Buchstäblich in letzter Minute haben sie sich doch zusammengerauft. Die zersplitterten Linksparteien und -gruppen vereinigen sich im Wahlbündnis „Sumar“, welches Yolanda Díaz, Vizeregierungschefin unter dem sozialistischen Premier Pedro Sánchez, gegründet hat. Freilich dürfte das Feilschen um die Listenplätze und der Ausschluss von Irene Montero – bisher Ministerin für Gleichstellung und eine der letzten Schlüsselfiguren von Podemos – die Wahlchancen dieser Allianz kaum verbessert haben. Mit dem Veto der „Sumar“-Verantwortlichen gegen eine Kandidatur von Montero wurde offensichtlich einer Kampagne der Medien gegen die feministische Ikone der Linken nachgegeben.
Die Hoffnung der Regierung in Madrid, die in einig
e in einigen Regionen und Kommunen in Gang befindlichen Koalitionsverhandlungen zwischen dem rechten Partido Popular (PP/Volkspartei) und der faschistischen Partei Vox würden deren potenzielle Wähler abschrecken, hat sich nicht erfüllt. Nicht einmal die aus Castilla y León kommenden Nachrichten, wo der PP seit über einem Jahr mit den Rechtsradikalen regiert, haben der Rechten geschadet. Im dortigen Koalitionsvertrag hatte Vox durchgesetzt, dass sich Frauen vor einer Abtreibung die Herztöne ihres Fötus anhören müssen.Alfonso Fernández Mañueco, der regionale Führer des Partido Popular, bestritt zunächst unter dem Druck der Madrider Zentrale die Existenz einer solchen Übereinkunft, um dann zu versuchen, die von Vox ultimativ geforderte Umsetzung, was den Zwangscharakter betraf, abzuschwächen. Doch seit den Ende Mai so fulminant gewonnenen Kommunal- und Regionalwahlen gibt es für die Volkspartei praktisch keine roten Linien mehr. Genauer gesagt: Die Madrider Zentrale hat ihren regionalen und kommunalen Führern grünes Licht für Koalitionsverhandlungen mit Vox gegeben. Nur sollen die möglichst diskret abgewickelt werden.Vox nimmt darauf nicht immer Rücksicht. Als die Parteiführung Carlos Flores in der autonomen Region Valencia auf die Liste der von ihr zu stellenden Minister gesetzt hatte, kam heraus, dass dieser wegen Misshandlung seiner Frau zu einem Jahr Haft verurteilt worden war. Eine politisch recht dumme Provokation, bestreiten die Faschisten doch, dass Gewalt gegen Frauen ein relevanter Straftatbestand sei, der besondere Maßnahmen erfordere. Vox zieht es vor, von „intrafamiliärer Gewalt“ zu sprechen, was unterschiedslos Gewalt von Frauen gegen ihre Männer, von Eltern gegen ihre Kinder oder von Kindern gegen ihre Eltern einschließt. Der Ministerkandidat Carlos Flores wurde schließlich doch von Vox zurückgezogen, allerdings nicht fallengelassen. Er wird stattdessen fast sicher nach den Wahlen am 23. Juli als Abgeordneter ins spanische Parlament einziehen.Ein Vorgeschmack auf das, was nach den Nationalwahlen folgen könnteVox durfte dann – quasi als Entschädigung – in der künftigen valencianischen Regierung den Minister für Kultur stellen. Es handelt sich um den Ex-Torero Vicente Barrera, der vermutlich den in Spanien zunehmend umstrittenen Stierkampf wieder zum Glanzstück spanischer Kultur und Identität machen wird. Der gleiche Vicente Barrera ist als Vizepräsident des valencianischen Parlaments vorgesehen. Wie die digitale Zeitung publico.es bemerkt, fehle jetzt noch, dass ein Priester zum Minister für Erziehung und ein Schamane zum Gesundheitsminister ernannt wird.Der 50 Punkte umfassende Koalitionsvertrag der künftigen Regierung für die Region Valencia erlaubt einen Vorgeschmack, was Spanien nach den nationalen Wahlen Ende Juli bevorsteht. Das „Gesetz zum historischen Gedächtnis“, das bisher einer Aufarbeitung der Franco-Verbrechen diente, soll abgeschafft werden. Es stehe der nationalen Versöhnung im Wege. Der Schutz für die Einheit des Vaterlands wird zur Priorität erklärt. Unterrichtsstoff an den Schulen soll schärfer kontrolliert werden, um die Klassenräume von „Ideologie“ zu reinigen, besonders beim Thema sexuelle Vielfalt. Die Erbschafts-, Schenkungs- und Vermögenssteuer gedenkt man abzuschaffen. Zugleich soll es ein neues Modell für die öffentlich-rechtlichen Medien geben, das deren Ausgewogenheit garantiert. Der Kampf gegen Hausbesetzungen ist zu verschärfen und so weiter. Auch auf den Balearen und in Extremadura ist mit einem ähnlichen Programm für eine Koalition aus Volkspartei und Vox zu rechnen, während es der PP in Aragón vorzieht, die Verhandlungen hinauszuzögern. In kleinerem lokalem Maßstab weht dieser „neue Wind“ in Hunderten von Städten und Kommunen.Die Volkspartei scheute dabei kein Mittel, den Sozialisten den Garaus zu machen. So gab es eine Absprache, dass bei gleicher Anzahl von Sitzen die Partei eine Regierung bildet, die auf die meisten Stimmen kam. Im Fall der Provinzhauptstadt Jaén in Andalusien waren das die Sozialisten. Diese verhandelten mit dem einzig möglichen Koalitionspartner, der Partei Jaén merece más. Am Ende machte die Volkspartei einige Versprechen mehr und gewann das Rennen. Es gab auch abartige Konstellationen: In der Stadt Barcelona siegte die Unabhängigkeitspartei Junts per Catalunya mit dem Kandidaten Xavier Trias, der 2015 als Bürgermeister von Ada Colau abgelöst worden war. Deren linksalternative Partei Barcelona en Comú kam diesmal nach den Sozialisten nur auf den dritten Platz, obwohl der von Colau betriebene Umbau der katalanischen Metropole europaweit als Modell einer nachhaltigen Modernisierung gilt. Um Xavier Trias als Bürgermeister zu verhindern, einigten sich schließlich der PP und Barcelona en Comú darauf, den Sozialisten Jaume Collboni zum Bürgermeister zu wählen – aus unterschiedlichen Motiven: zum einen sollte ein „Separatist“ verhindert, zum anderen das Reformwerk von Colau erhalten werden, das der Konservative Trias womöglich abgewickelt hätte.Angesichts einer quasi unausweichlichen nationalen Regierung aus Volkspartei und Faschisten rät PP-Chef Alberto Núñez Feijóo als designierter Premier den Sozialisten: Wenn sie so viel Angst vor einer Regierungsbeteiligung von Vox hätten, sollten sie sich bei seiner Wahl enthalten, wenn sie ihm schon nicht ihre Stimme geben wollten.