Ex-CSU-Chef Erwin Huber: „Gott will mehr Klimaschutz“
Interview Vor ein paar Jahren bedauerte Erwin Huber noch, wenn seine CSU nach einer Wahl „grüne Kröten schlucken“ musste. Dann studierte der Ex-Parteichef Philosophie und wurde zum Umweltfreak. Was hält er von Schwarz-Grün?
Erwin Huber über das Verhältnis der CSU zu den Grünen: „Grüne sind da Erzgegner“
Foto: Lisa Hörterer für der Freitag
Am Ende des Gesprächs beklagt Erwin Huber, dass er nach politischen Kundgebungen oft nur noch „als Philosoph“ wahrgenommen werde, seine „glänzende politische Laufbahn“ gerate dabei unter die Räder. Der ehemalige CSU-Chef hatte mit seinem Ausscheiden aus der Politik 2018 ein Philosophiestudium aufgenommen, das er 2022 mit dem „Philosophikum“ abschloss. Ab Herbst hängt er noch zwei Semester Medien- und Wirtschaftsethik dran. In den letzten Jahren ist der Christsoziale vermehrt durch grüne Positionen aufgefallen. Hat die Uni ihn zum Öko gemacht?
der Freitag: Herr Huber, wenn man sich Ihre Äußerungen der letzten zwei, drei Jahre anhört, könnte man Sie für einen Grünen halten. Sie schwärmen f
;nen halten. Sie schwärmen für Fridays for Future, warnen vor der Klimakatastrophe, pochen auf Umweltschutz…Erwin Huber: Das ist jetzt aber ein schwerer Vorwurf an mich. (grinst)Hat das Studium der Philosophie Ihre politischen Grundüberzeugungen erschüttert?Das Studium hat meinen Blick geweitet. Meine heutige Einstellung zu Klima und Umwelt würde ich aber nicht nur auf die Philosophie zurückführen. Wenn Sie sagen, das sind grüne Themen, offenbart sich da eine Unterlassung bei den Unionsparteien. Die Verantwortung für die Schöpfung ist im C angelegt: Gott hat uns die Welt mit ihrem natürlichen Reichtum anvertraut, damit wir sie bewahren. Wir von der Union haben unsere Ziele zu sehr reduziert auf Wohlstand und Wachstum. Mit Alois Glück in der CSU und Klaus Töpfer in der CDU hatten wir Persönlichkeiten, die Umweltschutz verkörpert haben, die fehlen mir heute.Jetzt klingen Sie endgültig wie ein Grüner!Ich sehe Politik heute breiter als meine Partei. Aber ich bin nach wie vor ein überzeugter CSUler. Das ist für mich die richtige Abwägung zwischen Staatstätigkeit und Eigenverantwortung des Bürgers.Ihr aktueller Studienschwerpunkt Wirtschaftsethik ist das Feld der Stunde, wenn man davon ausgeht, dass das kapitalistische Wachstumsmodell wegen des Klimas am Ende ist.Der Bürger auf der Straße meint oft, Klimaschutz betrifft hauptsächlich die Wirtschaft. Sie verbraucht die meiste Energie, verschmutzt und verursacht Emissionen, die soll gefälligst was tun. Heute muss man feststellen, die Wirtschaft hat diese Umstellung auf klimafreundliches Wirtschaften viel eher und erfolgreicher begonnen. Noch vor der Politik hat die Automobilindustrie den Umstieg auf E-Mobilität in die Wege geleitet. Wenn man es pauschal nimmt, dann muss man sagen, die Wirtschaft erfüllt eigentlich die Klimaziele, wer sie nicht erfüllt, sind die Bereiche Verkehr und Wohnen, und die betreffen in erster Linie uns Bürger. Es ist also genau umgekehrt: Die Wirtschaft ist vorangegangen, der Einzelne hinkt hinterher. Jetzt ist höchste Zeit zum Handeln.Und die Politik…?… hat sich nicht getraut, von den Menschen Verantwortung und Opfer einzufordern. In einer Zeit, in der der Populismus grassiert, gehen Politiker dem gern aus dem Weg. Zu Strauß-Zeiten hat man in der Politik Ziele auch gegen die öffentliche Meinung definiert. Ziele müssen aus Notwendigkeiten und Grundsätzen heraus entwickelt werden. Da hat sich was verschoben. Die deutsche Politik des letzten Jahrzehnts war nicht mutig genug, um die Konsequenzen, etwa im Klimaschutz, für den einzelnen Bürger darzulegen. Auch meine Partei hat vielfach den Eindruck erweckt, das kann man schon hinkriegen, ohne dass der Einzelne belastet wird.Und das ist Unsinn?Natürlich! Es gibt keinen Klimaschutz