Neuer Anschlag gegen Friedensverhandlungen?

Syrien Kurz vor den Verhandlungen in Montreux über einen Frieden für Syrien stellt eine weitere Gräuelmeldung eine Verhandlungslösung erneut in Frage

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Wieder einen Schritt weiter weg von einem Waffenstillstand?
Wieder einen Schritt weiter weg von einem Waffenstillstand?

Foto: PHILIPPE DESMAZES/AFP/Getty Images

Ein übergelaufener syrischer Militärpolizist soll Beweisfotos für die Grausamkeit des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad außer Landes geschmuggelt haben, meldete u.a. Spiegel online am 20. Januar. Das Magazin bezog sich auf entsprechende Berichte der britischen Zeitung The Guardian und von CNN. Diese Vorwürfe, die von internationalen Juristen untersucht und bestätigt worden seien, würden die am 22. Januar beginnenden Verhandlungen in Montreux belasten, hieß es bei Spiegel online passenderweise. „Die Aussagen und Fotos des Militärpolizisten legen nahe, dass das syrische Regime ‚systematisch‘ Menschen in den Gefängnissen ermordet. Nach den Einschätzungen der Experten könnte Damaskus auch dafür wegen Kriegsverbrechen angeklagt werden.“ Es handele sich um einen Beweis für "Tötungen im industriellen Ausmaß" durch die Regierung von Staatschef Assad, wird der frühere Chefankläger des Kriegsverbrechertribunals für Sierra Leone, Desmond de Silva, zitiert.

Ich kann nicht beurteilen, ob der angeblich übergelaufene Militärpolizist und die von ihm angeblich mitgebrachten Fotos echt und glaubwürdig sind. Möglich ist alles, erst recht in einem Krieg wie dem in Syrien. Sicher bin ich mir, dass ein Gefängnis in Syrien kein Ort ist, an dem Menschenrechte zählen. Aber wieder melden sich bei mir Zweifel an dem, was gemeldet wird, weil erneut geschieht, was ich zum Beispiel am 22. August 2013 zu den damaligen Nachrichten über den mutmaßlichen Giftgaseinsatz bei Damaskus schrieb: „Statt einer friedlichen Lösung für Syrien gibt es neue Gräuelmeldungen aus dem kriegsgeschundenen Land.“ Und weiter war unter dem Titel „Das nächste bestellte Massaker?“ zu lesen: „Immer wieder tauchten solche Berichte just in dem Moment auf, wo in der UNO über den Krieg in Syrien beraten wurde oder versucht wurde, über Verhandlungen eine friedliche Lösung zu finden.“ Passend wurden und werden auch die entsprechenden „Beweise“ von jenen geliefert, die kein Interesse an Verhandlungen haben. Auf Beispiele dafür wie die Ereignisse in Hula und Tremseh habe ich bereits vorher aufmerksam gemacht. Jürgen Todenhöfer schrieb schon im Juli 2012 von einer „Massaker-Marketing-Strategie“ der „Rebellen“. Und dieses Muster wie auch all die Belege für berechtigte Zweifel zur behaupteten Verantwortung Assads für die Vorgänge am 21. August 2013 sind es, welche mich erneut stutzig gegenüber den neuen Gräuelmeldungen werden lässt. Just kurz bevor in Montreux ein erneuter Versuch gestartet werden soll, eine friedliche Lösung für Syrien zu finden, der von den Kriegstreibern und Regimewechslern und ihren Verbündeten schon mehr behindert als unterstützt wurde, wird ein angeblicher Zeuge dafür hervorgezaubert, dass mit dem syrischen Präsidenten und der syrischen Regierung doch eigentlich gar nicht verhandelt werden kann. Und wenn schon mit den Machthabern in Damaskus verhandelt wird, so kann doch keiner wollen, dass der vorverurteilte Assad als Kandidat für den Internationalen Strafgerichtshof, als der er schon seit August 2011 gilt, tatsächlich Präsident in Syrien bleibt. Da erscheinen die neuen „Beweise“ wie eine „punktgenaue Landung“, die „Faust aufs Auge“, wie bestellt und rechtzeitig geliefert.

Da ist zudem die interessante Tatsache, dass Katar, von Anfang an mehr als nur ein Verbündeter des Westens im Krieg gegen und in Syrien, den Bericht über die angeblich massenhafte und planmäßige Tötung von Gefangenen in Auftrag gegeben haben soll. Darauf macht u.a. die junge Welt am 22. Januar aufmerksam. Im Guardian-Beitrag wurde immerhin darauf verwiesen, dass Katar einige der Gruppen der “Rebellen” finanziert und Assad stürzen will. Kann es sein, dass die Unterstützer und Finanziers der „Rebellen“ deren „Massaker-Marketing-Strategie“ übernommen haben, um das gemeinsame Ziel, den Sturz Assads, auf jeden Fall zu erreichen? Handelt es sich bei dem Bericht über den angeblichen Überläufer und seine behaupteten Beweise um einen weiteren Versuch dabei?

„Rechtsstaaten haben die Pflicht, unzweifelhafte Beweise zu sammeln, bevor sie ihr Urteil fällen – und nicht umgekehrt.“ Das schrieb Todenhöfer am 10. September 2013 in einem Beitrag für die Nachdenkseiten zu den Ereignissen am 21. August 2013. Dem ist nicht zu widersprechen, doch auch diesmal habe ich Zweifel an den neuen „Beweisen“ dafür, dass Assad nichts anderes als der „Schlächter von Damaskus“ ist. Sicher ist: Dem Frieden und einem Ende der Gewalt kommt das kriegsgeschundene Syrien so kaum näher.

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Geschrieben von

Hans Springstein

Argumente und Fakten als Beitrag zur Aufklärung (Bild: Eine weißeTaube in Nantes)

Hans Springstein

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