Der sprachlose Ministerpräsident

Madrid Seit den Wahlen zeigt Spaniens Noch-Premierminister Mariano Rajoy wenig Initiative. Schockstarre? Oder der letzte Beweis seiner Unfähigkeit zum politischen Konsens?

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Der spanische Premierminister Mariano Rajoy und die Vizepräsidentin der Regierung Soraya Saenz de Santamaria
Der spanische Premierminister Mariano Rajoy und die Vizepräsidentin der Regierung Soraya Saenz de Santamaria

Foto: Pablo Blazquez Dominguez/Getty Images

Dem PSOE-Chef Pedro Sanchez blies seit den Wahlen der Wind mit Beaufort 12 ins Gesicht. Erst nahmen ihn die eigenen Parteibarone auseinander, sogar sein Posten als Parteichef stand zur Debatte. Dann erhielt er parteiintern wieder Auftrieb, weil sich in Katalonien Neuwahlen abzeichneten. Als der ehemalige katalanische Ministerpräsident Artur Mas in letzter Minute Platz für seinen Nachfolger Carles Puigdemont machte, und damit Neuwahlen verhinderte, brachen Sanchez Koalitionspartner für eine linke Regierung weg. Seither versucht er den Spagat zwischen Links Podemos und rechts Ciudadanos, um seine Investitur zu erreichen.

Ciudadanos sieht PSOE am Drücker

Beharrlich robbt Sanchez auf den Posten des Regierungschefs zu. Dessen derzeitiger Inhaber Rajoy sieht tatenlos zu. Vielleicht hofft der Katholik ja auf göttliche Intervention im letzten Augenblick? Oder auf die göttliche Eingebung eines Plans B, um den gordischen Knoten seiner Kandidatur doch noch zu zerschlagen?

Kürzlich erst ließ Ciudadanos-Chef Rivera durchblicken, dass er eine Regierung unter Rajoy mittlerweile für „schwierig“ halte, und in Sanchez den kommenden Ministerpräsidenten sehe. Die PSOE hat im Kongress Sitze an katalanische und baskische Formationen abgetreten, und kann im Gegenzug auf deren Stimmen bei Sanchez Wahl zum Regierungschef zählen. Der Chef der Bürger-Partei, die eigentlich der natürliche Partner der PP wäre, wirft Rajoy Apathie vor.

In der Tat, was der geschäftsführende Ministerpräsident seit den Wahlen unternommen hat, ist so gut wie nichts. Rajoy redet von Gesprächen, ohne Gespräche zu führen, er signalisiert Kompromissbereitschaft, ohne Kompromisse anzubieten, immer wieder besteht er auf einer Großen Koalition nach deutschem Vorbild. Jedesmal erhält er von der PSOE eine Abfuhr und will nicht einsehen, dass die politischen Verhältnisse in Spanien, aufgrund seiner eigenen kompromisslosen Politik, ganz andere sind als in Deutschland.

Rajoy lamentiert, dass ihn niemand anrufe. Aber selber will er scheinbar auch nicht zum Telefonhörer greifen, um das Eis zu brechen.

Rajoys leerer Terminkalender

Einen Anruf bekam Rajoy dann doch; von einem Radiomoderator aus Katalonien, der sich als der neue katalanische Ministerpräsident Puigdemont ausgab. On Air hörten die Spanier zu, wie Rajoy dem angeblichen Ministerpräsidenten erzählte, man könne jederzeit kurzfristig ein Treffen vereinbaren, da sein Terminkalender derzeit „sehr leer“ sei. Seither überschlägt sich der Spott in den sozialen Netzwerken. Bei allen Parteien laufen die Verhandlungsdrähte heiß, nur der Regierungschef und die PP haben nichts zu tun.

Wieder mal trat nicht Rajoy selbst vor die Presse, sondern seine Parteisoldaten, um den faux pas ihres Chefs auszubügeln. Das Telefonat habe gezeigt, dass der Ministerpräsident gesprächsbereit sei. Rajoy sei auch nicht untätig, sondern warte nur den richtigen Zeitpunkt ab, um zur Attacke überzugehen. Das soll, dem Vernehmen nach, bei seinem Versuch der Investitur vor dem Kongress sein. Dann werde er sich zur Lage der Nation äußern und konkrete Vorschläge präsentieren. Wofür? Natürlich für eine große Koalition.

Auch eine merkwürdige Art der Konsensfindung, seine Vorschläge lautstark in die Öffentlichkeit hinaus zu posaunen, nach dem Motto, Friß oder Stirb! Anstatt sie zunächst den potentiellen Partnern zu unterbreiten. Wer echten Konsens will, tastet erstmal diskret Möglichkeiten ab, einigt sich auf gemeinsame Positionen und geht dann an die Öffentlichkeit. Aber stimmt ja, niemand will mit Rajoy reden, - außer Radiomoderatoren.

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