Jetzt auch gegen Vorkasse

Der Koch Gastronomen haben neuerdings mit dem „No-Show“-Phänomen zu kämpfen: Gäste buchen per App einen Tisch, tauchen aber nie auf. Das führt zu ungewöhnlichen Reaktionen
Ausgabe 23/2017
Onlinereservierungen machen das Leben leichter? Nicht für alle
Onlinereservierungen machen das Leben leichter? Nicht für alle

Foto: Seeliger/Imago

Das Smartphone erobert weiter Küche und Gastronomie. Ich habe nun eine Spülmaschine, die darauf achtet, dass die Reinigungs-Tabs nicht ausgehen und sie gar online bestellen kann. Verwalten könnte ich das über eine App, die mich über alles Mögliche informiert: die Trübung des Wassers, wann ich Klarspüler nachfüllen soll. Das Programm möchte sogar, dass ich dem Gerät einen Namen gebe.

Neulich wollte ich per Telefon eine Pizza bestellen: Ich mag das kurze Gespräch mit dem Wirt Alessandro, wenn ich ein paar Minuten später vorbeikomme. „Non possibile“, sagte mir die Bedienung aber nun. Ich sollte per App ordern und auf den Fahrradboten warten. Danke für dieses letzte kurze Gespräch, sagte ich zu der Frau, die sich nicht vorgestellt und schon aufgelegt hatte.

Schätzen gelernt habe ich das Smartphone trotzdem – für Reservierungen. Für einen professionellen Foodie, der immer wieder Trends und angesagte Lokale ansehen will, und das in aller Anonymität, ist das komfortabel. Man kann die App eine Umkreissuche nach guten Lokalen machen lassen oder Favoriten anlegen, um freie Tische in sehr gut besuchten Restaurants gezeigt zu bekommen. Es gibt mehrere Anbieter – Opentable, Bookatable, Quandoo –, ich habe sie alle auf dem Handy. Und reserviere meist. Sicher ist sicher. „Leider nichts mehr frei“, das habe ich in Berlin schon zu oft gehört, vor allem seit die Hauptstadt ein Touristen-Magnet ist.

Es weckte meine Neugier, als vorige Woche ein Wirt anrief und fragte, ob es bei der Reservierung bleibe. Ich war gerade dabei, mir die Jacke anzuziehen. Im Lokal erzählte mir der Gastronom, was er so alles zu hören bekommt: Meist wollten die Menschen gerade selbst anrufen. Aber sie seien noch auf der Autobahn, verspäteten sich unvorhersehbar. Das Kind oder der Hund habe sich gerade übergeben, die Begleitung sei unpässlich. Auffallend oft befänden sich Gäste im Waschsalon und die Maschine laufe noch. Man ist nie schuld, wenn man vergessen hat, die Reservierung zu stornieren. In dem Gespräch ergab sich ein Zusammenhang: Je leichter es ist, online zu reservieren, umso laxer gehen Gäste mit solchen Buchungen um. Gastronomen nennen das Phänomen „No-Show“. Und weil das zunehme, ruft der Wirt nun lieber an. Sicher ist sicher.

Es gibt noch andere Maßnahmen gegen achtlose Gäste. Sehr drastisch ist der Ticketverkauf. Das geschieht nach dem Prinzip Vorkasse, so wie bei einer Bahnfahrt, einem Urlaubsflug oder einem Konzert. Gültig ist die Reservierung erst, wenn der Gast den Preis für ein Menü bezahlt hat. Man kann noch stornieren, aber nur bis 24 Stunden vor dem Termin. Sonst ist das Geld weg. Ich kenne ein Restaurant, das das so macht, das „Ernst“ in Berlin-Wedding. Es hat wenig Personal. „Und wir wollen uns einfach aufs Kochen konzentrieren“, sagte mir Dylan Watson-Brawn, einer der Gründer des Restaurants.

In den USA und Großbritannien gibt es inzwischen viele Restaurants, die keine Reservierungen mehr annehmen. Mir ist das sympathisch. In meiner Nachbarschaft bleibt, wenn ich spontan ausgehen will, nur der Imbiss. Lokale, die wie das Bistro um die Ecke immer einen Tisch frei haben, sind verschwunden. In New York, San Francisco oder London bilden sich vor einzelnen dieser „No-Reservation“-Lokale zeitweise Schlangen am Eingang. Bei gehobeneren Etablissements wird man zu einem Drink an der Bar gebeten, bis ein Tisch frei ist. Und ist es nicht so? Kleine Geduldsproben heben eben den Appetit – wie ich an der Eisdiele gelernt habe.

Jörn Kabisch schreibt als Der Koch für den Freitag regelmäßig über Küchen- und Esskultur

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Geschrieben von

Jörn Kabisch

Stellvertretender Chefredakteur des Freitag von 2008 - 2012 und Kolumnist bis 2022, seitdem Wirt im Gasthaus zum Schwan in Castell

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