Leugner der Klimaänderung in Spitzenposition

USA Lamar S. Smith ist als Vorsitzender des Wissenschaftskomitees im Repräsentantenhaus bestätigt worden. Die Republikaner setzen offen auf die Leugnung des Klimawandels

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Lamar S. Smith
Lamar S. Smith

Foto: Mark Wilson/Getty Images)

Dass mit seiner Wiederwahl als Vorsitzender des Komitees für Wissenschaft, Raumfahrt und Technologie die Sache nicht besser werden würde, war abzusehen. Lamar S. Smith (69) vertritt als Republikaner seit 1987 den 21. texanischen Wahlkreis im Repräsentantenhaus. Er ist schon länger als sogenannter Klimaskeptiker bekannt. Der Naturwissenschaftler John Abraham, der im britischen Guardian die Kolumne Climate Consensus – the 97% mit verantwortet, bezeichnete ihn als "Hexenjäger gegen die Klimaforscher". Das war vor einem Jahr und Smith gerade schwer beschäftigt, seine lieb gewonnene Verschwörungstheorie auf die offizielle Agenda des Komitees zu hieven: Wissenschaftler würden vorsätzlich Temperaturaufzeichnungen manipulieren, um eine Klimakrise zu konstruieren.

Sein jüngster Coupversuch hat es in sich: einer tatsächlichen Verschwörung auf die Beine zu verhelfen. Am 1. Dezember setzte das Komitee über ihren zertifizierten Tweet-Account eine Kurznachricht ab: "Globale Temperaturen fallen steil. Eisiges Schweigen der Klimaalarmisten." Der Tweet nahm dabei eine Meldung des Online-Portals Breitbart News vom 30.11. in Bezug, die wiederum auf einem entsprechenden Artikel des britischen Daily Mail vom 26.11. aufbaute. Tenor: Der jüngste Run der Weltrekorde an weltweit hohen Temperaturen stehe vor dem Ende. Das beweise, dass für den globalen Temperaturanstieg nicht die Menschen verantwortlich sind.

Die Erwiderung der Wissenschaftsgemeinde kam postwendend. Der Guardian zitiert in seinem Beitrag "Climate scientists condemn article claiming global temperatures are falling" unter anderem Adam Sobel von der Columbia University. Die Beiträge würden einige grundlegende Tatsachen "grob falsch interpretieren": "Die Temperatur geht für einige Jahre nach oben, und wir haben dieses Jahr die höchste Steigerungsrate, dann geht sie nach unten, aber auf ein Niveau das immer noch weit höher liegt als der historische Durchschnitt des 20. Jahrhunderts. Das widerlegt in keiner Weise irgendetwas bezüglich der Gründe für die langfristigen Temperatur-Trends". Das populärwissenschaftliche Magazin Scientific American kürte in seiner Online-Ausgabe die "9 besten Reaktionen" auf den Tweet.

An der Kurznachricht des Komitees, die ihren offiziellen Charakter nicht deswegen verliert, weil sie per Social-Media verbreitet wird, ist über die verbreitete Falschmeldung hinaus noch einiges mehr beunruhigend.

Einen Tag vor Smiths Wiederwahl abgesetzt, verkündet sie die künftige Linie des Komitees: die der schlichten Leugnung. War das bereits anhand der Vehemenz zu vermuten, mit der sich Smith gegen das Pariser Übereinkommen und die Linie von Präsident Barack Obama wandte, so drohen daraus nun konkrete Konsequenzen. Smith ist, wie sein künftiger Präsident Donald Trump, ein Gas-, Öl- und Kohle-Mann. Vornehmlich von dieser Industrie erhielt der Mann aus Texas die Spenden für seine Wahlkämpfe. Hier sitzt ein mächtiger Strippenzieher in einem mächtigen Komitee, das ein gewichtiges Wort mitspricht, dass und wie sich die USA zum Klimaschutzübereinkommen verhalten werden.

