Die Trotzreaktion der Verstoßenen

AfD Ehemalige AfD-Mitglieder planen die Gründung einer neuen Partei. Aber eine Alternative zur Alternative für Deutschland würde so kaum entstehen

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Ein Satz mit X
Ein Satz mit X

Foto: Volker Hartmann/AFP/Getty Images

Wie mittlerweile an die Öffentlichkeit gedrungen ist, planen Mitglieder des von Lucke initiierten Weckrufs 2015 die Gründung einer neuen Partei, die am kommenden Wochenende erfolgen soll. Damit wird offenbar der Forderung gleich 4.000 AfD-Mitglieder – oft als liberal-konservative Kräfte betitelt – gefolgt, nachdem der rechte Flügel unter Führung von Frauke Petry sich durchgesetzt hat und es zu Massenaustritten gekommen ist (darunter auch hochrangige Politiker aus Bundesvorstand und Landesverbänden). Luckes Name selbst kommt im Aufruf zur Parteineugründung zwar nicht vor, jedoch sind es seine Anhänger, die dies initiieren und zudem verriet Lucke dem Handelsblatt seinen Wunsch nach einer neuen Partei.

Klar ist: Luckes Hauptthema bleibt Griechenland in Verbindung mit Eurokritik. So bemängelt er allen Ernstes einen zu nachlässigen Kurs der Bundesregierung mit Griechenland und hat offenbar weiterhin Freude an Konstruktionen des geplünderten Deutschen und faulen, gierigen Griechen. Auch Hans-Olaf Henkel, der keine NPD im Schafspelz will, zeigt sich motiviert, weiterhin parteipolitisch zu agieren und sich nun rechts der CDU, links der AfD zu positionieren.

In ihrer Anti-Griechenland und Anti-Europolitik wären sich die alte AfD und die Neugründung aber ähnlich, oder auch identisch. So möchte Luckes alte AfD gerne über einen Grexit abstimmen lassen – vom deutschen Volke. Nach Jahren der Anti-Griechenland-Propaganda ist das ein Vorhaben, für das sich hierzulande sicher viele Bild-Leser begeistern könnten.

Nach der Spaltung der Partei sinken jedoch die Umfragewerte, was nicht überrascht, nach der katastrophengierigen Berichterstattung der letzten Wochen; ein Wegweiser für künftige Wahlen ist das nicht. Es stellt sich aber die Frage, ob eine neue AfD bessere Chancen auf Wählerschaft haben könnte als die Rechtspopulisten. Das erscheint eher unwahrscheinlich.

Das, was als neue Partei kommen soll, wird dem entsprechen, was Lucke und co. 2013 gegründet haben: Einer Partei, die versucht alles vermeintlich Konservative und Wirtschaftsliberale abzufischen, was an einem starken Deutschland, das in Europa noch mehr Hegemon spielt als jetzt schon, interessiert ist. Es wird dann wieder die neue Partei der Wirtschaftsexperten und Eurokritiker, die sich auf der Suche nach Wählern nationalistischen Ressentiments hingeben werden.

Die alte, von Frauke Petry geführte AfD hingegen bietet Platz für Fremdenhass, Pegida und andere Fehlinformierte, die Schuldige für ihre eigene Lage suchen und diese nicht in Staat und Kapitalismus finden, sondern in denen, die unter der Verwertungslogik noch mehr leiden. Die einen fokussieren sich auf Euro-Skepsis, die anderen auf den Kampf gegen Multikulti und Genderwahn. Sie eint die Aufgabe, gegen die regierenden Parteien wettern zu müssen und ihnen realitätsferne Programmatiken zu unterstellen, sei es mangelnde Härte in der Europolitik, zu wenig Flüchtlingsabwehr, Zerstörung der klassischen Familie oder was auch immer.

Aber was sind die Aussichten für diese Projekte? Hat denn auch nur eine dieser beiden Parteien eine Perspektive im Parteiensystem? Es sollen Stimmen gefischt werden bei der CDU, der CSU, der SPD und der sich rehabilitierenden FDP. Und eben auch bei der NPD. Und sie alle erhoffen sich politischen Erfolg. Doch am Ende werden sie sich nicht beide durchsetzen können. Und in Zeiten der unreflektierten Bürgerproteste gegen Asylsuchende und deren Unterstützer, in Zeiten der Verbreitung von Märchen über eine Feminisierung Deutschlands, in denen frustrierte Leute sich und ihr Land am Abgrund sehen, sind die Aussichten für eine offen rechtspopulistische Partei deutlich besser als für eine Partei voller Wirtschaftsexperten, die ihre akademische Hochnäsigkeit zelebrieren.

Das Vorhaben der AfD-Verstoßenen wirkt wie eine Trotzreaktion, die aus dem eigenen Dilemma führen soll, aber ins nächste Dilemma führen wird – nämlich in die eigene Bedeutungslosigkeit.

Eines sollte bei all dem konfrontativen Gehabe zwischen Petry und Lucke nicht übersehen werden: Die inhaltlichen Differenzen der Lager sind wahrlich minimal, nur dass der Fokus anders gesetzt wird und rhetorisch unterschiedliche Strategien gefahren werden. Maximal wettern die einen gegen TTIP, während die anderen es befürworten. Bernd Lucke inszeniert sich als Opfer, als Kritiker rechter, nationalistischer Tendenzen in der vor zwei Jahren gegründeten Partei, aber steht selbst natürlich weiterhin auf seiner nationalkonservativen Linie.

Er selbst war es, der oft genug in Talkshows und Reden den völkischen Mob mit diffamierenden Stereotypen über Flüchtende und Asylsuchende anheizte, bis er sich plötzlich zum Pegida-Gegner erklärte. Er steht für genau das ein, was Petry und ihre Anhänger vertreten, nur dass er das gutbürgerliche Gewand tragen möchte. Und die Berichterstattenden über Parteitag und Spaltung der AfD tun ihren Teil, um ihn auch wirklich als den sympathischen Konservativen dastehen zu lassen, der sich gegen den Rechtsruck wehrt.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Julius Wolf

Über Politik, Gesellschaft, Emanzipation und Antiemanzipatorisches.

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