Es heißt, dass wer Frieden wolle, den Krieg vorbereiten solle. Wieso heißt es nicht, wer Frieden will, bereite den Frieden vor? Wir als Laien sehen, wie man den Krieg vorbereitet, durch Aufrüstung und Rhetorik, durch Geld und Manöver, aber kaum einer weiß etwas darüber, wie man den Frieden vorbereitet, wie das geht, das mit der Diplomatie. Hier liegt doch die Verantwortung nicht nur der Politik, sondern auch des Journalismus und der Wissenschaft, all derer, die so viel Raum in der Öffentlichkeit haben. Worüber sprechen sie? Den möglichen Krieg vorzubereiten oder den Frieden herbeizusehnen – und welche Wege es für diese Sehnsucht geben kann?
Sprecht über Verteidigung. Sprecht über Strategie und Taktik. Sprecht von mir aus auch
r aus auch über Abschreckung, diskutiert das Für und Wider dieses Vorgehens. Aber sprecht auch vom Frieden. Nehmt das Wort in den Mund nicht wie einen modrigen Pilz, den man ausspeien muss, da man sich sonst daran vergiftet. Sondern nehmt das Wort in den Mund, schwer wie ein Stein. Es ist kein einfaches Wort. Es ist schwer und unhandlich. Ein Sehnsuchtswort.Sunzi, der alte chinesische Militärstratege, schreibt in seinem Buch zur Kunst des Krieges im vierten Kapitel zur Taktik: „Wahre Vortrefflichkeit ist es, insgeheim zu planen, sich heimlich zu bewegen, dem Feind einen Strich durch die Rechnung zu machen und seine Pläne zu vereiteln, so dass zumindest der Tag ohne einen Tropfen vergossenen Blutes gewonnen wird.“ Das liest sich im Kontext des eigenen Vorteils, um an einen Punkt zu gelangen, von dem aus man sich günstige Bedingungen für die Schlacht schafft. Das Zitat beherbergt in aller militärischer Logik aber auch eine menschliche Wahrheit, nämlich dass kein Blutvergießen besser ist als Blutvergießen – was die Militärs wissen, sollte auch der deutschen Öffentlichkeit kein Tabu sein.Die ewige Sehnsucht nach der Langeweile des FriedensWie wir den Krieg sehen, welche Perspektiven wir erkennen, hängt davon ab, wie über den Krieg gesprochen wird. Wenn der Krieg wahlweise als Schachbrett daherkommt, auf dem man ruppig und breitbeinig Figuren herumschiebt, oder als konsequenzvermindertes Videospiel oder als Blockbuster, in dem Helden eben sterben, dann hat das Folgen für den Diskurs. Einerseits haben wir aufgrund des Internets Einblicke wie nie zuvor, was an den Fronten passiert, andererseits bringen Mediengebrauch und Berichterstattung immer eine narratologische Verfasstheit des Erzählten mit sich. Das bedeutet, dass Geschichten erzählt werden, die dramaturgisch angelegt und konstruiert sind, sodass wir dranbleiben an den Geräten.Der Frieden hingegen ist langweilig – und doch sehnen wir uns heimlich nach ihm, immer dann, wenn wir das Handy nach dem Doomscrolling weglegen, wenn wir genügend kurze Videos gesehen haben, in denen Leute nach anderen Leuten unter Trümmern suchen, in denen Kriegsgefangene präsentiert werden oder stumme, leblose Körper auf schmutzigen, groben Autos.Man will von Vergeltung sprechen und nicht von Frieden. Von Rache, von Bestrafen, von Gerechtigkeit. Irgendein rationaler Mensch sagt, dass dieser und jener Kriegstreiber angefangen habe, der sei also schuld. Aber der andere sei vorher schuld gewesen, wird ebenso rational entgegnet. Wahrscheinlich stimmt beides. Ich will dem entsagen, zu diesen rationalen Menschen zu gehören. Dass die Waffen schweigen mögen, ist eine ungeheure Sehnsucht. Ein Frevel. Ich bekenne mich dazu.Mit dem Bekenntnis und dem Ruf nach Frieden allein ist es aber nicht getan. Frieden ist so komplex wie Krieg. Wir dürfen das Wort nicht den rechten Populisten überlassen, die „Standort Deutschland“ und „ist mir doch egal“ meinen, wenn sie „Diplomatie“ und „Frieden“ sagen. Wir brauchen eine Wissenschaft und einen Journalismus, die es ernst meinen, die recherchieren und erklären, wie Frieden geht. Wir brauchen Expertisen, die uns Worte geben, Wege zu möglichen Frieden (im Plural) benennen zu können, dafür streiten zu können im Freundes- und Kollegenkreis, sodass es keine abstrakte Sehnsucht bleibt, die ein Einfallstor für Populisten ist.