zum Nulltarif. Das Gebäudeenergiegesetz hat deshalb zu einem Schockerlebnis geführt, aber das Bewusstsein ist damit gewachsen, wir müssen schon selber etwas tun.Sie sind der erste Konservative, der dem „Habeck-Gesetz“ etwas Positives abringen kann.Der jetzige Gesetzentwurf leidet vor allem daran, dass die Menschen nicht darauf vorbereitet worden sind. Das Prinzip, unsere Kinder sollen es einmal besser haben, hätte man als Erklärung dafür gut nutzen können. Methodisch hat man alles falsch gemacht. Der entscheidende Mangel im Berliner Klimaministerium liegt darin, dass man die Bürger überrumpelt hat.Das Gesetz ist richtig, nur die Kommunikation falsch?Man ist in eine gewaltige Protestwelle hineingelaufen von „Ampelpartnern“, von radikalen Parteien, von Klimaleugnern, von Teilen der Sensationspresse, „Habecks Heizhammer“ und so weiter. Es wurde bewusst aufgewiegelt und der Eindruck erweckt, das braucht’s alles nicht. Der Habeck ist in einen politischen Hinterhalt geraten, wo aus bestimmten politischen Kreisen scharf geschossen wurde.Söder und Merz wollen das Gesetz im Falle eines Regierungswechsels zurücknehmen…Ich glaube nicht, dass Söder daran denkt, die Klimaziele zu verändern. Bayern hat im eigenen Klimagesetz ehrgeizigere Ziele als der Bund und will bis 2040 klimaneutral werden. Uns unterscheidet von der Ampel diametral das Vorgehen und das Instrumentarium. Man hat dem Volk erst mal die Marterwerkzeuge gezeigt, mit Fristen gedroht und dann erst nachgeschoben, wir werden uns bei der Förderung schon noch einig. Man hätte es umdrehen müssen: Wenn ihr eine Wärmepumpe einbaut, dann geben wir euch die Förderung XY.Haben Sie Mitleid mit dem politischen Wettbewerber?In der Politik gibt’s kein Mitleid. Aber mich werden sie nicht unter die Habeck-Hasser einordnen können, ich finde, er ist ein mutiger Mann, er hat auch die, leider viel zu kurze, Verlängerung der Kernkraft oder auch die Waffenlieferungen an die Ukraine mitgetragen, da sind die Grünen über ihren Fundi-Schatten gesprungen und in der Realität angekommen.Derjenige wird verächtlich gemacht, der Kurskorrekturen in der Klimapolitik will, während alle, die am Status quo festhalten, keine Kritik fürchten müssen. Warum ist das so?Die starke Personalisierung von Politik ist ein großes Problem. Der Sündenbock ist halt kein Herdentier. Wenn im Bund oder in Bayern eine administrative Entscheidung fällt, heißt es, der Bundeskanzler oder der Ministerpräsident hat das entschieden. Das stellt eine unscharfe Verkürzung dar. Für viele Politiker ist das ein Vorteil, weil sie damit glänzen können, aber es hat eben auch die umgekehrte Wirkung, wenn etwas schiefläuft, dann steht einer am Pranger.Hat Habeck nach dem Heizungsgesetz noch politisches Kapital?Ich würde sagen, nur noch eingeschränkt. So etwas geht an die grundsätzliche Glaubwürdigkeit. Der Bürger kann heute viele Entscheidungen nicht mehr nachvollziehen, deshalb kommt es auf Glaubwürdigkeit und Vertrauenspotenzial von Politikern in besonderer Weise an. Vielleicht ist auch Habecks Konstruktion Wirtschaft und Klima falsch, weil er scheinbar Gegensätzliches miteinander versöhnen muss. Das ist eine Herkulesaufgabe, die einer allein kaum bewältigen kann.Ein neuer Tiefpunkt war die Kundgebung gegen das Heizgesetz im bayerischen Erding. Bayerns stellvertretender Ministerpräsident, Hubert Aiwanger, sprach davon, sich die Demokratie „zurückholen“ zu wollen…Aiwanger ist natürlich ein gnadenloser Populist und in der Verführung um Wählerstimmen sich selbst erlegen. Alle demokratischen Parteien schaffen es derzeit nicht, eine so überzeugende Figur abzugeben, dass der Wähler sagt, auch in schwierigen Zeiten vertraue ich mich einer solchen Politik an. Das fängt beim Bundeskanzler an, der immer wieder wegtaucht, wenn es schwierig wird. Diese Dreierkoalition mit ihren inneren