Warum am Abend des 23. August das Privatflugzeug, in dem der Warlord Jewgeni Prigoschin gesessen haben soll, im Gebiet Twer zwischen Moskau und Sankt Petersburg wie ein Stein vom Himmler fiel, wird die Welt so schnell nicht erfahren. Gewaltsam endete das Leben eines Mannes, dem Kriminalität und exzessive Gewalt zum Lebensinhalt geworden war.
Zu Zeiten der Sowjetunion wegen Raubes und Betruges jahrelang inhaftiert, gelang dem 1961 geborenen Prigoschin in den Neunzigerjahren, der Zeit des Gauner-Kapitalismus, ein Aufstieg als Unternehmer in Sankt Petersburg. Dort lernte er den damaligen Vizebürgermeister Wladimir Putin kennen. Dessen Hang, alte Kumpel zu fördern, führte Prigoschin später in Moskau an einen Tisch mit dem Präsidenten Putin. Prigoschin war bisweilen
lernte er den damaligen Vizebürgermeister Wladimir Putin kennen. Dessen Hang, alte Kumpel zu fördern, führte Prigoschin später in Moskau an einen Tisch mit dem Präsidenten Putin. Prigoschin war bisweilen als Caterer für den Kreml tätig.Wagner – Von Syrien bis zum DonbassSein Erfolgsrezept bestand darin, dass er mit der Virtuosität eines Berufskriminellen Dienstleistungen offerierte, die keine Handelskammer anbietet. Verdeckte Kämpfer im Donbass, eine Trollfabrik für graue Propaganda, Söldner für Afrika, etwa in Libyen, und Syrien – Prigoschin lieferte, was aus Putins Sicht politisch opportun, aber nicht durch Gesetze gedeckt war. Der Staat finanzierte großzügig jahrelang Prigoschins Söldnertruppe „Wagner“, die schließlich mit mehreren zehntausend Kämpfern am Krieg in der Ukraine teilnahm.Der materielle Erfolg und der persönliche Draht zum Staatschef, der selbst die Führungsebenen der mächtigen russischen Geheimdienste ratlos machte, stiegen Prigoschin zu Kopfe. Das Blutbad war sein Lebenselixier geworden. Russischen Journalisten gegenüber monierte er ohne Ironie, er werde oft als „Putins Koch“ bezeichnet. Richtiger aber, so Prigoschin, sei die Bezeichnung „Putins Schlachter“.Er beschimpfte Verteidigungsminister Sergej SchoiguMonatelang beschimpfte Prigoschin öffentlich im Gangsterjargon den russischen Verteidigungsminister Sergej Schoigu und bezichtigte ihn der Unfähigkeit. Am 23. Juni führte Prigoschin eine Rebellion seiner Söldner an, mit denen er die südrussischen Stadt Rostow am Don besetzte. Von dort aus drangen Prigoschins Truppen in Richtung Moskau vor. Prigoschin gab den Putschversuch als „Marsch für Gerechtigkeit“ aus. Putin bezeichnete in einer Fernsehansprache am 24. Juni die Rebellion der „Wagner“- Söldner als „kriminelles Abenteuer“ und „schweres Verbrechen“. Der russische Präsident warf den Anführern der Revolte vor, sie hätten „Russland verraten“. Sie erwarte daher „unausweichliche Bestrafung“.Der Inlandsgeheimdienst FSB und die Generalstaatsanwaltschaft hatten zunächst Ermittlungen gegen Prigoschin wegen eines bewaffneten Aufstandes eingeleitet. Größeres Blutvergießen wurde verhindert, weil der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko als Vermittler Prigoschin überzeugte, die Revolte abzubrechen und nach Belarus in ein faktisches Asyl zu gehen. Doch von dort aus kehrte Prigoschin bald nach Russland zurück und durfte sogar vertraulich Putin seine Sicht der Dinge erläutern. Die Ermittlungen gegen ihn wurden eingestellt. Und er konnte zwischenzeitlich in Afrika auftreten, wo seine Truppe wohl auch über Prigoschins Tod hinaus Moskaus geopolitischen Interessen dienen wird.Der Kampf um die Macht in RusslandDennoch blieb der Vorwurf des Verrats im Raum. Loyalisten in Moskau sprachen intern über Prigoschins Schuld am Tod russischer Soldaten und Offiziere, die sich den Putschisten entgegengestellt hatten. Insofern erscheint die Vermutung, staatsnahe Akteure hätten sich der Worte Putins erinnert und das Ende Prigoschins herbeigeführt, naheliegend.Aus Sicht der russischen Führung mag eine solche Wahrnehmung als Putsch-Prophylaxe wirken. Das Ende Prigoschins soll als Warnung für Frondeure dienen. Doch zugleich könnte der Absturz des schillernden Warlords auch ein fatales Signal geben: Dass Fragen der Macht in Russland nicht in Wahlen, sondern gewaltsam beantwortet werden.