Alice Millers Requisiten Schreckens Kammer

Nachwort O. Schubbe Martin Miller "Das wahre „Drama des begabten Kindes“. Die Tragödie Alice Millers, Kreuz-Verlag, 176 Seiten / "Ich bin nicht nur ihr Sohn, sondern auch Therapeut"

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Oliver Schubbes psychohistorisch eingehendes Nachwort zu Martin Millers vorliegendem Buch:

S. 161
Oliver Schubbes Nachwort zu Martin Millers Buch "Das wahre "Drama" des begabten Kindes, Kreuz Verlag, Zürich, 176 Seiten.

"Vom Brechen der Schweigemauer"
Joseph Pulitzer zitiert Oliver Schubbe mit dessen investigativen Journalisten Maxime in seinem Nachwort und du denkst als Leser, "Dich tritt ein Pferd" und schon bist Du mitten in eines Verbrechens Netzwerk Geschehen als wissender Zeuge geladen verladen?

Die heutige Rentnergeneration habe keineswegs am Zweiten Weltkrieg profitiert, ganz im Gegenteil, meint Oliver Schubbe, Krieg, Verfolgung, Flucht, Vertreibung, Ausbürgerung, Enteignung,

Martin Miller wagt sich respektvoll und zugleich sich selber gegenüber zugleich schonungslos in Kulissen der Vergangenheit

S. 162
Kriegstraumata auf körperlicher Symptomebene zwischen 1917- 1945 Geborenen. Albträume, überflutende Erinnerungsbilder, Flashbacks, Schmerzen oft erst im Alter, wenn die Kräfte nachlassen, bzw. der Panzer, der Zwang des Funktionierens abebbend relativierbar wird
S. 163
Diagnose"traumatische Neurose" 1926 aus der Reichsversicherungsordnung herausgenommen. Was nicht definiert ist, wird nicht behandelt, wird nicht erforscht (Kriegszittern, Verfolgsideen bis -wahn, Klaustophobien, Zwanghaftes Verhalten)

Erst 1980 nach den Erfahrungen mit Vietnamkriegs Veteranen in den USA wird Diagnosestellung von einst nach dem Ersten Weltkrieg wieder aufgegriffen.

Noch 1976 konnte ich, bei einer Veranstaltung des damaligen Literaturtrubels in Hamburg, vom Kultureferenten und Deputierten Freimut Duve organisiert, cora Publikum, Reinhard Kyphard, Psychiater, Schriftsteller fragen, ob er, der selber traumatische Erfahrungen in KZ durchlitten hatte, Erkenntnisse über Opfer des Holocaust, der NS- Konzentrationslager habe, die in der Psychiatrie gelandet, behandelt wurden, werden, worauf dieser antwortete "........keine Erkenntnisse"

Kinder erleben Gefühle der Eltern, gleich, ob sie ausgesprochen, unausgesprochen sind.
Warum war , ist kindliche Wut, sind starke Gefühle, Begeisterung für Themen, Politik, Personen so falsch?

S. 164
Kindersorgen nicht so wichtig, Kinder oft nicht getröstet, zum Spielen, aufs Zimmer, ins Bett, geschickt, gar in den Keller verbannt

Vater, Mutter, Onkels, Tanten so unbeständig in Verhalten, Zuwendungen, Auftritt, einmal grandios himmeljauchzend hochgestimmt, dann unerklärlich zu Tode betrübt

Fragen aufspüren, ohne Fragen zu stellen, als ginge es um stummes Gedankenlesen. nNcht Umkehren in Gedanken, Taten, nicht Zurückschauen wie damals, Sodom und Gomorrha im Rücken, bei Gefahr zur Salzsäule zu erstarren.

Traumatisiertes Verhalten von Mutter, Vater auf sich bezogen.