Widersprüchen, speziell FDP/Grüne, bedarf eines großen Geschicks und großer Kommunikationsfähigkeit, um so einen Laden zusammenzuhalten. Dieses Geschick würde ich Scholz schlichtweg absprechen.Im Oktober sind Landtagswahlen in Bayern. Letztes Jahr haben Sie gesagt, die CSU sei in einer dramatischen Lage. So darf sonst keiner über Söders Partei reden…Wie viele mag er öffentliche Kritik nicht, aber er ist trotzdem meinen Argumenten zugänglich. Ich hätte mir nie vorstellen können, dass wir bei einer Bundestagswahl mal auf 31 Prozent in Bayern fallen. Nach der missglückten Kanzlerkandidatur und dem schlechten Wahlergebnis hat aber eine gewisse Veränderung stattgefunden, auch bei ihm persönlich. Er arbeitet mehr in Mannschaft, Ministerinnen und Minister, die die Fachthemen bearbeiten, treten öffentlich mehr in Erscheinung. Wir haben eine Kehrtwende genommen, liegen aktuell bei rund 40 Prozent in den Umfragen.Sie klingen wie ein Grüner, für Söder sind die Grünen Feindbild Nummer eins. Wie passt das?Markus Söder hat nicht nur einen Baum hinter der Staatskanzlei umarmt, sondern sich durchaus vorstellen können, mit den Grünen zusammenzuarbeiten. Ich persönlich glaube, er ist an der CSU-Basis gescheitert. Dort gilt ein hartes Freund-Feind-Denken und Grüne sind der Erzgegner. Bei unseren Wählern und Mitgliedern wird wenig differenziert, bei allem, was aus der grünen Ecke kommt. Ob es nun die Partei ist, Greenpeace, Fridays for Future oder die Letzte Generation: Es wird alles in einen Topf gerührt und als Gift gesehen.Hätten Sie gerne Schwarz-Grün für Bayern?Das ist weder realistisch noch notwendig. Wir wollen allein regieren, und wenn man so will, können wir das mit den Freien Wählern auch. Aber wer differenziert, der sieht, dass vieles, was die grüne Partei macht, nicht in einem diametralen Gegensatz zu uns steht. Ich halte die Formulierung für falsch: Die Grünen sind der Hauptgegner. Unsere Hauptgegner sind die Radikalen – links wie rechts. Für mich ist Nordrhein-Westfalen so ein Testfall. Ein Flächenland mit großen Herausforderungen bei der Energie: Kohleausstieg einerseits und starke Industrie andererseits. Wenn es da gut geht, könnte das ein Modell für den Bund sein. Wer Schwarz-Grün ausschließt, der schneidet uns auch von Machtperspektiven ab.Als einer der ganz wenigen Konservativen haben Sie sich sehr positiv zu Fridays for Future geäußert. Hegen Sie auch Sympathien für die Letzte Generation?An der Hochschule für Philosophie habe ich junge Leute kennengelernt, die an Aktionen der Letzten Generation beteiligt waren. In meinem Seminar war ein hochintelligenter junger Mann, der über Weihnachten und Neujahr in der JVA Stadelheim gesessen hat. Er hat sich irgendwo angeklebt, dann wurde er vom Staatsanwalt befragt, ob er das noch mal tun würde, er hat das bejaht. Dann hieß es, er sei in Gefahr, ein Wiederholungstäter zu werden, man müsse ihn in Gewahrsam nehmen. Hätte er geschwurbelt und gesagt, ich plane nichts mehr, hätte er nicht einrücken müssen. Ich kenne also solche Leute, das sind keine Staatsfeinde. Die wollen nicht die freiheitlich-demokratische Grundordnung umstürzen, auch deshalb ist der Ausdruck Klima-RAF in sich unsinnig.Die kam von Ihrem Parteikollegen Alexander Dobrindt.Diese Leute wollen nicht unsere Demokratie zerstören, sondern ein inhaltliches Ziel voranbringen. Allerdings mit einer Attitüde, in der man sich selbst auf einen moralischen Sockel stellt. Die anfänglichen Ziele, wir möchten einen Klimarat oder ein Tempolimit, sind ja harmlos. Das Ankleben auf Straßen ist ein Straftatbestand, aber ich möchte bezweifeln, dass das eine kriminelle Vereinigung ist. Ich habe eine gewisse Nachsicht mit diesen jungen Leuten, die etwas tun wollen. Der Aktionismus ist verführerisch, man steigert sich in einen moralischen Rigorismus hinein, der ein Abwägen nicht mehr möglich macht.