Sachsen hat einen Vogel

Neue Rechte Ist die Polizei in Sachsen auf dem rechten Auge blind? Zwei Wasserwerfer, ein SEK-Einsatz und ein Vogelaufnäher legen das nahe

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Wenn etwas keine Provokation sein soll, sollte man auch vermeiden, dass es wie eine Provokation wirkt
Wenn etwas keine Provokation sein soll, sollte man auch vermeiden, dass es wie eine Provokation wirkt

Foto: imago/Tim Wagner

Früher dachte ich, die bei Demonstrationen für Sicherheit sorgenden BereitschaftspolizistInnen sähen martialisch aus. Und dann kam G20 in Hamburg. Von dort wurden, irgendwann am späten Abend, Bilder gesendet, die Spezialeinheiten zeigten. Mitten unter Demonstranten, Schaulustigen und Partyvolk. Daneben wirkten die behelmten KollegInnen der Bereitschaftspolizei harmlos, beinahe flauschig. In einigen Berichten wurde der Effekt des Auftretens deutlich: Niemand stellte sich einem der Herren (gibt es da auch Damen) mit den Gewehren in den Weg. Alle wussten, der „Spaß“ ist vorbei und ergaben sich. Spezialeinheiten schüchtern ein.

Am letzten Wochenende rief eine antifaschistische Initiative zu einer Demonstration in Wurzen auf. Ziel war es, die rassistischen Strukturen in Sachsen aufzuzeigen, für die exemplarisch die Situation in diesem Ort in Sachsen stehe. Es war eine Demonstration gegen die sächsischen Verhältnisse. Das mag man in Sachsen nicht, man möchte hier seine Ruhe haben. Darum blieben die ca. 400 Demonstrierenden auch weitgehend unter sich. Darum und weil Menschen die sich vor Ort gegen Rechtsextremismus engagieren Angst hatten, bei der Demo gesehen zu werden. Keine Angst hatten Rechtsradikale, die die Demonstration mit vulgären und antisemitischen Botschaften begleiten.

Begleitet wurde die Demonstration auch von der Polizei. Wenn antifaschistische Menschen in die sächsische Provinz reisen, ist nachvollziehbar, dass ausreichend Bereitschaftspolizei vor Ort sein muss. Dafür muss man den Demonstrierenden nicht unbedingt Gewaltbereitschaft unterstellen. Politische Lager trennen zu wollen, reicht als Erklärung aus. Die sächsische Polizeiführung entschied sich jedoch auch, die Menschen, die zur antifaschistischen Demo anreisten, vom sächsischen SEK begrüßen zu lassen. Die fadenscheinige Begründung des Pressesprechers dazu lautete:

„Dass das SEK im Einsatz ist, soll keine Provokation sein. Es ist eine Spezialeinheit, wie sie bei größeren Demos immer im Hintergrund im Einsatz sind - für den Fall, dass es eskaliert. Die Polizei geht von einem friedlichen Verlauf der Demonstration aus.“

Wenn etwas keine Provokation sein soll, sollte man auch vermeiden, dass es wie eine Provokation wirkt. Es ist ein Unterschied, ob eine Spezialeinheit im Hintergrund im Einsatz ist oder machtpornografisch zwischen zwei Wasserwerfern drapiert wird. Es macht auch einen Unterschied, ob jemand zum eigenen Schutz CS-Gas in der Tasche hat oder durch die Straße läuft, es jedem Menschen entgegenhält und ruft „Ich habe Reizgas, um mich zu schützen!“. Mir kann niemand erzählen, dass diese Spezialeinheit nicht der Einschüchterung dienen sollte. Der Einschüchterung von Menschen, die sich antifaschistisch engagieren.

Es ist ja nicht so, dass es sich hier um eine Ausnahme handelte. Die psychologische und juristische Repression demokratischen Engagements gehören in Sachsen zum guten Ton. In Dresden ist das seit den ersten Versammlungen von PEGIDA zu sehen. Das Verhalten der Versammlungsbehörde lässt vermuten, dass dort Sympathisanten für die besorgten Bürger hinter den Schreibtischen sitzen. Erinnert sei hier nochmal an das „Vollzugsdefizit“ gegenüber TeilnehmerInnen von PEGIDA. Damit ist zum Beispiel gemeint, dass in den Auflagen der Versammlung zwar Stangen über 1,5m länge nicht gestattet sind, die Teilnehmer jedoch zu dutzenden mit Teleskopstangen Dresden spazieren, unbehelligt von der Polizei. In Wurzen hingegen wurde die Mindestlänge (!) von 1,5m durchgesetzt. Die Demonstration durfte erst losgehen, als alle kürzeren Transparentbefestigungen weg waren. Man könnte von Schildbürgerstreichen ausgehen, wenn es sich nicht um sächsische Verhältnisse handeln würde.

