Mit dem Green New Deal wird alles besser?

Corona-Debatte Corona und linke Kritik(un)fähigkeit (5): Über einige Wechselwirkungen zwischen der Corona-Krise und ökonomischen Prozessen.

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Gemeinsam mit Anne Seeck, Peter Nowak und Gerhard Hanloser organisiere ich seit dem 7. Dezember 2020 eine Online-Veranstaltungsreihe für eine kritische Corona-Diskussion. Wir fragen uns und die Teilnehmenden, ob die gesellschaftliche Linke staatstreu geworden ist und sich nur noch einreiht ins "Gemeinsam gegen Corona", oder wo es kritisch-solidarische Perspektiven "von unten" gegen die Alternativlosigkeit "von oben" gibt. Nachdem wir die ersten drei Veranstaltungen alleine bestritten haben, laden wir nun Referent*innen zur Diskussion ein.

Vor Corona sind nicht alle gleich, im Gegenteil. Globale Finanzakteure und Digitalkonzerne gehören zu den Profiteuren und verschärfen die Situation derjenigen, die ohnehin benachteiligt sind. Wir stellen Alternativen vor, die als Green (New) Deals diskutiert werden. Stecken begründete Hoffnungen darin, oder sind es illusionäre Versuche, den Kapitalismus mit Greenwashing zu retten?

Mit dem New Deal rettete Roosevelt den Kapitalismus in den USA

Die Journalistin Martina Groß hat für den Deutschlandfunk die Sendung "Vom New Deal der 1930er-Jahre lernen" gemacht. Sie berichtete, wie Präsident Franklin D. Roosevelt in den 1930er Jahren in den USA die Wirtschaftskrise mit dem New Deal überwand, indem er mit den marktliberalen Dogmen brach.

Die Finanzierung öffentlicher Infrastrukturen verbesserte die Versorgungssituation der Bevölkerung in lebensnotwendigen Bereichen und es entstanden Arbeitsplätze. Die Rolle der Gewerkschaften wurde stärker, es gab Mindestlöhne und die Arbeitszeit wurde gesenkt. Straßenproteste drängten zu weitergehenden Reformen, eine Sozialversicherung wurde eingeführt, die Arbeitslosigkeit verschwand jedoch erst, als 1942 für den Krieg produziert wurde. Der New Deal wirkte nach dem Krieg fort und führte zu Wohlstand und Wachstum, aber nicht zur Umverteilung. Vielleicht hat Roosevelt so den Kapitalismus gerettet.

Der European Green Deal als öko-imperialistisches Projekt

Bruno Kern vom Netzwerk Ökosozialismus warf einen kritischen Blick auf den European Green Deal der Europäischen Union. Europas Mondlandungsprojekt (Ursula von der Leyen) sei vor allem Marketinggetöse, aber kein integriertes Konzept. Teilweise steckten zwar vernünftige Ansätze darin, das Vorhaben insgesamt gehe jedoch in eine völlig verkehrte Richtung. Es gäbe kein Bewusstsein für die Notwendigkeit des industriellen Rückbaus, stattdessen werde die Illusion eines grünen Wachstums aufrecht erhalten, und dass es mit dem Einsatz technischer Mittel weitergehen könne wie bisher. Im Grunde sei dies schon im Lissabon-Vertrag festgeschrieben und in den vier Freiheiten des EU Binnenmarktes. So verhinderten schon die Grundlagen der EU eine ökologische Ausrichtung.

Bis 2050 soll CO2-Neutralität erreicht werden, was nicht überzeugt. Entsprechend der Pariser Konvention müsse nach den letzten Berechnungen des IPCC (Weltklimarat) bereits bis Mitte der 2030er Jahre CO2-Neutralität in der EU erreicht sein. Da jedoch alle EU-Rechtsvorschriften am Klimaziel überprüft werden sollten, gäbe dies den Raum für politische Interventionen. Die EU-Diplomatie stehe im Dienst des Green Deal, finanzielle Mittel würden entsprechend umetikettiert. Das Projekt sei ein Öko-Imperialismus auf Kosten des globalen Südens.

