Sanften Blickes vor dem Pferd

K-Frage Eine Bundesregierung unter grüner Führung scheint denkbar. An Robert Habeck als möglichem Kanzler scheiden sich derweil die Geister
Ausgabe 15/2021
Er hat diesen intellektuellen Touch, diese Denkerstirn, mit der er aber auch Gefahr läuft, noch immer etwas provinziell zu wirken
Er hat diesen intellektuellen Touch, diese Denkerstirn, mit der er aber auch Gefahr läuft, noch immer etwas provinziell zu wirken

Foto: Action Pictures/IMAGO

Robert, so heißt zufällig auch Doras Freund in Juli Zehs „Lockdown-Roman“ mit dem nietzschehaften Titel Über Menschen. Robert mutiert in der Pandemie immer mehr zu einem gnadenlosen Ökoaktivisten und Privat-Epidemiologen. Dora ist genervt, überfordert, sie zweifelt existenziell, sie beginnt auf ihre Art überzukompensieren, sie fängt an, Robert zu provozieren, mit abgründigen Methoden. So nimmt sie jede neue schlechte Weltnachricht zum Anlass, vermeintlich nur aus Versehen den Müll falsch zu trennen. Und als dann die AfD ihren Parteitag „ausgerechnet in Braunschweig“ abhält, landet „ein Glas-Joghurtbecher im gelben Sack“. Schließlich, als Robert ihr verbietet, mit dem Hund Gassi zu gehen, zieht sie weg aus der Berliner Blase. Nach Brandenburg, ihr neuer Nachbar ist „der Dorfnazi“.

Ich kann Juli Zeh verstehen, beziehungsweise Dora. Robert ist ein typischer Grüner, der auch mich zum Wahnsinn treibt. Und der Inbegriff dieses Grünen ist nun mal: Robert Habeck. Dr. phil Habeck, Ehemann in erster Ehe, etikettiert als Feminist und Vater von vier Söhnen. Er hat anders als Dora in der Provinz begonnen. Er lebte in einem beschaulichen Dorf, schrieb zusammen mit seiner Frau Andrea Paluch Bücher, bis er durchstartete und die Politik ihn in die Berliner Blase holte. Habeck löst keine Probleme, sagen die Leute, aber er hört gut zu. Er hat diesen intellektuellen Touch, diese Denkerstirn, mit der er aber auch Gefahr läuft, noch immer etwas provinziell zu wirken. Dann ist das Interessante am Macron-haften plötzlich weg. Habeck trägt gern Armbänder, was so abstoßend ist wie die Hornbrillendichte in der CSU oder die Anzüge von Heiko Maas.

Er sagt angeblich oft „geil“. Und er ist schnell entnervt, heißt es, was mich an meinen Freund B. erinnert, auch ein phänotypischer Grüner, einer, der sich lieber mit Gentechnik anfreundet, als aufs Fliegen zu verzichten. Ein Mann der verdächtigen Sorte außerdem. Im Interview mit der taz lässt Paluch durchblicken, mit welchem Geltungsdrang der Robert naturgemäß ausgestattet ist. Sie selbst identifiziert sich mit Merkels Ehemann, Dr. Sauer. Ihr letztes Buch Gipfelgespräch handelt von einer Mutter, die sich schmerzhaft neu erfinden muss, seit die Kinder aus dem Haus sind. Was hält Robert von diesem Buch? Man weiß es nicht, aber er könnte doch mal darüber sprechen, wäre es ihm ernst um existenzielle Fragen (oder feministische).

Da ist sein ungeschicktes Agieren auf und mit Twitter, seine Ankumpelei auf Instagram. Aber während ich mir Habeck noch mal anschaue, wie er in einem Naturschutzgebiet sanften Blickes in der Hocke vor einem Pferd posiert (im Off steht seine Begleitung, ein CDU-Mann), beruhigt sich mein Puls. Die Entscheidung ist doch längst gefallen. Weshalb es ja nun auch egal ist, wie Habeck etwas zu offensichtlich genießt, wie gut er altert. Wir ahnen es alle.

Aber die Folgen bleiben verheerend. Denn Robert macht aus den Doras dieser Welt Menschen, die dann doch lieber den ungelenken mittelalterlichen Mann verteidigen, als einen panischen Weltverbesserer zu wollen.

Wirklich „geil“ hingegen wäre eine weiblich-männliche Doppelspitze im Kanzleramt. Man liest so was von Menschen auf Zeit Online. Und es ist ja nicht so, als wäre jedes andere Amt nun ein Karriereknick, hätte keinen Gestaltungsspielraum. Auch unser Robert aus dem Roman würde diese Grünen wählen, und nicht nur er. Und Robert Habeck würde uns zeigen, dass Macht teilbar ist, in Teilzeit funktioniert, in diesem Deutschland. Merke: in diesem Deutschland.

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Eine Erwiderung von Velten Schäfer auf diesen Artikel finden Sie hier

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Geschrieben von

Katharina Schmitz

Redakteurin „Kultur“, Schwerpunkt „Literatur“

Katharina Schmitz studierte Neuere Geschichte, Osteuropäische Geschichte, Politikwissenschaften, Vergleichende Literaturwissenschaften und kurz auch Germanistik und Romanistik in Bonn. Sie volontierte beim Kölner Drittsendeanbieter center tv und arbeitete hier für diverse TV-Politikformate. Es folgte ein Abstecher in die politische Kommunikation und in eine Berliner Unternehmensberatung als Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Ab 2010 arbeitete sie als freie Autorin für Zeit Online, Brigitte, Berliner Zeitung und den Freitag. Ihre Kolumne „Die Helikoptermutter“ erschien bis 2019 monatlich beim Freitag. Seit 2017 ist sie hier feste Kulturredakteurin mit Schwerpunkt Literatur und Gesellschaft.

Katharina Schmitz

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