Das Komitee ist als politischer Ausschuss zwar nur im Repräsentantenhaus angesiedelt. Aber kraft seiner Ausstattung übt es teilweise oder vollständig die Rechtsaufsicht über u.a. folgende staatliche Stellen aus: Das Energieministerium, die Umweltschutzbehörde EPA, die Agentur zur Registrierung toxischer Substanzen und Krankheiten ATSDR, die nationale Ozean- und Atmosphärenbehörde NOAA. Smith hat in zwei Jahren daraus erkennbar seine eigene, persönliche Spielwiese gemacht.

"Big Science", die nächste Kampfansage von Breitbart News?

Die institutionelle Internetpräsenz des Komitees und ihm folgend Facebook- sowie Twitter-Accounts machen im Wesentlichen mit Beiträgen von und zu dem republikanischen Politiker auf. Dazu gehören gleich zwei hervorgehobene Beiträge: Dass Hillary Clinton die nationale Sicherheit in Gefahr gebracht habe und dass das FBI seine Ermittlungen gegen die Demokratin wieder aufnehmen solle. Das hat nichts mit Wissenschaft zu tun, dafür mit schierer Parteipolitik und dürfte der Grund sein, warum Smith von der republikanischen Mehrheit im Ausschuss mit weiteren zwei Jahren im Amt des Vorsitzenden belohnt wurde. Dass die Veröffentlichungsplattform zu diesen Zwecken missbraucht wurde, scheint dagegen nachrangig zu bleiben.

Und da ist schließlich die direkte Einbeziehung von Breitbart News. Sicher ein wichtiger Faktor, dass Donald Trump im Januar ins Weiße Haus einziehen wird, ist der Denker und zentrale Macher des Webzines, Stephen Bannon, der zu Trumps Chefstrategen aufgestiegen ist. Zwar hat sich die News-Plattform bislang nicht wirklich für Klima und Umwelt interessiert. Aber Bannon dürfte als Analytiker ganz genau wissen, dass dieses Politikfeld in der anstehenden Präsidentschaft nicht vernachlässigt werden darf. Von der Frage des Fracking über Pipelines durch Territorien der Ureinwohner, von schweren Ölunfällen bis zur künftigen Deckung des Energiebedarfs ist das ein Gebiet, auf dem gerade die Demokraten immer wieder bedeutende Erfolge für sich verbuchen konnten.

Bannon und Breitbart haben bewiesen, dass sie nicht nur keine Skrupel kennen, sondern das auch noch mit einer Mischung aus Häme und unbedingtem Durchsetzungswillen erfolgreich als eigenständiges Modell praktizieren. Der Fundus des britischen Daily Mail, mit dem sich Breitbart schon in der Vergangenheit die Bälle zugespielt hat, ist zum Thema fast unerschöpflich. Die Klimaerwärmung wird darin gefeiert, weil "das Vereinigte Königreich bis zum Jahr 2100 zum großen Weinexporteur werden könnte". Und Trumps Tochter Ivanka wird schon einmal vorsorglich eingehegt: "Während Reince Priebus, designierter Stabschef des künftigen Präsidenten Donald Trump, den Klimawandel als einen 'Haufen Quatsch' bezeichnet, hat die älteste Tochter, Ivanka Trump, einen anderen Standpunkt". Beides steht, vielfach wiederholt, für das Wort Trumps: Er werde Programme zur Erforschung der Klimaänderung beenden, die auf einer "politisierten Wissenschaft" beruhen.

Nach "Big Goverment" oder " Big Hollywood" wäre "Big Science" also die denkbar beste Ergänzung zu den bisherigen Rubriken der Kampfpostille Breitbart. Wäre doch gelacht, lautete dann die Überlegung, wenn man einzelnen Wissenschaftlern nicht genauso Märchen anhängen könnte wie das, Hillary Clinton sei eine Kriminelle, und ihr müsse der Prozess gemacht werden.

Käufliche Fachkräfte für derartige Inszenierungen gibt es auch in Wissenschaftskreisen genug. Naomi Oreskes (University of California) und Erik M. Conway (California Institute of Technology) haben sie als "Merchants of Doubt" bezeichnet. Der deutsche Titel: "Die Machiavellis der Wissenschaft – Netzwerk des Leugnens".

(marian schraube)

Der Beitrag erscheint im Crossposting zu "Tragwerkblog - Beiträge zur Nachhaltigkeit"

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