Politisches Programm für Klima und Umweltgerechtigkeit

Maike Wilhelm stellte den Green New Deal für Europa (GNDE) von DiEM25 (Democracy in Europe Movement 2025) vor, der sich am Modell von Alexandria Ocasio-Cortez und Bernie Sanders in den USA orientiert. Ähnlich wie beim New Deal von Roosevelt geht es auch beim Green New Deal um einen neuen Gesellschaftsvertrag. Der Begriff entstand nach der Finanzkrise 2008 und kommt nicht allein von DiEM25. In einem offenen Bündnis wurde gemeinsam mit Forschungsinstituten, NGOs und anderen eine Roadmap für eine sozial-ökologische Wende in Europa erstellt. Die Kampagne möchte verschiedene Akteure hinter einer gemeinsamen Vision für Klima und Umweltgerechtigkeit vereinen.

Die Einhaltung des 1,5 Grad-Ziels ist von höchster Bedeutung. Mit einem ganzheitlichen Ansatz sollen alle Seiten der Krise adäquat adressiert werden. Der Klimawandel muss bekämpft, Austerität überwunden, und Vertrauen in die Demokratie gestärkt werden. Alle Maßnahmen müssen sofort ihre Wirksamkeit entfalten. Statt auf Wachstum setzt der neue Gesellschaftsvertrag auf ein neues Verständnis von Wohlstand jenseits des Bruttosozialprodukts. Statt private Investitionen zu subventionieren (wie die EU), sollen öffentliche Institutionen selbst die erforderlichen Maßnahmen aus Mitteln der Europäischen Zentralbank (EZB) finanzieren. Die Europäische Investitionsbank (EZB) gibt dafür auf Anfrage von Regierungen „Green Bonds“ (ökologische Anleihen) aus. Mit Bürger*innenversammlungen soll die Demokratisierung wirtschaftlicher Entscheidungen vorangebracht werden.

Hier gibt es die Vortragsfolien von Maike Wilhelm (pdf)

Anschließend wurde ausgiebig diskutiert, was das konkret bedeutet und wie und durch wen eine sozial-ökologische Wende möglich sein könnte. Die „Podiumsdiskussion“ wurde ebenfalls aufgezeichnet.

Das Video der Veranstaltung am 18.01.2021 haben wir wieder aufgezeichnet und veröffentlicht: https://vimeo.com/502126412

Veranstaltungsreihe „Corona und linke Kritik(un)fähigkeit“:

Mo. 07.12.2020: Zu gesellschaftlichen Spaltungen, über Querdenker*innen-Demos und den Umgang der gesellschaftlichen Linken damit: vimeo.com/488541572

Mo. 14.12.2020: Zu sozialen und psychosozialen Auswirkungen der Krise, Verschwörungstheorien und Profiteuren, zum Beispiel die Bill & Melinda Gates Foundation: vimeo.com/491253336

Mo. 21.12.2020: Zum Weltwirtschaftsforum (WEF) und dessen Gründer Klaus Schwab, Social Business und Great Reset, und zu den Protesten gegen das WEF seit Ende der 1990er Jahre: vimeo.com/493785223

Mo. 11.01.2021: Zu Blackrock und Friedrich Merz, und zum Blackrock-Tribunal: https://vimeo.com/499610632

Wir machen weiter! Nächstes Mal am Montag, 25.01.2021 um 19:00h. zum Thema: Der Gesundheitsbereich als Spiegel gesellschaftlicher Machtverhältnisse. Hier geht es zur Einladung und zum Einwahllink.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

elisvoss

Freiberufliche Autorin, Journalistin, Vortragende und Beraterin zu Solidarischem Wirtschaften und Selbstorganisation in Wirtschaft und Gesellschaft.

elisvoss

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