Seidenstraße ins Glück

30-Jahres-Plan Chinas Staatschef Xi will sein Land bis 2049 zum reichsten Staat der Erde machen. Hightech und Innovationen sollen es ermöglichen
Ausgabe 43/2017
Zukunftsvision 2035: eine starke Mittelklasse und eine weitgehend beseitigte Kluft zwischen Arm und Reich
Zukunftsvision 2035: eine starke Mittelklasse und eine weitgehend beseitigte Kluft zwischen Arm und Reich

Foto: STR/AFP/Getty Images

Fünfjahresplan – das klingt nach Zentralkomitee, Sozialismus und Planwirtschaft. All das gibt es in China auch heute noch. Nur dass der Parteikader im Zentralkomitee nicht mehr wie einst unter Mao festlegt, wie viele Säcke Reis und Rollen Klopapier jede Familie zugeteilt bekommt. Sie entscheiden über die Planziele der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt. Chinas amtierender Staats- und Parteichef Xi Jinping geht jetzt noch einen Schritt weiter. Er hat für sein Land einen 30-Jahres-Plan erstellt.

Beim 19. Parteikongress, der in dieser Woche zu Ende ging, legte Obergenosse Xi den Delegierten seine wirtschaftlichen Pläne bis ins Jahr 2049 dar. Das ist auch für chinesische Verhältnisse ein Novum. Mit „Made in China 2025“ und der „Seidenstraßeninitiative“ hatte Xi zwar bereits Programme vorgelegt, die über die bislang üblichen Fünfjahrespläne hinausgingen. Für einen 30-Jahres-Plan schienen bislang aber selbst seine Vorstellungen nicht zu reichen.

Sein nun vorgestellter Plan ist genau genommen in zwei Phasen unterteilt. Bis 2035 soll China eines der innovativsten Länder der Welt werden, mit einer starken Mittelklasse und einer weitgehend beseitigten Kluft zwischen Arm und Reich. Chinas Umweltprobleme sollen bis dahin weitgehend gelöst sein, das ganze Land wieder lebenswert sein. Bis zum Jahr 2049 sieht Xi sein Reich dann als eine moderne, sozialistische Macht „mit führendem Einfluss auf der Weltbühne“, das Land werde mit dem „Sozialismus chinesischer Prägung“ in eine „neue Ära“ eintreten, wie es sie in der Menschheitsgeschichte nicht gegeben hat. Den Begriff der „neuen Ära“ verwendete er allein in seiner Auftaktrede 36 Mal.

Bis 2035 will China also zu den führenden Industrieländern gehören. Angesichts der rasanten technischen Entwicklung, die das Riesenreich derzeit durchmacht, ist das nicht unrealistisch. Für 2049 hat der Staatschef für sein Land zum Ziel gesetzt, zur wohlhabendsten Nation der Erde aufzusteigen. Und damit nicht genug: China soll bis dahin nicht nur den Sozialismus komplett umgesetzt haben, sondern auch in der Lage sein, die Welt anzuführen. Die internationale Wirtschaftswelt dürfte mit diesen Visionen nur wenig anfangen können, vieles davon als Lippenbekenntnisse abstempeln. Und in der Tag klingt das nach Größenwahn. Trotzdem ist dieser 30-Jahres-Plan nicht realitätsfern. Im Gegenteil: Mit langfristigen Plänen für den Umbau seiner Wirtschaft hat China auch in der Vergangenheit schon Erfolg gehabt.

Seit der Reformer Deng Xiaoping zu Beginn der 1980er die Volksrepublik für die Außenwelt öffnete und das Land mit Wirtschaftsreformen vom steinernen Maoismus befreite, ist es für chinesische Machthaber Teil des Anspruchs, Visionen zu entwickeln, die über die eigene Amtszeit hinausgehen. Viele Vorhaben, die Deng vor 30 Jahren aussprach, haben sich in der Folge denn auch bewahrheitet. Seine Prognose, dass sein Land es wirtschaftlich binnen zwei Jahrzehnten mit den westlichen Industrieländern aufnehmen könnte, erfolgte in einer Zeit, als vier Fünftel der Bevölkerung noch nicht einmal ein Transistorradio besaßen. Er hat dennoch Recht behalten.

Denken wie Deng

Xi wandelt hier auf Dengs Spuren – und zwar schon vor dem 19. Parteikongress. Sehr viel stärker sogar als seine Vorgänger betreibt er bereits seit einiger Zeit eine äußerst expansive Industriepolitik. Mit der bereits erwähnten Seidenstraßeninitiative, für die er allein in den nächsten Jahren über 100 Milliarden Dollar für ein gigantisches Straßen- und Schienennetz in Eurasien und Teilen Afrikas auszugeben plant, will er der chinesischen Industrie neue Absatzmärkte verschaffen. Mit dem Masterplan „Made in China 2025“ fördert er zugleich gezielt Technologien, in denen sein Land künftig weltweit die Führung übernehmen soll, darunter Robotik, Elektrofahrzeuge und Medizintechnologie. Diese Hightech-Revolution ist in China bereits in vollem Gang.

Das alles mag noch kein Beleg dafür sein, dass sich auch Xis Visionen für 2049 erfüllen werden. Doch darauf kommt es gar nicht an. Was die chinesischen Staatslenker seit Deng im Allgemeinen auszeichnet: Sie denken in langen Zeiträumen. Welcher Politiker hierzulande kann das schon von sich behaupten? Die meisten Politiker westlicher Demokratien orientieren sich an kurzfristigen Prioritäten. Nun muss Xi nicht von Wahl zu Wahl hoppen, und besitzt enorme Machtfülle durch das autoritäre Herrschaftssystem Chinas. Doch er hat einen Plan, der so tollkühn nicht ist.

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