. Jahrhunderts oder die osteuropäischen Agrarpopulisten derselben Zeit waren im Wesentlichen links: Ihnen gefiel nicht, wie schwierig es war, auf dem Land zu leben, wenn man nicht zufällig zum Landadel gehörte. Die Probleme des Rechtspopulismus mit dem Umweltschutz wurden erst mit dem Aufstieg von Donald Trump richtig deutlich. In den letzten zehn Jahren war es vor allem der Klimaleugner angloamerikanischer Prägung, der die Aufmerksamkeit auf sich zog. Natürlich war das auch die Zeit, in der der Klimadiskurs unglaublich stark wurde.Gibt es einen Unterschied zwischen Klima- und Umweltpopulismus?Wenn wir über rechtsradikalen Populismus sprechen, täten wir gut daran, zwischen Umwelt und Klima zu unterscheiden. Viele rechtsgerichtete Parteien unterstützen Umweltpolitik. Sie sind sehr auf ihre Heimatländer bedacht, auf die Orte, aus denen sie stammen. Die radikale Rechte ist der Meinung, dass man die Umwelt in seinem Land oder sogar auf lokaler und regionaler Ebene schützen kann – auch wenn dies nicht wirklich sinnvoll ist, da Umweltprobleme nicht an Flüssen und Grenzen Halt machen. Populisten sprechen über den Schutz vor der Einwanderung fremder Arten – das können menschliche Migranten sein, aber auch Käfer und Insekten von anderen Kontinenten. Das passt gut zu anderen Diskursen über den Schutz ihrer Lebensweise, den Schutz ihrer Wohlfahrtsstaaten, den Schutz ihrer Traditionen. Aber der Klimawandel ist ein anderes Thema, das auf nationaler Ebene natürlich schwieriger zu bewältigen ist. Das Klima wird als internationales Thema dargestellt, da es offensichtlich grenzüberschreitend ist und von Anfang an ein globales Problem darstellt. Der Klimaaktivismus wird als viel gefährlicher dargestellt als die Umweltpolitik, und die Rechtspopulisten zögern sehr, sich ihm anzuschließen.In einem Ihrer Artikel sprechen Sie von „populistischen Marktliberalen“. Was sind das für Leute?Populistische Marktliberale stehen zwar auf der rechten Seite des politischen Spektrums, sind aber eher in der Mitte anzusiedeln. Sie sind weit davon entfernt, Neonazis zu sein. Aber sie sehen den freien Markt als Lösung für alles. Populistische Marktliberale stehen allen Umweltthemen sehr kritisch gegenüber, einfach weil sie für den freien Markt sind. Ich würde Trump zu dieser Gruppe zählen. Und natürlich haben viele dieser Leute enge Verbindungen zur Wirtschaft. Das erklärt auch ihre Skepsis gegenüber dem Umweltschutz: Der stellt einfach eine zusätzliche Hürde für ihre Unternehmen dar.Gibt es rechtspopulistische Parteien in Europa, welche die Wissenschaft akzeptieren und proaktiv für Klimaschutz sind?Man kann schon sagen, dass viele europäischen Rechtspopulisten natürlich erkannt haben, dass der Klimawandel ein wichtiges Thema ist. Sie wissen, dass etwas dagegen getan werden muss, aber sie sind sich nicht einig, was das sein könnte. Ich würde nicht sagen, dass sie generell wissenschaftsfeindlich sind. Ein großer Teil von ihnen erkennt an, dass dies ein Thema ist, mit dem man sich aus offensichtlichen Gründen befassen muss. Ein weiterer Aspekt ist ein strategischer: Sie haben gesehen, dass die grünen Parteien mit diesem Thema Wahlen gewonnen haben.Polen und Ungarn werden von illiberalen Populisten regiert. Wie blicken diese Parteien auf das Thema Klimaschutz?Die meisten osteuropäischen populistischen Parteien wie PiS und Fidesz sind weit davon entfernt, verrückte, wissenschaftsfeindliche Gruppen zu sein. Sie stimmen zu, dass etwas gegen den Klimawandel getan werden muss. Sie sprechen aber Probleme bezüglich der Kosten und der Geschwindigkeit der Veränderungen an. Sie betonen, dass auch noch andere Probleme bewältigt werden müssen. In Osteuropa gewinnt man keine Wahlen, indem man stur auf den Klimawandel verweist.Gibt es keine Klimawandelleugnung in Orbáns Apparat?In Ungarn gibt es neue Think-Tanks, die dem Fidesz sehr nahe stehen und ihren ganz eigenen Klimadiskurs führen. Der entspricht nicht unbedingt dem, was wir Klimawandelleugnung nennen. Aber er ist geprägt von einer allgemeinen Skepsis gegenüber den Ansätzen der Europäischen Union. Wenn die EU schon eine Rolle spielen muss, sagen sie, dann die, dass sie die ärmeren Osteuropäer dafür bezahlt, etwas für das Klima zu tun. Aber diese Parteien führen nicht so einen abwegigen Diskurs, wie er im anglo-amerikanischen Kontext typisch ist. Der Glaube an die Wissenschaft ist vielleicht der positivere Teil des historischen Erbes der osteuropäischen Länder.In Ungarn gibt es eine starke Pro-Atomkraft-Lobby.Die Kernenergie wird die Erde