Ein Jahr im Amt: Der linke Präsident Gustavo Petro bangt um seine Reformagenda
Kolumbien Das Parlament mauert: Das erste Jahr des linken Präsidenten Gustavo Petro ist vorbei. Seine Regierung geht energisch gegen den Drogenhandel vor. Dem Süden haben die flauen Geschäfte des Metiers eine handfeste Krise beschert
Auch paramilitärische Verbände haben bisher in Kolumbien am Drogenhandel verdient
Foto: Raul Arboleda/AFP/Getty Images
Tumaco, ganz im Süden Kolumbiens an der Grenze zu Ecuador gelegen, ist eine der Hauptanbauregionen für Koka-Blätter. Doch sei das Pflanzen für viele nicht mehr lukrativ, der Preis um gut 70 Prozent gefallen, die Bauern suchten händeringend nach Alternativen, meint Jandro Actual von der Diözese der Stadt. Die Gründe dafür sind vielfältig. Es gibt Spekulationen, dass weniger Dollar aus Mexiko nachfließen, weil die Kartelle dort gegeneinander Krieg führen, zudem sorgt die synthetische Droge Fentanyl dafür, dass Kokain weniger gefragt ist. Doch sei auch die nun seit einem Jahr im Amt befindliche Regierung des Präsidenten Gustavo Petro für eine gedämpfte Nachfrage verantwortlich, so der 32-jährige Actual, der fü
üden Kolumbiens an der Grenze zu Ecuador gelegen, ist eine der Hauptanbauregionen für Koka-Blätter. Doch sei das Pflanzen für viele nicht mehr lukrativ, der Preis um gut 70 Prozent gefallen, die Bauern suchten händeringend nach Alternativen, meint Jandro Actual von der Diözese der Stadt. Die Gründe dafür sind vielfältig. Es gibt Spekulationen, dass weniger Dollar aus Mexiko nachfließen, weil die Kartelle dort gegeneinander Krieg führen, zudem sorgt die synthetische Droge Fentanyl dafür, dass Kokain weniger gefragt ist. Doch sei auch die nun seit einem Jahr im Amt befindliche Regierung des Präsidenten Gustavo Petro für eine gedämpfte Nachfrage verantwortlich, so der 32-jährige Actual, der fXX-replace-me-XXX252;r die Kirche in der Prävention arbeitet. Hochrangige, in Drogengeschäfte verwickelte Offiziere sind aus der Armee entlassen und einige wichtige Drogen-Capos festgenommen worden. Dies hat dazu geführt, dass der Schmuggel hakt und der Bedarf an Pasta básica, Rohstoff für die Kokain-Produktion, nachlässt. Dem Süden hat das eine handfeste Finanzkrise beschert. In Verwaltungsbezirken wie Nariño und Putumayo suchen immer mehr Bauern nach Alternativen – der ideale Zeitpunkt für die Regierung in Bogotá, diese aufzuzeigen und auf die manuelle Beseitigung der Koka-Sträucher zu setzen. „Aber so weit ist man noch nicht, die angekündigten Konzepte fehlen“, urteilt Jandro Actual. Diesen Eindruck bestätigt Gabriel Ibarra im sieben Autostunden entfernten Pasto. „Die Regierung hat zwar viele Reformen auf den Weg gebracht, aber verfügt sie über die nötigen Kapazitäten, um die Arbeit vor Ort auf den Weg zu bringen?“ Ibarra bezweifelt das.Alirio Uribe Muñoz im fernen Bogotá kann dem nur bedingt folgen. „Die Erwartungen in der Bevölkerung nach dem Wahlsieg im Juni 2002 waren immens. Also wurden schnell etliche Reforminitiativen auf den Tisch gelegt“, so der Abgeordnete vom linken Pacto Histórico. 