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#unteilbar Am 24.08.2019 versammelten sich 40.000 Menschen in Dresden, um für eine weltoffene Gesellschaft einzustehen. Die CDU distanzierte sich, das ist entlarvend

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40.000 gingen auf die Straße
40.000 gingen auf die Straße

Foto: John MacDougall/AFP/Getty Images

Unter dem Motto „Solidarität statt Ausgrenzung: für eine offene und freie Gesellschaft“ mobiliserte das Unteilbar-Bündnis am 24. August 2019 zu einer Demonstration gegen den autoritären Rechtsruck in Gesellschaft und Politik nach Dresden. Statt der offiziell 25.000 angemeldeten Personen erschienen knapp 40.000, was selbst die Sprecher*innen überwältigte. Mit Hinblick auf die anstehenden Landtagswahlen in Sachsen, doch auch in Brandenburg und Thüringen, wurde organisiert und unterstützt von einem breiten Kreis für eine liberale und weltoffene Gesellschaft demonstriert. Der Unterstützer*innenkreis reicht hierbei von antirassistischen Initiativen über künstlerische Vereinigungen, Klimabewegungen bis zu Vertreter*innen des linksliberalen politisch-gesellschaftlichem Spektrums. Nichtsdestoweniger fanden sich auch antikapitalistische und antifaschistische Gruppierungen wie das Bündnis Nationalismus ist keine Alternative (Nika), die Dresdner Ortsgruppe der trotzkistischen Sozialistischen Alternativen (SAV) sowie die postautonome Interventionistische Linke. Die Beteiligung jener antifaschistischer Gruppen war hierbei der Ausschlag zur Nichtteilnahme der Christlich Demokratischen Union (CDU), welche im Namen des Noch-Ministerpräsidenten Sachsens, Michael Kretschmer, besonders in Bezug auf das Sterben im Mittelmeer eine inhaltliche Unvereinbarkeit formulierte. Die Seenotrettung und die sächsische CDU teilen keinerlei Schnittpunkte.

Die frisch gekürte Verteidigungsministerin und vermeintliche Kanzlerin in spe Annegret Kramp-Karrenbauer unterstützte die Entscheidung der Bürgerlichen und stellte sich gegen den „Protest“ des Unteilbar-Bündnisses. Der antirassistische Aspekt, sprich das Verhindern der Tode und Morde im Mittelmeer, scheint sowohl für Kramp-Karrenbauer als auch Kretschmer und die CDU Grund genug, einer faktisch klassenübergreifenden Bewegung die Solidarität zu entziehen. Mit Blick auf das gefährliche Erstarken der Alternativen für Deutschland (AfD), welche besonders im Osten bedingt durch den dominanten rechtsradikalen „Flügel“ um Björn Höcke (Thüringen) und Andreas Kalbitz (Brandenburg) über 20 % der Stimmen bekommen könnte (Sachsen: 25 %; Brandenburg: 21 %; Thüringen: 21 %), vollführt die Regierungspartei des Bundes einen rhetorischen Rechtsschwenk. Damit spielt sie auf derselben Klaviatur des Autoritarismus und stellt dialektisch in der Tat keine Bündnispartnerin für eine weltoffene Gesellschaft dar. Der Unmut, der in Teilen des Unteilbar-Bündnisses erkennbar wurde, zeigt dahingehend einerseits das brüchige Konzept der Klassenversöhnung auf und offenbart andererseits den Charakter der Massenbewegung, der einen strikt politischen Kurs vermissen lässt.

Die Forderungen des Bündnisses sind im Kern die Verteidigung des bürgerlich-liberalen Rechts- und Sozialstaates. Ihr Hauptaugenmerk ist eine „grenzenlose Solidarität“, die sich gegen „autoritäre, nationalistische und neofaschistische Parteien“ positioniert und als bürgerliche Restvernunft das versucht zu retten, was in der Krise des Spätkapitalismus mit den inhärenten Entwicklungen und Erstarken von autoritären Kräften zur Disposition gestellt wird. Der Einwand und Vorwurf der rechtskonservativen und populistischen Elite – zusammen mit ihren radikalen und offen faschistischen Genoss*innen –, es handelte sich beim Unteilbar-Bündnis um eine strukturell linksradikale (in ihrem Terminus: „linksextreme“) Vereinigung, welche nicht weniger als die Überwindung der herrschenden Bedingungen als Ziel auserkoren, ist bei nüchterner Betrachtung der Faktenlagen und Stärke der jeweiligen Organisationen schnell zu widerlegen. Obgleich sich auch Vertreter*innen kommunistischer Gruppen versammeln, ist der genuine Charakter und der dort herrschende Minimalkonsens nicht die Zerschlagung der herrschenden Struktur, sondern die Festigung und Korrektur des Übriggebliebenen. Die „liberale Kapitalismuskritik“ hat hierbei schlechterdings nicht die Überwindung dessen vorausgesetzt, sondern deren Reformierung und letztlich Verteidigung unter „sozial marktwirtschaftlicher“ Perspektive.

Wenn sich rechte Blätter wie die „Junge Freiheit“ daran abarbeiten, welche Strukturen sich im Nika-Bündnis verzweigen und offenbaren, handelt es sich hierbei um eine bewusst propagandistische Selektion. Verwunderlich ist das freilich nicht, in gewissen Teilen besorgniserregend jedoch dann, wenn sich nichtfaschischte bürgerliche Politiker*innen daran heften, um wie Kretschmer und Kramp-Karrenbauer einen antifaschistischen Entrismus zu vermuten. Selbstverständlich wäre es lobenswert, würde sich Unteilbar mehr um den ökonomischen Aspekt der Krise befassen, um zur Erkenntnis zu gelangen, dass eine weltoffene Gesellschaft im Kapitalismus jeder Couleur ein Widerspruch auf Zeit ist. Dahingehend ist die Mitarbeit und Unterstützung der antifaschistischen und antikapitalistischen Linken in diesem Bündnis unabdingbar und essenziell. Der Weg der Bewusstseinsbildung ist spürbar und muss weiterhin begleitet werden, um die Verbindung zwischen Kapital und Unterdrückung herauszuarbeiten. Die Entscheidung der radikalen Bürgerlichen auf Distanz zu gehen, ist hierbei als Sieg zu verbuchen. Mittel- bis langfristig ist mit ihnen kein Bündnis zu schmieden, denn sie sind Teil der Katastrophe. Die Demonstration am 24. August 2019 zeigte hierbei eindrucksvoll das Verhalten der Konservativen, die sich gegen die zärtliche Solidarität stellen und ihr hässliches Gesicht offenbaren, und erneut belegen, dass eine humanistische Seenotrettung mit ihnen nicht zu machen ist. Um den Rechtsruck der AfD zu verhindern, vollführt die CDU selbst einen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Elisa Nowak

Freie:e Journalist:in aus Konstanz

Elisa Nowak

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