Mein Facebook-Ausstieg

#Faxit Soziale Medien können ein großartiges Instrument für unsere Demokratie sein. Oder sie zerstören

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Es war schön
Es war schön

Bildmaterial: Screenshot

Spätestens seit der Wahl von Donald Trump und dem Wissen darüber, wie Facebook und Twitter genutzt wurden, um die Wahlen in den USA zu manipulieren, habe ich ein ungutes Gefühl, wenn ich Facebook besuche. Ich habe das Gefühl, bei etwas dabei zu sein, was dafür genutzt wird, viele der Werte, die ich für wichtig halte, zu unterminieren.

Ich bin Komplize.

Vor ca. zwei Jahren hatte ich aus einem Impuls heraus Whatsapp gelöscht – und seitdem nicht mehr installiert. Ich wollte nicht, dass Facebook noch mehr über mich und andere weiß als ohnehin schon. Letztlich hat mich aber vor allem geärgert, wie rotzfrech Facebook seine Datenpolitik durchgesetzt hat. Kein Whatsapp zu haben bedeutet, dass ich Kommunikation verpasse. Ich bin nicht im Chat der FreundInnen, der KollegInnen. Meine Familienmitglieder mussten sich alternative Messenger installieren, damit wir einen Familienchat eröffnen können. Und aus Gründen, die ich nicht verstehe, haben wir uns nicht auf einen Messenger einigen können, so dass es zu einer Balkanisierung unserer Familienkommunikation gekommen ist. Ich beschwere mich nicht darüber, weil ich dafür verantwortlich bin. Die überwiegende Zeit merke ich auch nicht, dass ich einen Großteil der digitalen Kommunikation in meinen sozialen Kreisen verpasse. Nur wenn es wichtig ist.

Facebook nutze ich aus denselben Gründen wie alle anderen. Ich möchte mit Menschen in Kontakt bleiben, ich möchte lesen, was meine „Freunde“ interessiert, weil sie viele meiner Interessen teilen und weil sie meine Freunde sind.

Ich möchte jedoch auch von Menschen lesen, mit denen ich nicht einer Meinung bin, was sich schwer gestaltet. Zum einen neigen Menschen dazu, Menschen die ihnen widersprechen zu blocken. Zum anderen neigt Facebook dazu, mir Dinge zu zeigen, die mir ‚gefallen‘. Mit diesem Wissen klicke ich zeitweise aktiv auf Beiträge, die nicht meiner Ansicht entsprechen. Ich klicke gegen meine Filterblase. Das hatte zum Höhepunkt von PEGIDA dazu geführt, dass mir Werbeanzeigen für Nazimerchandise sowie für Singelbörsen für Muslime angeboten wurden.

Und natürlich möchte ich mich präsentieren und allen zeigen, was für ein toller Typ ich bin. In dieser Hinsicht bin ich nicht viel weiter entwickelt als mit 14 Jahren. Wenn ich mich bei Facebook so umsehe, bin ich nicht allein.

Allerdings weiß ich auch, dass nur ein Bruchteil meiner ‚Freunde‘ überhaupt davon erfahren, dass ich etwas geschrieben habe, wenn sie nicht aktiv danach suchen. Facebook entscheidet, wer was sieht. Das ist nicht neu, wir alle leben damit. Und ich könnte ja Werbung kaufen und die Reichweite meiner Texte erhöhen. Letzteres scheint jedoch die Reichweite nicht effektiv zu erhöhen, weil die Werbung zum Großteil auf Fakeprofilen geschaltet wird.

Ich bin nicht abhängig von Einnahmen, die ich durch mein Geschreibsel habe (keine), darum wird es mir in der Hinsicht nicht wehtun, wenn ich mein Konto lösche. Bei Menschen, die ihren Lebensunterhalt mit Content verdienen, ist das anders. Doch auch denen tut Facebook nicht unbedingt gut. So werden (oder wurden) Videos von Youtube so auf Facebook eingebunden, dass die Kreativen kein Geld damit verdient haben. Facebook hingegen schon. Passend dazu scheint Facebook Tweets, die von mit Facebook verbundenen Nutzerkonten kommen, nicht mehr vollständig darzustellen, so dass sie oft nicht mehr verständlich sind: Wir sollen doch bitte auf Facebook sprechen.

