Künstler wie Caspar David Friedrich beeinflussen die Geschichte über ihre Lebenszeit hinaus. Ihr stilistischer Einfluss macht an nationalen Grenzen keinen Halt. Als ich die Ausstellung Caspar David Friedrich. Kunst für eine neue Zeit vergangenen Dezember in der Kunsthalle in Hamburg sah, rief sie mir in Erinnerung, wie groß sein Einfluss weltweit war. Wir sahen seine Gemälde dort in Konversation mit internationalen Kunstschaffenden, die sein Werk interpretierten, neu verpackten oder auch kritisierten. Unter den vielen zeitgenössischen Künstlerinnen waren der US-Amerikaner Kehinde Wiley, der japanische Maler Hiroyuki Masuyama und die finnische Fotografin Elina Brotherus.
Der kuratorische Ansatz von Kunst für eine neue Zeit lag auf der Rezeption von Fri
ag auf der Rezeption von Friedrichs Werk und dem intellektuellen Austausch unter Künstlern. Sie regte dazu an, über Caspar David Friedrichs Einfluss auf die Künste ebenso nachzudenken wie über das Verlangen, die Natur nach unserem Bild zu gestalten und gleichzeitig aufzuzeigen, wie sie langsam zerstört wird.Die Retrospektive in der Alten Nationalgalerie in Berlin mit dem Titel Unendliche Landschaften wählt einen anderen Ansatz. Hier geht es nicht so sehr um seine Rezeption als um die Entwicklung des Künstlers zu seinen Lebzeiten. In gewisser Weise ist die Ausstellung in Berlin deutlich kleiner als ihr Gegenstück in Hamburg und ermöglicht es deshalb, auf Friedrich selbst zurückzukommen und zu fragen: Wie nähert man sich einem Künstler, dessen Werk so populär geworden ist?In der Alten Nationalgalerie fällt die Antwort komplex aus. Berlin ist der Ort, an dem der Maler posthum gefeiert wurde, hier wurde seine Karriere wiederbelebt, nachdem er jahrzehntelang mehr oder weniger in Vergessenheit geraten war. Die Nationalgalerie, wie die Alte Nationalgalerie bis zur Wiedervereinigung hieß, zeigte 1906 die Jahrhundertausstellung deutscher Kunst, die einen Überblick über die Jahre von 1775 bis 1875 gab. Mehr als dreißig Gemälde von Caspar David Friedrich waren in dieser Ausstellung zu sehen. Als die damaligen Besucher*innen sie sahen, waren sie vor allem eine Reflexion auf die jüngste Vergangenheit, ein Verweis auf die deutsche Romantik. Aber auch schon damals mahnten sie die Beziehung des Menschen zur Natur an.Ohne belehrend zu sein oder hochtrabende Worte anzuschlagen, scheint Unendliche Landschaften viele Besucher*innen der Berliner Ausstellung zu einer sehr genauen Betrachtung der Werke selbst einzuladen. Als ich an einem warmen Frühlingstag durch die Ausstellung ging, sah ich, wie viele die feinen Details auf den Leinwänden sehr genau mit den Augen verfolgten und bestaunten. Sie waren auf eine Art und Weise mit den Gemälden beschäftigt, die echte Faszination verriet.Placeholder image-1Mit Gemälden wie Mönch am Meer beschwört Friedrich das Rätselhafte der Natur. Ein Mann steht einsam an einem Sandstrand, im Hintergrund plätschern dunkle Wellen. Dieser Küstenabschnitt zeigt die Stille der Landschaft, und hinter den Wolken strahlt der Himmel Licht aus, das sich vom Horizont weg verstärkt. In dieser Momentaufnahme der Stille werden wir daran erinnert, wie klein der Mensch ist, egal in welcher Beziehung er zu den Göttern steht und unabhängig davon, ob er eine herausgehobene gesellschaftliche Rolle innehat.Zurück an die AnfängeUnendliche Landschaften geht auch zurück an die Anfänge von Friedrichs Karriere, zu sehen ist etwa ein Ölgemälde von Georg Friedrich Kersting, der ihn bei der Arbeit im Atelier porträtierte. Es zeigt die weniger glamouröse Seite der künstlerischen Tätigkeit. Wie auch in der Ausstellung in der Hamburger Kunsthalle sind eine ganze Reihe früher Kreidezeichnungen zu sehen, darunter Selbstporträt von 1810, das Friedrich mit strengem Blick, leicht schief gelegtem Kopf, dicken Locken und dickem Bart zeigt. Sein Blick lässt keinen Zweifel daran, dass es sich um einen jungen Mann handelt, der in das Innerste der Seele vordringt.Placeholder image-2Zu den ikonischsten Werken zählen seine Küsten und Meereslandschaften, die mitunter einen Schiffbruch zeigen, aber spielerische Elemente verschaffen uns Atempausen. Ein prominentes Beispiel sind seine Kreidefelsen auf Rügen. Einerseits zeigt das Bild mit den drei Personen an der Klippe die Zerbrechlichkeit der Küste auf, andererseits ist da der unbeholfene Mann in der Mitte, den die junge Frau ermahnt.Gegen Ende der Ausstellung fragte ich mich: Wie können wir Caspar David Friedrich heute verstehen jenseits einer Rezeption entlang des Rangs seines Werks oder vor dem Hintergrund des ökologischen Niedergangs und des Klimawandels? Indem hier Friedrichs künstlerischer Werdegang nachvollzogen wird, rückt die Umwelt im Sinne der Region, die er malte, in den Blick. Der Künstler imaginierte und konstruierte eine Welt, indem er verschiedene Landschaften miteinander vermischte, wie er das etwa bei den Kreidefelsen auf Rügen oder Das Eismeer (1823/24) tat. Auf diese Weise bewegte er sich jenseits des Realismus hin zu imaginären Gebilden.Und so ist es eine Ausstellung, die auch darüber nachdenken will, wohin wir gehen. Unendliche Landschaften ermöglicht es, Momente zu betrachten, in denen sich die Menschen zurückziehen und ihre Aktivitäten einschränken. Und so kann man diese Ausstellung vielleicht mit einer Provokation der Kuratorin verlassen, die fragt: „Wo steht der Mensch im Verhältnis zur Welt?“Placeholder infobox-1