Auch drei Wochen nach der Parlamentswahl vom 28. Juli ist immer noch nicht absehbar, welche Koalition die künftige Regierung bilden wird. Die Wahl hatte weder den in fast allen Umfragen vorausgesagten Absturz der amtierenden Linksregierung von Pedro Sánchez gebracht noch den ebenfalls prognostizierten Erdrutschsieg von Alberto Núñez Feijóo für seine geplante Koalition aus Rechtspartei und Faschisten. Im neu gewählten Parlament herrscht vielmehr eine Pattsituation.
Die Rechtspartei Partido Popular (PP) mit ihrem Kandidaten Feijóo gewann zwar die meisten Sitze im neuen Parlament, dagegen schrumpfte die faschistische Partei Vox von 52 auf 33 Abgeordnete. Und statt abzustürzen, gewannen die Sozialisten unter Sánchez sogar zwei Sitze dazu. Unterm
zu. Unterm Strich hat sich die Kumpanei von Konservativen und Faschisten nicht ausgezahlt: Zusammen kommt ihr Bündnis nur auf 169 Sitze, ziemlich weit entfernt von der absoluten Mehrheit von 176 Sitzen. Ihr Problem: Auch mit der Stimme einer Splitterpartei kamen am Ende nur 170 Stimmen heraus. Zwar gewann der PP nach der verzögerten Auszählung der Wähler aus dem Ausland sogar noch einen Sitz dazu, der auf Kosten der Sozialisten ging; aber immer noch fehlen fünf Stimmen zur Wahl eines konservativen Regierungschefs. Alle übrigen sechs im Parlament vertretenen Parteien waren nicht bereit, einen Ministerpräsidenten zu wählen, der mit Faschisten gemeinsame Sache macht. Daraufhin versuchte es Alberto Núñez Feijóo mit einer Distanzierung von Vox, obwohl seine Partei noch kurz zuvor eine Unzahl von Koalitionsregierungen auf regionaler, provinzialer und lokaler Ebene abgesegnet hatte. Aber es war zu spät.Gleichzeitig verhandelten die Sozialisten zusammen mit dem Linksbündnis Sumar über die Unterstützung für eine neue Regierung. Das größte Hindernis dafür: die für die Unabhängigkeit Kataloniens kämpfende Partei Junts, in der immer noch der abgesetzte ehemalige katalanische Präsident Carles Puigdemont den Ton angibt. Deren sieben Abgeordnete sind der Schlüssel zur Wiederwahl von Pedro Sánchez zum Regierungschef.Der Preis der KatalanenAm 17. August kam es dann zur ersten Feuerprobe für eine linke Mehrheit bei der Wahl des neuen Parlamentspräsidenten. Ergebnis: Die sozialistische Kandidatin Francina Armengol erhielt 178 Stimmen, die rechte Kandidatin Cuca Gamarra dagegen nur 139. Grund: Da die Konservativen keinen der ihnen zustehenden Sitze im Parlamentspräsidium an die Faschisten abtreten wollten, verweigerten diese ihre Unterstützung. Die Stimmen der Katalanisten für das Lager von Sánchez hatten aber auch ihren Preis: Katalanisch soll in Zukunft als Sprache im Parlament zugelassen werden. Die Sozialisten haben das in ein umfassenderes Paket verpackt: größere Diversität der Sprachen in den europäischen Institutionen.Das letzte Wort bei den Verhandlungen für die erneute Wahl von Pedro Sánchez zum Regierungschef hat aber wiederum Puigdemont, gegen den in Spanien weiterhin ein Haftbefehl besteht. Dieser hatte die Unterstützung bei der Wahl der Parlamentspräsidentin ausdrücklich von Sánchez’ Wahl zum Regierungschef getrennt.Die dafür gestellten Bedingungen dürften die Schmerzgrenze der Sozialisten überschreiten. Sie lauten: Amnestie für alle wegen des katalanischen Unabhängigkeitsreferendums von 2017 Angeklagten und Verurteilten sowie eine diesmal legale Wiederholung des Referendums. Die Pointe: Das Risiko für den Erfolg eines solchen Referendums ist derzeit eher gering, die Mehrheit der Katalanen würde wohl gegen eine Unabhängigkeit stimmen. Die Unabhängigkeitsbefürworter sind aus den letzten Wahlen erheblich geschwächt hervorgegangen. Zur stärksten Partei ist dagegen der katalanische Ableger der sozialistischen Partei geworden. Aber bei dieser Frage der „nationalen Einheit“ geht es ums Eingemachte.Es ist also gut möglich, dass auch im zweiten Wahlgang keine relative Mehrheit für eine Linksregierung unter Pedro Sánchez zustande kommt. Dann wären wohl Neuwahlen fällig. Vorerst hat der spanische König aber noch viel Zeit für das Konsultieren der Parteien. Die Parlamentswahlen würden wohl frühestens Ende des Jahres stattfinden. Aber auch wenn Pedro Sánchez zum neuen Ministerpräsidenten gewählt werden würde, käme es zu einer Minderheitsregierung, die bald an dem permanenten Kampf um Stimmen für ihre Gesetzesprojekte scheitern könnte.All das hat aber auch einen positiven Aspekt: Die Rechtspartei hat sich durch ihre Kollaboration mit der Partei Vox derart isoliert, dass anderen Parteien die Lust am Kokettieren mit den Faschisten vergangen sein dürfte.