Der Skandal mit Cambridge Analytica und die hilflosen Versuchen von Mark Zuckerberg, Besserung zu geloben, haben mein Vertrauen in das Unternehmen nicht bestärkt. Lustig ist auch, dass wir uns immer an den letzten Datenskandal in dem Verein erinnern. Nicht jedoch an den vorletzten und vorvorletzten. Und immer übernimmt Herr Z. Verantwortung – übernimmt aber keine Verantwortung. Solange wir ihm nicht zeigen, dass uns das nicht gefällt, wird er nichts relevantes ändern.

All die oben genannten Dinge wusste ich bereits seit einiger Zeit. Meinen endgültigen Entschluss habe ich gefasst, nachdem ich einen TED-Talk gesehen sah, in dem dargelegt wurde, wie die Zentralisierung von Informationen zu Faschismus führen oder ihn mindestens begünstigen kann. Nein, ich unterstelle Herrn Z. nicht, dass das seine Absicht wäre. Ich glaube ihm, dass er möchte, dass Facebook die Welt zu einem besseren, demokratischeren Ort macht. Ich glaube nur nicht, dass Facebook das richtige Instrument ist, um die Macht sozialer Medien sinnvoll einzusetzen. Und ich denke, dass die Macht die Facebook (u. a.) hat, gefährlich ist.

Am faszinierendsten finde ich meine Angst, den Kontakt zu Menschen zu verlieren, zu denen ich den Kontakt nicht verlieren möchte. Mir fallen da gleich ein paar Menschen ein. Einige „kenne“ ich nur oder hauptsächlich über Facebook. Das passt zur Forschung, die zeigt, dass die Bindungen, die wir über soziale Medien eingehen in vielen Aspekten traditionellen Bindungen ähneln. Auf diese Angst kann Facebook setzen, sie ist das eigentliche Fundament von Facebook. Angst, nicht dabei zu sein, Angst etwas zu verlieren. Dieses tolle Gefühl, Teil einer Gemeinschaft zu sein, Neues zu erfahren und Lust an Interaktion habe ich jedoch immer seltener, wenn ich durch meine Chronik scrolle. Das liegt zum einen daran, dass Facebook es mir schwer macht, Unterhaltungen zu führen. Facebook setzt eher auf meinen Hunger nach dem nächsten Schnipsel Information, nach dem nächsten Klick. Facebook, das ganze Internet ist darauf ausgelegt, dass wir schnell klicken. Eine tiefe Interaktion ist nicht erwünscht, wenn sie passiert, dann weil wir es trotzdem wollen und Aufwand dort hineinstecken. Aber das mag an mir liegen. Vielleicht kann ich einfach nicht mit Facebook umgehen.

In dem Fall hilft nur Stimuluskontrolle. Ab dem 12.08.2018 ist es soweit.

Zu erreichen bin ich weiterhin über Twitter (über die Inkonsequenz, die daraus spricht, darf gerne geschmunzelt werden. Auf der anderen Seite hat Twitter einige Probleme nicht, die Facebook hat … dafür geht es Twitter wirtschaftlich nicht so gut ^^) unter @diaphanoskopie, dieses Blog, meine diversen Emailadressen und meine Telefonnummer ist auch seit fast 20 Jahren dieselbe.

Es war schön mit Euch, vielen Dank für Diskussionen und Widerspruch. Ich werde Euch vermissen. Für Gratulationen und Zuspruch. Für das Teilen meiner Beiträge und dafür, dass ich Teil dieser Gemeinschaft sein konnte.

Ich freue mich auf ein Wiedersehen auf einer der vielen Plattformen und Kommunikationswege oder … in echt! Bis bald!

Erstmals in seiner Geschichte sinken die Nutzerzahlen von Facebook in Europa. Innerhalb eines Tages verliert Facebook 130Mrd. Euro Wert an der Börse.

Bereits 2017 hatte Scott Galloway auf erste Probleme bei Facebook und der Nutzung von Werbung durch die Nutzer hingewiesen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

diaphanoskopie

"...im Gegenlicht der Wirklichkeit." - Ich hab' mal jeden Scheiß geglaubt. - @diaphanoskopie

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