Vermisste Kinder bearbeiteten und erlebten ihre Heimholung mit Schuldgefühlen, weil sie gefühlt "unerlaubt" abwesend waren, statt über die Abwesenheit der Eltern in der Stunde der Not zu klagen wütend zu sein (Schuldumkehr?), fehlender Sinn für kindliche Sorglosigkeit, Kinder wie Erwachsenen , die wiederum Gefühle der Kränkung erleben, wenn sie doch einmal zwischendurch von Vater, Mutter unerwartet kindgemäß behandelt werden

Einfach congenialer Neustart, Vergangenheit im Rücken, neue Identitäten, Wahlverwandtschaften, Decknamen aus Zeiten des Untergrunds, Exils, KZs, Holocaust, Täter, Opfer als Klarnamen angenommen, geht das, wenn ja mit welchen Folgen?
S. 165
Minderwertigkeitsgefühle hier, grandios Auftritte ohne Netz und doppleten Boden da,
Vormals politisch geforderte Aggressionsbereitschaft, Gewalttätigkeit, Brutalität im Krieg, in KZs, Zwangsarbeit, Untergrund als Täter, Opfer in Familien entsorgt?

Verleugnung, Verdrängung, Unterdrückung, das gesamte orchestral eingestimmte Instrumentarium zum Bau einer Mauer psychohistorischen Schweigens, um Herr des Verfahrens der Unterdrückung von Emotionen zu bleiben.

Folge systemischer Gefühlsstau in Familien (s. Buch mit gleichnamigen Titel von Joachim Maaz/Halle an der Saale)

Nachkriegsgeneration erlebt Blockaden, die sie sich nicht erklären kann, hat sie doch nicht unmittelbar, wie ihre Elterngeneration, traumatisierende Ereignisse im Krieg, Nachkrieg, KZs, Zwangssituation von Arbeits- und Kriegs- Gefangenenlager, Flucht, Vertreibung, Untergrund, Exil erlebt und bleibt doch von der Wirklichkeitswahrnehmung ihrer Eltern geprägt

"Nicht nur lernen, was Mutter, Vater sagen, sondern was sie nicht sagen"

Spätere schuldbehaftete Erfahrung der Heranwachsenden, dass Schweigen tötet, wenn z. B. traumatisierte Väter, Mütter kriegsverseht ihrem viel zu frühen Tod entgegen dämmern und nicht aufzuhalten sind, weil nichts wirklich an Leiden benannt, zu medizinischen Falschbehandlungen, falscher suchttreibender Medikation führt? Den Heranwachsenden der Satus des "Helfers in der Not" nicht wirklich, sondern nur verklausuiert eingeräumt wird

Das Thema der "Zweiten Schuld" wie dieses aber ganz anders denn psychohistorisch gelagert Ralph Giordano in seinem gleichnamigen Buch zu thematisieren sucht

"Unwichtigkeit" von Altagsproblemen, allzeit bereit für kommende familiare, gesellschaftlich Große Krisen, die dann ausbleiben? und emotional eine Leere hinterlassen, die zu Suchtverhalten einlädt und lockt "Noch einmal davon gekommen!"
S. 166
Psychotherapeutin Dr. Katharina Drexler prägt Metapher vom

"Schwarzen Loch"

in der Wahrnehmungs- und Elebniswelt der Kinder, sich u. a. "elterliche Not" nicht erklären zu können und gleichwohl, nicht selten sich selber mit Schuldgefühlen in Haft nehmend, das "Schwarze Loch" scheinbar ausleuchtend einleuchtend mit eigenen Phantasien aufzufüllen.

Errforschung von ansteigender Stressbereitschaft in solcher Art Familienkonstellationen, die sich erst über die Beziehungsebene später gar genetisch, u. a. durch einen herabgesetzten Cortisol Spiegel. etabliert sind.

Drama der Herabsetzung allgemeiner Frustrationstolerenz bei gesteigerter Stressbereitschaft der eigenen Person aus scheinbar nichtigem Anlass

Bei fürsorglichem Umgang mit seinem Selbst entwickelt sich niedriger Cortisol Spiegel zurück und normalisiert sich genetisch.
S. 167
Schweigen zementiert Gewaltverhältnisse.
Die 68er schrieben sich das "HInterfragen" auf ihre Fahnen beim Langen Marsch durch die Institutionen und führten einen provokanten Kampf gegen jede Form von Geheimniskrämerei im familaren und öffentlichen Raum.

Da blieb es nicht aus, dass 1988 auf einer MV DER GRÜNEN ein Arbeitspapier mit der Forderung "Sex mit bis dato Minderjährigen nun aber ab 16 Jahren zu legalisieren"

Das war auch eine Art, die Öffentlichkeit zum Hinterfragen herauszufordern. Seltsamer Weise verfielen Teile der Elterngeneration, der Medien damals nicht nur in beredtes Schweigen, sondern stimmten u. a. in der FDP dieser Forderung zu.

