Adieu, Achse des Guten

Pegida-Effekt Bei dem „einflussreichsten deutschen Autorenblog“ gibt es Streit. Letzte Woche zog sich Mitgründer Michael Miersch mit Aplomb zurück
Ausgabe 05/2015

Das Unwort des Jahres 2014 ist bekanntlich „Lügenpresse“, aber auch „Mainstreammedien“ ist ein Wort, das es verdient hätte. Oder etwa nicht? Sind die Medien wirklich so konform und gleichgeschaltet, wie viele glauben? Darüber würde man jetzt gern streiten und tut es auch, bei Facebook, am Küchentisch, ist ganz schön aufreibend, aber gut, wo gestritten wird, wird auch, irgendwie, geliebt, jedenfalls gelebt.

Streit gibt es auch bei der Achse des Guten. Letzte Woche zog sich Michael Miersch mit Aplomb beim „einflussreichsten deutschen Autorenblog“ (Berliner Zeitung) zurück. Die Achse kommentierte den Abgang ihres Mitgründers unterkühlt. Möglicherweise, weil Michael Miersch zwar nicht mehr als Autor, Redakteur und Herausgeber fungieren will, auf seinen Gesellschafterposten aber nicht verzichten wird, sprich: Er will am Projekt weiter verdienen. Der Enfant-terrible-Blog, der sich über Patenschaften finanziert, scheint mindestens in Zukunft Geld abzuwerfen.

Man selbst hatte die Achse bisher als weltanschauliche No-go-Area eingeordnet. Man recherchiert. Seit 2004 zieht die Achse konsequent gegen „USA-Bashing, Kapitalismus-Kritik, Klima-Hysterie und falsche Toleranz gegenüber dem Islam“ zu Felde (Berliner Zeitung). Krawallschachtel Henryk M. Broder ist stark dabei, Persona non grata Matthias Matussek schreibt, Hetzprofi Akif Pirinçci schrieb, Alan Posener schreibt nicht mehr. Der eigene Eindruck: Auf derAchse finden sich meinungsstarke Texte rechts vom – äh – linken Mainstream, und trotzdem ist auf dem Weg zu pi-news oder Junge Freiheit noch reichlich FAZ und Welt im Weg. Bis jetzt wenigstens.

Auf dem Buchmarkt sorgen Michael Miersch (und Achse-Autor Dirk Maxeiner) mit ihren Anti-Ökothesen für Aufregung. Sie werden von Greenpeace bis Süddeutsche leidenschaftlich gehasst, einen Eindruck davon, ein „Potpourri exquisiter Grobheiten“, kann man auf der Website des Duos lesen. Die beiden genießen es, beschimpft zu werden: viel Feind, viel Ehr. Auch auf der Achse ist die Autorenbeschimpfung Philosophie. Die Autoren wollen offenbar geradezu als „Klimaleugner“, „Neocons“ und „Verharmloser“ beschimpft werden. Wer provoziert, muss auch einstecken können. Das Ganze nennt man: Streitlust. Man könnte die Kultivierung dieser Lust das Credo des Libertären nennen. Offenbar wurde es beherzigt.

Aber warum macht das so einem wie Miersch nun keine Freude mehr? Es hat mit Pegida zu tun, mit den schreibenden Kollegen derAchse, die er gegenüber AfD-Pediga als viel zu unkritisch empfindet, und mit den vielen neuen Lesern, die er überproportional stark aus der AfD-Pegida-Ecke verortet. Er wolle mit diesem „nationalen Pöbel“ nichts zu tun haben, schrieb Miersch. Die Leser wiederum reagieren irritiert ob des Jargons, gerade dort, wo Positionen auch jenseits des – äh – linken Mainstreams möglich sein sollen, wird man nun beschimpft?

Miersch selbst hält es in seiner neuen Rolle als Gesellschafter mit Axel Springer: „Ich leide wie ein Hund darunter, dass manches in meinen Blättern steht, womit ich überhaupt nicht einverstanden bin.“ „Es ist schade, wenn Männer persönliche Lebensentscheidungen politisch verbrämen“, kommentierte Cora Stephan, Achse-Autorin. Was bleibt, ist Ratlosigkeit in einem neurotisch aufgeheizten gesellschaftlichen Klima, das nur noch Streit, aber keine Streitlust mehr kennt.

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