linksunten-/RDL-FAQ 5.: Was ist der Haken an der linksunten-Entscheidung des BVerwG?

Halloween-Kalender Das Gericht berücksichtigte nicht, daß der BetreiberInnenkreis nicht „linksun­ten.indymedia“, sondern vielmehr „IMC linksunten“ hieß, & prüfte auch nicht, ob die Verbotsgründe, auf die sich das Innenminis­terium berief, tatsächlich vorlagen

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Ausführlichere Antwort:

Es gab zwei Haken:

a) Das BVerwG berücksichtigte nicht, daß das BMI 2017 von „Verein ‚linksun­ten.indymedia‘“ sprach, der BetreiberInnenkreis aber nicht „linksunten.indymedia“, sondern vielmehr „IMC linksunten“ hieß

Wie schon in der Antwort auf Frage 3 gesagt, sprach das Bundesinnenminis­terium von einem „Verein ‚linksunten.indymedia‘“, der verboten sei und aufgelöst wer­de. Der hinter der Webseite „stehenden Personenzusammenschlusses“ hieß aber nicht „linksunten.indymedia“, sondern vielmehr „IMC linksunten“ (siehe z.B.: https://linksunten.indymedia.org/user/7/index.html1 und Absatz 2 der hiesigen aus­führlicheren Antwort auf Frage 1). Dies wurde von den AnwältInnen der Klä­gerInnen vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht (jedenfalls: nicht in der mündli­chen Verhandlung) thematisiert und auch vom Gericht nicht berücksichtigt. Aus dem Bezeichnungsfehler des BMI hätte sich aber durchaus ein Argument gegen die Rechtmäßigkeit der Verbotsverfügung gewinnen lassen, denn 1971 hatte das Bun­desverwaltungsgericht in einem anderen Vereinsverbots-Verfahren entschieden:

„Ein belastender Verwaltungsakt ist rechtswidrig, wenn er nicht genügend be­stimmt ist, insbesondere – auch im Wege der Auslegung – nicht eindeutig genug und der Vollziehung fähig erkennen läßt, wen er treffen soll (vgl. Forsthoff, Lehr­buch des Verwaltungsrechts, 9. Aufl., § 11 S. 212; Wolff, Verwaltungsrecht I, 7. Aufl., § 50 II S. 332; Stumpp, DVBl. 1968, 330). An diesem Rechtsmangel leidet die Verfügung vom 15. Mai 1961, soweit sie sich gegen den ‚V. [= Verlag Hohe Warte]‘ richtet. Denn sie läßt – auch im Wege der Auslegung – nicht eindeutig er­kennen, welche Vereinigung unter dieser Bezeichnung verboten und aufgelöst werden soll.“

(https://research.wolterskluwer-online.de/document/787ef32e-74dd-484e-ba9c-f886697e5896, Textziffer 32)

b) Das Gericht prüfte in Bezug auf den BetreiberInnenkreis nicht das Vorliegen der vom Bundesinnenministerium behaupteten Verbotsgründen des Artikels 9 Absatz 2 Grundgesetz

Der zweite – auch unabhängig von der Bezeichnungsfrage wichtige – Haken ist: Das Bundesverwaltungsgericht hat nicht überprüft, ob die vom Bundesinnenministerium behaupteten Verbotsgründe des Artikels 9 Absatz 2 Grundgesetz im Fall des linksun­ten-BetreiberInnenkreises tatsächlich vorlagen (warum das Bundesverwaltungsgericht dies nicht geprüft hat, wird demnächst in Antwort auf Frage 17 dieses FAQ-Kataloges erklärt).

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Hinweis:

Am Montag wird es mit folgender Frage weitergehen: „Was sind die vom Bundesinnenministerium behaupteten Verbotsgründe des Arti­kel 9 Absatz 2 Grundgesetz?“

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Geschrieben von

DGSch

Detlef Georgia Schulze ist PolitikwissenschaftlerIn und schrieb zuletzt in der jungen Welt vom 27.03.2023 über „Fehler der bürgerrechtlichen bis linksradikalen Reaktionen auf das Verbot von ‚linksun­ten.indymedia‘“. Neben anderen Veröffentlichungen zu rechtstheoretischen und rechtspolitischen Themen gab er/sie 2010 – zusammen mit Sabine Berghahn und Frieder Otto Wolf – das zweibändigen Buch „Rechtsstaat statt Revolution, Verrechtlichung statt Demokratie?“ (Bd. 1: https://d-nb.info/986059048; Bd. 2: https://www.dampfboot-verlag.de/filepool/getfile/dampfboot/?datei=/dateien/download/inh-schulze2-784.pdf) heraus.

Weitere Informationen unter der Adresse: https://web.archive.org/web/20220120071119/https://links-wieder-oben-auf.net/ueber-mich/.

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