Nachricht der Bank: In Spanien sei eine neue Identitätsnummer für Ausländer vorzulegen, gemäß einer neuen EU-Verordnung zur Bekämpfung der Geldwäsche. Zuständig: die Ausländerbehörde in der nach Bischof Covarrubias benannten Straße. Erster Schritt, online einen Termin buchen, alle Wochentage um Punkt 13 Uhr. Man stelle sich das vor: Hunderte auf der Lauer, die um Punkt 13 Uhrauf das Suchfeld der Terminprozedur klicken.
Die ersten Versuche ergeben: keine Termine vorhanden. Am dritten Tag schlägt das Glück zu: ein Termin, wenn auch erst in fünf Wochen. Erneut Glück: In einer Telefon-Hotline wird abgehoben und erklärt, welche Unterlagen mitzubringen sind. Dann kommt der entscheidende Tag: Vor einem kasernenähn
ende Tag: Vor einem kasernenähnlichen Gebäude stehen zwei lange Schlangen vor von der Nationalpolizei bewachten Eingängen. Aber man hat Glück: Mit dem Code des Online-Termins ist ein Zugang an der Schlange vorbei möglich. Das Gros der Wartenden besteht offenbar aus Immigranten ohne Termin, die auf ein Wunder oder die wohltätige Intervention des davongegangenen Bischofs Covarrubias warten.Es bleibt eine letzte Chance: Eine Anwältin einschaltenDas Glück dauert nur kurz, denn die Polizistin hält das beim Kontakt mit der Hotline genannte Formular Ex-18 für das falsche, richtig sei Formular Ex-15. Also neuen Onlinetermin buchen, den es tatsächlich gleich übermorgengibt, leider ohne Terminbestätigung. Also ein Marathon von Anrufen auf der Hotline. „Sie sind auf Platz 5 der Warteschlange“. Nach 10 Minuten: Sie sind auf Platz 1 der Warteschlange. Ein Freiton und dann: „Sie sind auf Platz 7 der Warteschlange.“ Das dreimal. Nach 30 Minuten Abbruch wegen Erschöpfung.Nach tagelanger erfolgloser Terminsuche eine Mail an die zuständige Ministerin. Oh Wunder: Es gibt eine Antwort: „Wir haben das Schreiben an den Innenminister weitergeleitet.“ Drei Wochen vergehen ohne die Spur eines Termins, bis sich im Internet dafür eine Erklärung findet: Eine Mafia schöpft seit langem landesweit die Termine der Ausländerbehörden ab, um diese dann für 60 Euro zu verkaufen. Der nationale Ombudsmann hatte die Regierung schon vor Jahren aufgefordert, dagegen einzuschreiten – offenkundig ohne Erfolg.Es bleibt eine letzte Chance: Eine Anwältin einschalten. Nach drei Tagen erfährt diese immerhin: Das System der Onlinetermine ist kollabiert. Dann erneut ein Wunder: Über einen Spezialkanal der Anwaltskammer kommt eine Terminzusage, aber noch ohne Uhrzeit. Nach drei Tagen die Rückkehr in den Albtraum: Termin gestrichen. Begründung: der geforderte Identitätsnachweis (dessen Ausstellung fünf Minuten gekostet hätte) wäre im vorliegenden Fall gar nicht nötig. Weder ein Schreiben der Bank, die inzwischen das Konto blockiert hat, noch das Zitieren des spanischen Gesetzes, das die EU-Verordnung umsetzt, helfen.Inzwischen steht Weihnachten vor der Tür, und man erinnert sich des Bildes eines schwarzen Immigranten in der Schlange, der vor der Kaserne in der Bischof-Covarrubia-Straße den Polizisten nach einer Toilette fragte. Antwort: Er möge warten, bis er an der Reihe sei.Carles Puigdemont wird handeln, wenn die Amnestie nicht kommtUm die Ecke der Ausländerbehörde befindet sich ein Kiosk. Die Schlagzeilen der lokalen Zeitungen bestimmt der 18. Geburtstag von Kronprinzessin Leonor. Der Geburtstag hat das Zeug, sogar das Thema Amnestie zu verdrängen, denn ansonsten durchlebt diespanische Politik gerade so etwas wie die Ruhe vor dem nächsten Sturm. Der Gesetzentwurf eines Straferlasses für katalanische Politiker, die sich beim Unabhängigkeitsreferendum im Oktober 2017 exponiert haben, liegt dem Parlament wohl vor, aber noch weiß keiner, wieweit er dort verabschiedet und in welcher Form wird.Währenddessen versucht der rechte Partido Popular (PP) über die EU, eine Amnestie mit der Begründung zu verhindern, es handle sich um einen Angriff auf den Rechtsstaat. PP-Verbündeter ist dabei besonders Manfred Weber, Fraktionschef der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) im EU-Parlament. Nur soviel dürfte feststehen, sollte die Amnestie verwässert werden, dürfte Carles Puigdemont mit seiner Partei Junts per Catalunya die tolerierende Unterstützung für die Regierung von Pedro Sánchez aufkündigen. Zusätzlich geschwächt ist dessen Regierungsmandat nach dem Bruch von Podemos mit der Linksallianz Sumar. Kein Wunder, dass die Werte in den Umfragen für den PP und die Rechtsaußenpartei Vox steigen. Sollte es doch noch Neuwahlen geben, wird dieses Lager davon profitieren.60 Euro an die Mafia zahlenDie große Mehrheit der Spanier hat Angst vor Veränderungen, erträgt das Unerträgliche, Millionen haben sich mit den Schikanen der Obrigkeit, deren Willkür und Demütigungen abgefunden. Sie versuchen, sich mit „Schelmenstücken“ durchzuwursteln, indem sie 60 Euro an die Mafia zahlt. Und die Medien feiern den 18. Geburtstag der Kronprinzessin.