Hammer, Sicheln und Mozartkugeln: Wird ein Kommunist bald Bürgermeister von Salzburg?
Linksruck In der Stichwahl stehen keine Rechte und keine Rechtsextremen: Den nächsten Bürgermeister von Salzburg stellt entweder die SPÖ oder die KPÖ. Was sind die Gründe für diesen Höhenflug der österreichischen Linken?
Kay-Michael Dankl (KPÖ) mit Tochter auf dem Weg ins Wahllokal
Foto: Barbara Gindl/APA/picture alliance
Die Stadt ist weltberühmt dank Mozart, für die gleichnamigen Kugeln, und für die Salzburger Festspiele als globales Mega-Event der klassischen Musik. Seit über hundert Jahren geben sich hier die Schönen, Reichen und Berühmten Sommer für Sommer ein Stelldichein. Gerade verdaut Salzburg ein erstaunliches Wahlergebnis, denn an der Tür zum Chefzimmer im Rathaus rüttelt sanft ein Kommunist. Jedenfalls nennt er sich so: Kay-Michael Dankl, 35, ist Weltverbesserer aus vornehmlich sozialen sowie ökologischen Gründen.
An einer der Stadteinfahrten hängt ein Plakat der rechtsnationalen Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ). Deren Spitzenkandidat Paul Dürnberger, ein Fan der rechtsextremen „Identitären“, ist an
Partei Österreichs (FPÖ). Deren Spitzenkandidat Paul Dürnberger, ein Fan der rechtsextremen „Identitären“, ist an diesem historischen Sonntag restlos am eigenen Slogan gescheitert. „Linksruck? Nicht mit mir“, verspricht der 27-jährige Politneuling. Ein „i“ wird ersetzt durch einen Hammer, das „c“ durch eine Sichel samt Sowjetstern. Beim Wahlvolk verfangen hat die Horrorstrategie nicht, schließlich sind Hammer, Sichel und eine gesprengte Kette in den Fängen eines Adlers Teil des österreichischen Staatswappens.Bundesweit verbreitet die FPÖ bei den Mitbewerbern Furcht und Schrecken: Seit Monaten liegt sie stabil auf Platz eins, mit knapp über 30 Prozent. Bei dieser Kommunalwahl in der Hauptstadt des gleichnamigen Bundeslandes hingegen bleibt ihr nur Platz vier hinter SPÖ, KPÖ PLUS und sogar den Grünen, mit nur vier von 40 Mandaten. Jetzt also der Trompetenstoß von ganz links. „Europa schaut auf Salzburgs Kommunisten“, heißt die Schlagzeile der Salzburger Nachrichten. Da klingt schon so etwas wie Stolz mit, und weder in dieser noch in den anderen Gazetten des Landes werden die Alarmglocken geläutet.In Graz regiert die KPÖ schon seit 2021Nach den Ursachen muss nicht lange gefahndet werden. Die Parteienlandschaft in Österreich ist seit Jahren in extremer Bewegung. In Graz, der zweitgrößten Stadt Österreichs, sitzt und werkelt schon seit 2021 die KPÖ-Genossin Elke Kahr in der Chefetage des Rathauses. Wie dort haben auch Dankl und sein Team zentrale, in der Regel von der FPÖ okkupierte Themen glaubwürdig besetzt: von Wohnungsnot bis Verkehrschaos, von Bildung und Gesundheit bis zur Pflege.Hinzu kommt die Person, die in Zeiten einer wachsenden Desorientierung des Publikums immer wichtiger wird. So kam der Historiker mit dem Talent zur ebenso gekonnten wie unaufdringlich-höflichen Eigen-PR ins Wahllokal, die drei Monate alte Tochter in der Babytrage vor der Brust. Kurz vor der Wahl vergrub er alle Versprechen und Ankündigungen der Parteien in einer Zeitkapsel, „damit die Bürger:innen in Zukunft sehen können, was gehalten wurde“. Seine Sympathien für den unterlegenen Bürgermeisterkandidaten der konservativ-bürgerlichen ÖVP bekundete er sogar mit der Äußerung, problemlos könne er sich mit dem in einer WG vorstellen.Wer wieder mal schnürlregen-begleitet durch das 158.000 Einwohner:innen zählende Salzburg spaziert, sieht spätestens auf den zweiten Blick, dass da trotz allem Etliches im Argen liegt. Leere Geschäftslokale sogar in der im Sommer vom Overtourismus geplagten Getreidegasse mit Mozarts Geburtshaus, daneben Flagship-Stores edelster internationaler Marken, die Taschen oder Schuhe zu vierstelligen Summen anbieten. Tourist:innen schon im März und gut besuchte Kaffeehäuser, aber ganz offensichtlich auch zu viele Menschen, die den Reichen beim Reichsein zusehen. Das durchschnittliche Nettogehalt eines Facharbeiters liegt in der Stadt an der Salzach bei 2.300 Euro und damit deutlich unter (!) dem österreichischen Durchschnitt.Die Grüne Jugend, aus der eigenen Partei geworfen, verjüngte die KPÖ20.000 Studierende leben hier. Ein-Zimmer-Buden gelten als preiswert, wenn sie nur 600 oder 700 Euro kosten. Zugleich werden unter dem Stichwort Studentenwohnung Appartements für gut 2.000 