Die Wunden von Marikana sind nicht geheilt

Gedenken an Massaker Heute vor sechs Jahren erschossen südafrikanische Polizisten 34 Minenarbeiter. Das erinnerte damals an Apartheid-Gräueltaten. Geändert hat sich wenig

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Demonstranten im Oktober 2012
Demonstranten im Oktober 2012

Foto: Stringer/AFP/GettyImages

Minenarbeiter in Marikana waren Anfang August 2012 für eine Erhöhung ihrer Löhne in Streik gegangen und mussten dafür heute vor sechs Jahren mit ihrem Leben bezahlen. Seitdem haben sich aus Solidarität einige Townships anderenorts in Marikana umbenannt. Ungebändigte Ungleichheit ist der Hauptgrund dafür, dass Südafrika weiterhin einer der weltweiten Protest-Hotspots bleibt.

Die fünfmonatige Streikwelle im Minensektor im Jahr nach Marikana führte dazu, dass einige Arbeiter höhere Löhne bekamen. Andere sind seit dieser Zeit arbeitslos, da sie auf schwarze Listen der Unternehmen kamen. Die arbeitslose Reservearmee ist in dem Land schier unerschöpflich. Weiterhin sind die Arbeitslosenzahlen so hoch wie in kaum einem anderen Land auf der Welt und niemand für das Gemetzel in Marikana verurteilt.

Heutiger Präsident sorgte für toxisches Klima

Aus Sicht der verbliebenden Witwen der Minenarbeiter kann es nur als Ironie der Geschichte angesehen werden, dass ihr heutiger Präsident ausgerechnet Cyril Ramaphosa heißt. Er hatte am Vorabend die friedlichen Arbeiter „heimtückische Kriminelle“ in einer internen Kommunikation mit der Polizei genannt. Der Reporter Greg Marinovich zeigt in seinem Buch Murder on the small koppie wie eng Ramaphosa mit den Geschehnissen in Marikana verbandelt war. Laut Marinovich schuf Ramaphosa ein toxisches Klima, dass die Gewaltexzesse überhaupt erst ermöglichte. Zum Zeitpunkt des Massakers war er auch Anteilseigner der Platinum-Gesellschaft Lonmin, die in Marikana bestreikt wurde.

Weiterhin setzt die Administration auf die konsequente Ausbeutung der im Land im Überfluss vorhandenen Bodenschätze. „Operation Phakisa“ („beeilt euch“), die bereits der ehemalige Präsident Zuma ausrief, lädt dazu ein, administrative Hürden schneller bei der Exploration und Ausbeutung von Rohstoffen zu überwinden. AktivistInnen interpretieren das als Umgehung von wichtigen Umweltvorschriften und demokratischen Partizipationsmöglichkeiten.

Weiterhin bleibt Südafrika ein gespaltenes Land. Auf der einen Seite befinden sich die nicht enden wollenden Townships. Dort lässt sich oft nicht erkennen, ob es sich um einen Wochentag handelt oder gerade Wochenende ist. Menschen hier sind chronisch unterbeschäftigt und frustriert. Auf der anderen Seite befindet sich die Oberschicht in „goldenen Käfigen“ hinter hohen Mauern. Bekommt man dort Zutritt, fühlt man sich um Jahrzehnte zurückversetzt. Bedienstete servieren hier das Essen und reinigen den Pool. Abends verabschieden sie sich dann zu Fuß in ihre Townships und müssen ihr eigenes Essen oft unter offenem Feuer zubereiten.

Als der African National Congress (ANC) mit dem Versprechen „ein besseres Leben für alle“ die Regierungsgeschäfte 1994 übernommen hatte, war die Erwartungshaltung riesig. Viele die sich heute an Protesten auf dem Unicampus oder vor Bergwerken beteiligen, berufen sich auf die Ideale von damals. Die offene Wunde von Marikana ist zu einem Symbol für die sozialen Kämpfe allerorts im Land geworden.

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