Frauen in der Grube

Was läuft Über „Good Girls Revolt“, den Unterschied zu „Mad Men“ und weibliche Publika. Spoiler-Anteil: 13 Prozent
Ausgabe 06/2017

Willkommen zurück an der Madison Avenue, wo neben den Werbeagenturen auch altehrwürdige Printmedien residierten, etwa die Redaktion eines Wochenmagazins namens News of the Week, Schauplatz der Amazon-Prime-Serie Good Girls Revolt (2016). Wie in Mad Men wird vor dem Hintergrund historischer Ereignisse ein fiktiver Mikrokosmos installiert. Es ist 1969, eben wurde beim Konzert der Rolling Stones in Altamont ein Zuschauer erstochen. Und der Chefredakteur erkennt, dass die Geschichte vom Verlust der Unschuld der Gegenkultur, die ihm eine junge Mitarbeiterin dazu spinnt, wohl die aufregendere Coverstory ergibt als der x-te Vietnamkriegsreport.

Allerdings wird Patti Robinson, die Mitarbeiterin mit der ausgeprägten Sensibilität für das, was in der Luft liegt, den entsprechenden Artikel nicht schreiben und auch keinen Credit bekommen. Die Frauen schürfen im pit, in der Redaktions-„Grube“, nach Nachrichten, recherchieren Hintergründe und Fakten. Die Männer integrieren das Material dann in ihre Texte und kriegen die Autorenzeile.

Aus dieser diskriminierenden Praxis und dem allmählich wachsenden Widerstand dagegen entwickelt Good Girls Revolt den Hauptstrang seiner zehn Folgen währenden Erzählung. Grundlage ist ein wahrer Fall: Im März 1970 brachten 46 weibliche Newsweek-Redaktionsangestellte, vertreten von der Bürgerrechtsanwältin Eleanor Holmes Norton, eine Beschwerde wegen Diskriminierung gegen die Zeitschrift ein. Eine der damaligen Unterzeichnerinnen, Lynn Povich, hat darüber 2012 das Buch The Good Girls Revolt. How the Women of Newsweek Sued their Bosses and Changed the Workplace veröffentlicht. Dana Calvo, ursprünglich ebenfalls Printjournalistin, hat daraus die Serie entwickelt.

Ausgehend von drei fiktiven Protagonistinnen – Patti Robinson, Jane Hollander und Cindy Reston, die auch für drei Typen von Frau stehen und durch einige dazu gehörende Handlungsroutinen müssen – geht es darin um einen Bewusstseinsprozess. Kleine, individuelle Schritte, Wahrnehmungen und Erfahrungen, die schließlich zu einem gemeinschaftlichen Akt führen. Good Girls Revolt ist in der filmischen Beschreibung dieser Bewusstwerdung sehr präzise, setzt auf Vermittlung weniger durch Rede als durch Anschauung. Wir können dabei zusehen, wie der Groschen fällt.

Die Frauen lernen, einander zu vertrauen, aufeinander achtzugeben; die Damentoilette ist ihr safe space, Rückzugsort und konspirative Kommandozentrale. Sie beginnen, die vielfältigen Formen von Ausbeutung zu durchschauen (und erblassen angesichts der Gehaltsunterschiede). Sie verfeinern ihre Strategien, sich die strukturelle Unsichtbarkeit zunutze zu machen – nicht nur ihre Fähigkeiten werden übersehen, auch die Blicke, über die sie miteinander kommunizieren im Newsroom, bleiben unbemerkt. Aber erst die Anwältin macht ihnen klar, dass mit Dezenz und List zu wenig zu erreichen ist, offene Konfrontation ist gefragt: „I still believe I can make my point without being rude.“ – „Bullshit!“

Während bei Mad Men der Blick zurück jenen Aspekten gilt, die nicht mehr sind, wie, wer, was sie einst waren, geht es in Good Girls Revolt um das, was sich bis heute nicht geändert hat – und darum, wie man es womöglich ändern könnte: Anwältin Norton hätte sicher auch zur Frauenquote in Film und Fernsehen was zu sagen. Bei Good Girls Revolt war diese hoch, mitproduziert hat Lynda Obst, die für Schlaflos in Seattle von Nora Ephron verantwortlich zeichnete und in Good Girls Revolt an die Anfänge der 2012 verstorbenen Regisseurin als aufmüpfige Newsweek-Mitarbeiterin erinnert. Mit Sleepless in Hollywood hat Obst vor vier Jahren ein flottes Sachbuch über die Industrie geschrieben, in dem das Marktpotenzial von Produktionen, die weibliche Publika adressieren, zur Sprache kommt.

Unter anderem zitiert sie Nina Jacobson, die 2012 unter dem Eindruck der kassenerfolgreichen Twilight-Saga und der damals frisch angelaufenen Hunger-Games-Adaptionen die optimistische Prognose wagte: „Die Zukunft von Hollywoods Franchises ist weiblich; ich glaube, Hollywood war einfach zu blöd, das zu verstehen.“ Beinahe fünf Jahre später kann man festhalten: Ein weibliches Publikum wird auch vom Fernsehen nur vorübergehend besser bedient. Und ein dem Vernehmen nach rein männlich besetztes Entscheidergremium bei Amazon Prime hat Good Girls Revolt nach der ersten Staffel abgesetzt.

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