Knopp mocht’s

Nazis „Operation Bird Dog“ ist ein solider Thriller über die Währungsreform 1948
Ausgabe 15/2018

Der Oberstaatsanwalt Kosterlitz legt Wert auf sein Äußeres: Maßanzug, Krawatte, Einstecktuch. Dazu kommt ein „sorgsam gepflegter Kinnbart unter glatten, allerdings stark geröteten Wangen“. Vielleicht trägt er aber auch einen „sorgfältig gestutzten Schnäuzer“? Sein Erfinder Jan-Christoph Nüse kann sich nicht entscheiden. Aber es ist auch nicht so wichtig. Festzuhalten bleibt, dass Kosterlitz kein angenehmer Zeitgenosse ist. In Jan-Christoph Nüses Roman Operation Bird Dog, der die Einführung der D-Mark im Jahre 1948 als Kriminalgeschichte erzählt, spielt er eine zwielichtige Rolle. Ob es um seine Verbindung zu einem paramilitärisch strukturierten „Bund patriotischer Jugend“ geht, in dem ehemalige Nazifunktionäre ihr Unwesen treiben, oder um einen Millionenbetrug bei der Währungsreform – Kosterlitz hat gute Gründe zu schweigen, als ihn ein junger Mann nach den genauen Umständen befragt, unter denen seine Eltern ums Leben gekommen sind. Es handelt sich um Carl Wrede, der Weihnachten 1948 als 14-Jähriger halb vergiftet neben den Leichen seiner Mutter und seines Vaters aufgefunden wurde. Wollte Dr. Victor Wrede, prominentes Mitglied des Direktoriums der Bank deutscher Länder, seine Familie mit in den Tod nehmen? Zehn Jahre später beginnt Carl, unterstützt von dem handfesten Journalisten Jennings, nachzuforschen. Leicht ist das nicht. Der verschlossene Kosterlitz bleibt nicht das einzige Hindernis auf dem Weg zu Wahrheit. Aber Carl ist hartnäckig. Und der Verdacht, dass es sich um einen als Suizid getarnten Mord gehandelt haben könnte, wächst.

Was wirklich geschehen ist und welche Rolle sein Vater spielte, als eine verschworene Gruppe von Funktionären des untergegangenen Nazistaates sich eines Teils des frisch gedruckten Geldes bemächtigte, erfährt Carl Wrede erst nach umfangreichen Recherchen, die ihn bis in die USA führen. Dass es dabei hochgefährlich zugeht, versteht sich von selbst. Schließlich befinden wir uns in einem Kriminalroman.

Der Fernsehjournalist Jan-Christoph Nüse widmet sich in seinem Romandebüt einer Phase der deutschen Nachkriegsgeschichte, die sich als Stoff für einen historischen Krimi geradezu anbietet. Dass Währungsumstellungen dazu einladen, mit illegalen Geschäften das eigene Vermögen zu mehren, ließ sich zuletzt bei der Vereinigung der beiden deutschen Staaten beobachten. Im Jahre 1948 wird das nicht anders gewesen sein. Es liegt auch nicht fern, alte Nazis als Drahtzieher einer solchen Aktion zu vermuten. Selbst wer nicht von einer Rückkehr an die Macht träumte, wird zumindest an einem Leben in Wohlstand unter den neuen politischen Verhältnissen interessiert gewesen sein.

Das ist ein guter Plot, jedoch ist dieser Teil der Romanhandlung Fiktion. Historischer Fakt sind die abenteuerlichen Umstände, unter denen die von den Amerikanern gedruckten Banknoten zur Verteilung kamen. Auch einige der Figuren haben reale Vorbilder. So war Victor Wrede tatsächlich Leiter der Volkswirtschaftlichen Abteilung der Bank deutscher Länder und hat, gemeinsam mit seiner Frau, Selbstmord begangen, allerdings nicht am Weihnachtsabend 1948, sondern zwei Jahre später. Die Vordatierung ist der inneren Logik der Handlung geschuldet.

Operation Bird Dog ist ein wenig fahrig erzählt, taugt aber durchaus als „Histotainment“ und erklärt wohl auch die Klappentext-Begeisterung Guido Knopps, der dieses Genre miterfunden hat, ganz nach der Devise: „Nichts ist so spannend wie die Wirklichkeit.“

Info

Operation Bird Dog Jan-Christoph Nüse Gmeiner Verlag 2018, 435 S., 15 €

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