retten – so denken dort viele. Die Grünen werden als verlorene Generation angesehen, als junge Leute, die keine Ahnung haben, wie die Dinge wirklich funktionieren. Zumindest in Osteuropa ist es üblich, sich darüber lustig zu machen: Die Greta Thunbergs dieser Welt haben keine Erfahrung mit Entbehrungen und kein Gefühl dafür, was diese Länder durchgemacht haben!Placeholder infobox-1Wie positionieren sich die Klimabewegungen in Polen und Ungarn? Wenden die sich an die EU?In den von uns untersuchten Ländern gibt es in der Regel keine so starke Klimabewegung. Aber die Klimabewegung als solche ist selbst sehr kritisch gegenüber dem, was die Europäische Union tut – obwohl sie natürlich das Gegenteil von den EU-skeptischen Regierungen Polens und Ungarns kritisiert. Die breitere Klimabewegung will, dass die EU mehr tut, nicht weniger. Natürlich war die Europäisierung für die osteuropäischen Länder sehr einschneidend, denn das bedeutete, dass sie ihre Politik an die EU-Standards anpassen mussten. Das war in den 2000er Jahren, als sie die Regeln der EU befolgen mussten, um Mitglied dieses Vereins zu werden. Aber jetzt, wo sie Mitglieder sind, gefallen ihnen die Kosten nicht, die durch die Klimapolitik entstehen, und sie zögern, diese Themen weiter voranzutreiben. Sehen Sie sich Polen und Ungarn an: Sie stehen einer gemeinsamen EU-Umwelt- und Energiepolitik im Weg.Gibt es auch Ökofaschismus? Oder ist das nur ein Wort, mit dem grüne Bewegungen stigmatisiert werden sollen?Es gibt eine neue deutsche Publikation, Die Kehre, die so etwas wie eine ökofaschistische Intellektuellenzeitschrift ist, auch wenn sie diesen Namen nicht mag. Sie bringt die Haltung zum Ausdruck, dass die extreme Rechte in Bezug auf Umwelt und Klima intellektuell fortschrittlich sein muss. Die Zeitschrift wird hauptsächlich von jungen Intellektuellen verfasst, die direkt mit der Sezession, dem Hauptorgan des deutschen Rechtsintellektualismus, verbunden sind. Interessanterweise veröffentlichten sie kürzlich eine thematische Ausgabe über den Ökofaschismus selbst. Sie stellen die nicht ganz unberechtigte Frage: Was ist Ökofaschismus? Sie haben sogar mal die Frage aufgeworfen, ob sie selbst Ökofaschisten seien, oder ob alle anderen Ökofaschisten sind. Aus der Sicht der Rechtsextremen sind die Grünen ja die Ökofaschisten – weil sie sich um nichts anderes kümmern würden als die Ökologie.In einem neuen Buchkapitel untersuchen Sie einige der sozialen Bewegungen, die rund um das Klima entstanden sind. Sind die populistisch unterwegs?Es gibt zwei Fragen, die hier zu berücksichtigen sind: eine normative und eine eher analytische. Die normative Frage ist, ob die Klimabewegung populistischer sein sollte, um erfolgreicher zu sein. Sozialdemokratische Parteien haben erkannt, dass sie in der Klimafrage etwas zu gewinnen, aber auch etwas zu verlieren haben. Zumindest in Westeuropa werden sie in diesen Fragen von den Grünen überholt. Das ist also der normative Teil: Sollten sie diese populistische Wendung nehmen? Die analytische Frage ist, ob die Klimabewegung wirklich populistische Diskurse führt. Es gibt ein starkes Argument, das dagegen spricht, nämlich dass diese neuen Klimabewegungen eine wissenschaftlich fundierte Sprache verwenden. Wenn wir Populismus als die Rede des Volkes definieren, dann sind sie eindeutig nicht populistisch. Stattdessen reden sie über Wissenschaft und sagen, dass man der Wissenschaft vertrauen muss. Wenn sie populistisch wären, würden sie sagen, dass man den Menschen vertrauen sollte. In dieser Hinsicht würde ich die meisten von ihnen nicht als populistisch bezeichnen. Schauen Sie sich nur Gruppen wie die Letzte Generation in Deutschland oder Just Stop Oil in Großbritannien an, die Dinge tun, wo die Mehrheit der Bevölkerung absolut dagegen ist.Wenn Greta Thunberg vor den Vereinten Nationen spricht, dann sagt sie, dass die Eliten versagt haben. Gibt es darin nicht auch ein populistisches Element?Auf jeden Fall. Der Anti-Elitismus von Fridays for Future ist eine wichtige Überschneidung. Das hat die Klimabewegung definitiv mit populistischen Gruppen gemeinsam, auch auf der Rechten. Sie stehen aber auch eindeutig auf einer Seite des politischen Spektrums. Zu Beginn haben sie argumentiert, sie seien weder links noch rechts, sondern progressiv. Aber inzwischen sagen Greta Thunberg und die anderen Sachen, die unbestreitbar näher an der Linken als an der Rechten dran sind. Ich würde aber nicht sagen, dass dahinter strategische Überlegungen stecken – es hat sich einfach so ergeben.