34 Reformen sind es mittlerweile, die auf den parlamentarischen Segen warten, doch stößt Gustavo Petros Kabinett auf energischen Widerstand. „Die Opposition hat sich formiert, wir müssen für alle Projekte kämpfen“, räumt Uribe ein.Die Arbeitsrechts-, die Renten- und die Gesundheitsreform sind derzeit die wichtigsten Vorhaben, die Kolumbien auch strukturell verändern könnten, glaubt der Sozialexperte Reinel García. Der Direktor einer Kinderrechtsorganisation wirbt für die Agenda der Regierung, die derzeit auch Korruptionsvorwürfe aushalten muss. Ermittelt wird gegen einen Sohn des Präsidenten, wegen Geldwäsche. „Dass es in der ersten linken Regierung Kolumbiens nicht reibungslos läuft, war zu erwarten“, findet Alirio Uribe. „Dass minutiös ermittelt wird, ist zu begrüßen, auch im Fall von Petros Wahlkampfmanager Armando Benedetti.“ Der soll mehr Geldspenden angenommen haben, als er durfte.Wirtschaftskonglomerate beeinflussen die MedienDerzeit muss es der Regierung vor allem gelingen, politisch wieder in die Offensive zu kommen – alles andere als einfach angesichts fehlender Mehrheiten in der Legislative. Mehr Druck soll von der Straße kommen, damit man wieder so agieren kann wie im November 2022, als Präsident Petro mit seiner Steuerreform ein fulminantes Debüt gelang. Dies ermöglichte Vorhaben wie den Bau von Hospitälern im Departamento de Nariño an der Grenze zu Ecuador. Weiterhin geht es darum, wieder Baumwolle anzubauen und mehr Reis zu ernten, um den Import von Nahrungsmitteln zu beschränken.Was die Regierung in dieser Hinsicht unternimmt, kommt bei den maßgebenden Fernsehkanälen Caracol und RCN oder Tageszeitungen wie El Tiempo und El Espectador oft zu kurz. Das hat zwei Gründe: Zum einen sind die Medienhäuser, egal ob Print, Hörfunk oder Fernsehen, in den Händen großer Wirtschaftskonglomerate, hinter denen einflussreiche Familien stehen, die ökonomisch den Ton angeben. Das wirke sich auf die Berichterstattung aus, kritisiert Jonathan Bock, Direktor der Stiftung für Pressefreiheit (FLIP). Zum anderen gebe es freilich auch ein hausgemachtes Problem: „Die Regierenden haben kein stimmiges Kommunikationskonzept.“ So sieht es auch Uribe: „Wir rücken unsere Erfolge nicht ins rechte Licht.“Da spielt es gewiss auch eine Rolle, dass Gustavo Petro erst im April, neun Monate nach seiner Vereidigung, das neue Direktorium des öffentlichen Senders RTVC vorgestellt hat. Die Verspätung hat beim Pacto Histórico für Misstöne gesorgt, hinzu kommen die permanenten Angriffe aus dem rechten Lager. „Per Twitter, über Facebook und andere soziale Kanäle werden jeden Tag negative Berichte über die Regierung in Umlauf gesetzt, hat unsere Medienanalyse ergeben“, sagt Alirio UribeDie Außendarstellung der Regierung bleibt ein Problem. Mehr Reputation könnte ihr nun der Waffenstillstand mit der Guerilla des Ejercito de Liberación Nacional (ELN) verschaffen, auf den man sich geeinigt hat. Für Joe Sauca, Sprecher des Regionalen Rates der indigenen Völker des Cauca (CRIC), ist der direkte Dialog die Chance für eine lokale Verständigung. „Das bleibt eine Alternative“, so der 39-Jährige, der seit Ende Juni der am besten organisierten indigenen Organisation Kolumbiens – dem CRIC – vorsteht. Diese hat ihren Sitz in Popayán, der Hauptstadt des Cauca, eines der hart umkämpften Departamentos des Landes. Sauca plädiert für eine gestärkte Zivilgesellschaft, auf die Gustavo Petro ebenfalls Hoffnungen setzt. Die zentrale Frage lautet: Was passiert, wenn die konservativ-liberale Parteienallianz im Parlament weiter mauert? Darauf hat auch Alirio Uribe keine Antwort.