Euro feilgeboten. Rund ein Fünftel aller Salzburger:innen hat keinen österreichischen Pass, in der Elisabeth-Vorstadt in Bahnhofsnähe oder in Itzling sind es noch deutlich mehr. Die KPÖ PLUS – ein Zusammenschluss aus KPÖ und ehemaliger Grüner Jugend, wobei das PLUS für Plattform unabhängig & solidarisch steht – kommt da wie dort auf über 30 Prozent, die erfolgsverwöhnte FPÖ muss sich begnügen mit weniger als der Hälfte.Schon nach seinem Überraschungserfolg bei den Landtagswahlen 2022 musste Dankl Rede und Antwort stehen, was eigentlich kommunistisch sei an ihm und seinen Mitstreiter:innen. Für ideologisch Interessierte fallen die Antworten bemerkenswert dürftig aus. Er trete für eine Gesellschaft ein, sagt der gebürtige Grazer, „in der Gesundheit, Bildung und die Interessen der Menschen wichtiger sind als maximaler Gewinn“. In ihrem Programm beschreibt sich seine KPÖ PLUS reichlich nichtssagend als „Zusammenschluss vieler Menschen, die sagen: Es muss sich etwas ändern.“ Auch dieser schöne Satz ist in sozial-ökologischen KPÖ PLUS-Dokumenten zu finden: „Wer bei uns ein Chili sin Carne isst, bekommt gewissermaßen einen Vorgeschmack auf den Kommunismus.“In der Landeshauptstadt macht bei den Leuten mehr Eindruck als alle graue Theorie offenbar der Umstand, dass Dankl und andere Funktionsträger:innen nur die erwähnten 2.300 Euro für sich behalten – alles andere wandert in einen Fonds zur Unterstützung von Menschen in Notlagen. „Da bekomme ich Einblicke in die Lebenswelten von Menschen“, sagt er zur Fernseh-Nachrichten-Primetime, „die sonst gar nicht möglich wären.“ Zu den keineswegs reizlosen Widersprüchlichkeiten passt, dass solche Sprechstunden im prächtigen Schloss Mirabell stattfinden, weil dort Verwaltungen und Rät:innen sitzen. Also bekommen Bedürftige ebenfalls Einblicke der besonderen Art.Dankl wird Respekt dafür gezollt, dass er die FPÖ aus der Stichwahl geworfen hatDem möglichen neuen Bürgermeister mit dem Habitus eines Juniorprofessors hilft gewiss auch, dass er kein in der Wolle gefärbter Dunkelroter ist, sondern ein europaweit bestens vernetzter früherer Bundesvorsitzender der Grünen Jugend. Die wurde 2017, nach massiven innerparteilichen Konflikten um eine Studierendenvertretung, geschlossen aus der Grünen Partei rausgeworfen. Alte Grüne trauern den jungen inzwischen nach. Dankl dagegen hat die Zeit seither bestens genutzt, zum Beispiel um die KPÖ-Ergänzung um „PLUS“ zum Markenzeichen zu entwickeln.In den Tagen nach der historischen Wahl überwiegt unter den Politikfachleuten des Landes zwar die Einschätzung, dass es am Ende doch nicht reichen könnte und in der Stichwahl der knapp auf Platz eins liegende bisherige SPÖ-Vizebürgermeister Bernhard Auinger die Nase vorn haben wird, wegen des größeren Potenzials bei den Wähler:innen der unterlegenen Parteien. Dazu hat der 50-Jährige ebenfalls einen bemerkenswerten Aufstieg hingelegt, vom Porsche-Lehrling mit Hauptschulabschluss bis ins Führungsgremium des Volkswagen-Weltbetriebsrats. Seit zwei Jahrzehnten sitzt er im Salzburger Gemeinderat. Zu Wochenbeginn ließ er „Veränderung braucht Erfahrung“ plakatieren und hofft auf Wähler:innen der bürgerlichen ÖVP, die in der Stadt um 16 Prozentpunkte auf Platz drei abgestürzt ist und nach nur fünf Jahren das Amt des Bürgermeisters wieder abgeben muss.„Salzburg war schon immer eher links“, weiß eine der Mozart-Kugel-Verkäuferinnen in Dom-Nähe, als Gegengewicht zum ohnehin „schwarzen Land“ und dem schwarzen Landeshauptmann (Ministerpräsidenten) des Bundeslands Salzburg. Gefragt wird auch in den Souvenirshops kaum nach den politischen Veränderungen. Ein Paar aus Japan habe wissen wollen, wieso der Kommunismus nach Österreich gekommen sei, berichtet eine Mittfünfzigerin erheitert. Und zwei Damen, deren Outfit in Teilen durchaus aus einem Flagship-Store stammen könnte, geben an, die ganze Aufregung nicht zu verstehen. „Rot oder noch röter ist jetzt gerade richtig für Salzburg“, meint eine der beiden. Sie lobt, wie Dankl es geschafft hat, die FPÖ „rauszuhalten“ und dass sich endlich nicht nur Direktbetroffene wieder für soziale Schieflagen interessieren. Die nächste Station im Altstadt-Bummel steht übrigens schon fest: Sie wollen ins Kaffeehaus, ausdiskutieren, wen sie in der Stichwahl am Palmsonntag wählen, denn „hingehen ist Pflicht“.
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