Wird es tatsächlich eng für den Ex-Präsidenten der USA? Bei Prognosen über Donald Trumps mögliche Strafprozesse ist Vorsicht geboten. Gerichte werden Trump wohl nicht rechtzeitig und empfindlich genug bestrafen, um den Mann zu stoppen. Schuldsprüche wegen illegal aufbewahrter Geheimdokumente, behinderter Ermittlungen und nun wegen der „Putschversuche“ gegen Joe Bidens Wahlsieg 2020 sind alles andere als garantiert. Auch wenn die Klage wegen der Anstiftung zum Sturm auf das Kapitol in Washington am 6. Januar 2021 schwer wiegt. Immerhin wird Trump des Aufruhrs gegen den Staat beschuldigt, den er womöglich ab Anfang 2025 wieder als Präsident regieren will. Aber alle Prozesse, inklusive der Berufungsverfahren, werden Jahre dauern. Trumps Anw&
nwälte verzögern in der Hoffnung auf Urteile, die erst nach der Präsidentenwahl im November 2024 fallen. Der nächste Präsident ist möglicherweise Trump selbst oder ein Republikaner, der ihn im Fall eines Schuldspruchs begnadigt.Wie bei den beiden erfolglosen Impeachment-Verfahren der Demokraten bleiben die meisten Republikaner Trump treu. Sie tun es, weil die Anklagen ihr Weltbild bestätigen, in dem sich Donald Trump wehrt gegen einen übergriffigen Staat. Das ist sein großer Erfolg: Er selbst, seine Leute und ein getreuer Medienapparat haben eine Welt geschaffen, in der ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung in einer anderen Realität lebt. Bei Fox News, allgegenwärtig in vielen Wohnzimmern, und durch die Rhetorik republikanischer Politiker entsteht der Eindruck, Trump werde von einer politisierten Justiz verfolgt.Ende Juli kamen in Des Moines (Iowa), dem ersten Vorwahlstaat, gut 1.000 Republikaner zusammen, um sich Kandidaten anzuhören. Nur einer, der frühere Abgeordnete Will Hurd, brachte Trumps rechtliche Probleme zur Sprache. Trump kandidiere, „um nicht ins Gefängnis zu kommen“, mutmaßte Hurd und wurde ausgebuht. In Washington läuft eine republikanische Gegenkampagne, die von den Verfahren gegen Trump ablenken soll. Es gehe um einen Riesenskandal. Kevin McCarthy, der Sprecher des Repräsentantenhauses, drohte Ende Juli mit Vorbereitungen auf ein Amtsenthebungsverfahren gegen Joe Biden. Der Präsidentensohn Hunter Biden ist die Piñata der republikanischen Welt. Hunter soll Geschäfte mit China und der Ukraine getätigt und dabei vom Namen seines Vaters profitiert haben, um die Biden-Familie zu bereichern. Einkommenssteuer habe er nicht immer gezahlt, gibt Hunter zu.Es sind keine Beweise bekannt für eine wesentliche Rolle des Vaters bei Hunters Tun. In einer tribalistischen Welt mit ihren diversen Realitäten spielt das jedoch keine große Rolle.Es lohnt ein Rückblick auf Hillary Clinton 2016 und die Flut trumpistischer Alarmrufe über „Hillary Clintons E-Mails“ während des Wahlkampfs. Ein superheißes Thema damals, verbunden mit dem Vorwurf, die frühere Außenministerin habe geheime Mails auf ihrem privaten Server deponiert und so die USA in Gefahr gebracht. „Sperrt sie ein!“, tobten die Trump-Meetings. Herausgekommen ist nichts. Es gebe keine überzeugenden Hinweise „auf eine bewusst fehlerhafte Handhabung geheimer Dokumente“, fasste das Außenministerium letztendlich zusammen. Doch da war alles vorbei, Clinton hatte die Wahl verloren, und die Kampagne wegen der Mails hatte definitiv gegriffen.Trumps Gegner sollten ihre „Sperrt ihn ein!“-Hoffnungen zurückschrauben. Die Zukunft entscheidet sich nicht im Gericht, sondern mit der nächsten Wahl. 2016 wurde Trump unterschätzt, besonders die Macht seiner Behauptung, er vertrete die normalen Leute gegen die Elite. Nur eine deutliche Wahlniederlage würde dem Spuk ein Ende machen.