In der Woche nach diesem erneuten Offenbarungseid der sächsischen Politik in Wurzen, wollte die Justiz in Dresden nicht nachstehen und stellte einen Prozeß zu einem rechtsextremen Übergriff im Jahr 2013 ein. Diesen hatte sie vorher wohl in guter Tradition verschleppt. Vermutlich hatte man einfach keine Zeit, weil der Versuch Tim H. doch noch zu verknacken zu viele Ressourcen benötigte?

Und wenn die Landesregierung (CDU/SPD) dafür sorgt, dass demokratisches Engagement im Keim erstickt und kriminalisiert wird, möchte die kommunale CDU, im Schulterschluss mit AfD und NPD, natürlich nicht nachstehen. Deswegen spricht sie sich gegen eine Initiative namens „Wir entfalten Demokratie.“ aus. Die Begründung der CDU lautete, die Initiative „ fokussiere nur gegen Rechtsextremismus.“ Es gibt Ortsverbände in Deutschland da würde das nicht nur ausreichen, sondern wäre Grund für Zustimmung. Dort handelt es sich um den demokratischen Arm der CDU.

Als kleine rassistisch-völkische Fingerübung durfte sich Sigmar Gabriel von AfD- und PEGIDA-Anhängern beschimpfen lassen, als er zu einem Termin im Ballhaus Watzke unterwegs war. Wem der Veranstaltungsort bekannt vorkommt, erinnert sich vielleicht an Höckes Reinszenierung der Sportpalastrede am selben Ort im Januar. Da waren die Pöbler allerdings drinnen.

Diese völkisch rassistische Kackscheiße macht mich mürbe. Und ich frage mich immer wieder: liegt es einfach an meiner Wahrnehmung? Verhält sich die Polizei Sachsen eigentlich neutral und ist nicht auf dem rechten Auge blind? Macht die Versammlungsbehörde Dresden Gegenprotest gegen PEGIDA nicht das Leben schwerer? Werden rechtsmotivierte Straftaten nicht weniger verfolgt und verurteilt als, vermeintlich, linksmotivierte Straftaten? Das frage ich mich und dann zeigt mir jemand einen Vogel. Plötzlich bin ich mir wieder sicherer, dass es stimmt.

Der Vogel war auf einem Aufnäher zu sehen, den einer der SEK-Beamten trug, die am Wochenende in Wurzen AntifaschistInnen einschüchtern sollten. Offenbar war dieser Aufnäher dem Träger so wichtig, dass er bereit war, gegen Vorschriften zu verstoßen. Private Aufnäher auf der Uniform sind nicht gestattet. Sonst wäre es ja eine Multiform. Odins Raben, einer davon war auf dem Aufnäher abgebildet, werden in der rechten Mythologie genutzt, und sind bei Neonazis beliebt. Sie haben vermutlich noch andere Bedeutungen, doch ich halte es für plausibel, dass der Beamte eben auf diese Bedeutung setzte. Sonst ergebe der Aufnäher keinen Sinn. Für ein wenig Schmuck ohne Ideologie dahinter verstößt niemand in dieser Form gegen Vorschriften. Dieser Beamte der sächsischen Polizei hat sich also sicher genug gefühlt, auf einer antifaschistischen Demonstration, für die er mit einer scharfen Waffe als Abschreckung diente, ein rechtsextremes Symbol an seiner Uniform anzubringen, womit er gegen Vorschriften verstieß. Er muss sich sicher genug gewesen sein, dass ihm von seinen Vorgesetzten der Polizei in Sachsen keine relevanten Konsequenzen drohen werden. Und so sicher wie er sich da ist, bin ich mir auch, denn wir beide kennen die sächsischen Verhältnisse.

[Dieser Text ist zuerst erschienen auf ganzheitlichdurchleuchtet.com]

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Geschrieben von

diaphanoskopie

"...im Gegenlicht der Wirklichkeit." - Ich hab' mal jeden Scheiß geglaubt. - @diaphanoskopie

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