DIE GRÜNEN hatten mit Teilen der FDP aus der psychohistorischen Requisiten Kammer des kollektiven Gedächtnis ein Teil des Beschweigens als "Sperrmüll" an die Öffentlichkeit gezerrt. Allerdings im trügerischen Glauben, dass vielen der Nachkriegsgeneration an selber erfahrenem sexuellem Missbrrauch (s. Odenwaldschulen Missbrauchsskandal) im Kern etwas ganz Normales an Verhalten zugrunde lag, dass nun endlich im vollen Umfang legalisiert gehört?

Verschwinden der Kriegsversehrten aus dem familiaren und öffentlichen Raum (ÖPNV) und Medien.

Wer war da alles an "Kriegsversehrten in Politik, Kultur nach dem Wirtschaftswunder, der ersten kleinen Konjunkturdelle 1967, neben den Alten, Bundespräsident a. D. Theodor Heuss, Konrad Adenauer, Väter, Mütter, Tanten, Onkels, ältere Brüder, Schwestern, Neffen, Nichten viel zu früh gestorben, Kurt Schuhmachen, Fritz Erler u. u..JFK am 22. November 1963 in Dallas/Texas ermordet.

Ab 1966 gab es bald nirgendwo deutschlandweit, hüben wie drüben, Schilder in Bussen, U-, S- Bahnen "Platz reserviert für Kriegsversehrte"

1961 Eichmann Prozess in Tel Aviv/Israel statt in Deutschland

Mediales Interesse an 1964/65 Auschwitz Prozess in Westdeutschland verlagert sich spätesten ab 1967 ("Von Amtswegen Mord" an dem Studenten Benno Ohnsorg durch den Kriminalhauptkommissar in Zivil Karl- Heinz Kurras mit aufgesetztem Pistolenlauf in einem Hinterhof nahe der Schiller Oper in Westberlin am 2. Juni 1967 während des Schah Besuchs, samt "Prügelpersern") auf Bilder und hasserfüllten Kommentaren über die sogenannten Studentenrevolten an westdeutschen und westberliner UNIs, Hochschulen, dann die RAF, Bewegung 2. Juni, Revolutionäre Zellen (RZ)

"Unter den Talaren der Muff von 1000 Jahren"
"Wir warnen vor denen, die vor uns warnen!"
"Wir sind die, vor denen uns unsere Eltern. Lehrer, Dozenten, Hassprediger immer gewarnt haben!"
S. 168
Durch das Wegsterben direkter Täter, Opfer des Holocaust, der KZs, Kriegsgefangenlager, Zwangsarbeit, Euthanasie, verbrecherisch medizinischen Versuchen an Menschen in der Psychiatrie in aller Welt und sonders andernorts in KZs, bauen sich Tabus ab, das Schweigen aufrechtzuerhalten, koste es, was es wolle, Archive weiter unter Verschluss zu halten

Generationsgelöbnis der Kriegs- und Nachkriegsgeneration
"Nie wieder Krieg" "Nie wieder Rassenwahn!", "Nie wieder Auschwitz!"

Seit 1980 erlebt Psychotraumatologie weltweit Auftrieb
Lloyd deMause, Arno Gruen, widmeten sich zusammen mit Alice Miller als erste psychohistorischen Forschungen.
S. 169
UNO- Konvention gegen Gewalt und Missbrauch von Kindern trat 1989 in Kraft. Deutschland unterzeichnet 1992 verpflichtend diese UNO- Konvention

Trotzdem ergibt FORSA- Studie von 2011, dass immer noch 50 % der Befragten, ihre Kinder prügeln, ohrfeigen
S. 170
Jeder mMnsch hat vor sich selber verborgene Kammer des Schreckens, in denen sich die Requisiten seines Kindheitstraumas befinden....."eigener Wahn"..."Geheime Perversion".... oder einfach unbewältigte Teile des Kinderleidens

"Harry Potter"(Autorin Joanne K. Rowling) , Mysterienfilm und Buch "Kammer des Schreckens"?

Martin Miller verschafft sich Zutritt zu dieser Kammer (wessen?, wenn ja, der seiner Mutter, seiner eigene?) und dekonstruiert nicht nur Kindheitstrauma seiner Mutter, sondern tritt sein Erbe an (?) füllt Geschichte (seiner Mutter, die eigene, oder beider?) mit seinem Bewusstsein.

Alice Miller hat es nicht geschafft, meint Oliver Schube in seinem Nachwort, was ihr Sohn geschafft, oder doch?, war Alice Miller nicht die geamte Zeit ihres Lebens "Herrin ihres Verfahrens der Wahlverwandtschaften, erst Tante Ala Familie in Polen bis zu Beginn des zweiten Weltkrieges 1939, dann ab 1948 Psychoanalytische Gesellschaft in Zürich, zum Schluss ab 1983 ihre Leserschaft, die sie ihrem Sohn Martin als psychohistorisch heilendes Verfahren und systemisches Setting erschlossen und öffentlich in ihren Büchern zugänglich gemacht hat?

Martin Miller wusste sich, wg. und trotz der Gefühsstrudel, in die er sich selber, in die ihn aber auch seine Mutter Alice in ihrem zweitweise erschreckend verblendeten Treiben versetzt, das Verfahren und Setting der wechselnden Wahlverandtschaften seiner Mutter Alice in seine nun in Buchform vorgestellten Ausdrucksform im heilenden Sinne seines Selbst zu konstruieren.
S. 173
Nachwort Martin Miller
"Spannungsbogen" voller Auschläge beim Verfassen seiner Gedanken zum vorliegenden Buch in Balance gebracht. Dank an Lektorin des Kreuzverlages, Zürich, Evamaria Bohle, die Martin Miller eine ausgeglichen belastbare und geduldige Supervisorin war

Sie wurde, zur "Wissenden Zeugin" Martin MIllers, wie er sie nennt
S. 174
Dank an Cousinen der Mutter Alice, Irenka Taurek, Ala Damaz
Dank an seine eigenen Frau Manuela Brechbühl- Miller, den Freund Dr. med. Ruedi Schöbi, Barbara Roger, die langjährige Mitarbeiterin seiner Mutter Alice.
Dank an Oliver Schubbe.

War es nun mit Alice Miller, um ein biblisches Bild zu bemühen, dass sie, wie Moses dem Volk Israel durch alle Anfechtungen eines vierzig Jahre währenden Marsches aus der Zwangsherrschaft in Ägyptenland, durch die Wüste Sinai ins Land der Verheißung "Kanaan" geführt, dieses aus der Ferne sehen, aber niemals betreten wird, als Sehende ihres psychohistorischen Verfahrens und Settings, deren heilende erlösende Früchte Kraft nicht mehr selber ernten und an ihrem Selbst erfahren konnte?

Vielleicht?, weil sie mit der bedrückenden Last der zutage geförderten Requisiten aus ihrer verborgenen inneren Kammer weiter belastet nicht gerüstet schien

"Das Land der Verheißung"

als "Persona Grata" ihres Sohnes Martin erhobenen Hauptes zu betreten? und mit 87 im Jahr 2010 zu früh verstarb?

Während ich im ersten Teil meiner Buchbesprechung noch von dem Gefühl getragen war, hier kanibalisiert der Sohn Martin Leben und Wirken seiner Mutter Alice, ausweidend, bis ins kleinste Detail auschlachtend, um sich den "Spiritus Sanktus" seiner Mutter als "Heilkraft" einzuverleiben, hat sich doch mein Eindruck zum Ende hin darin bestärkt, dass Martin Miller nicht als "Kanibale", sondern als "Müllwerker" psychohistorisch zu Werke ging, der die Requisiten seiner Mutter Alice und in Teilen bereits die eigenen, als psychohistorischen "Sperrmüll" und "Sondermüll" kennzeichnend, aus verborgenen Kammern mit Furor ans Tageslicht befördert.
JP

https://www.freitag.de/autoren/joachim-petrick/alice-miller-im-daemonenland-teil-iii
JOACHIM PETRICK 25.11.2013 | 17:15 29 42
ALICE MILLER IM DÄMONENLAND, Teil III

https://www.freitag.de/autoren/joachim-petrick/alice-miller-im-daemonenland-teil-ii
JOACHIM PETRICK 21.11.2013 | 00:33 4
ALICE MILLER IM DÄMONENLAND, Teil II

https://www.freitag.de/autoren/joachim-petrick/alice-im-daemonenland
JOACHIM PETRICK 19.11.2013 | 04:02 10

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Geschrieben von

Joachim Petrick

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Joachim Petrick

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