Wie ein Vorgeschmack auf das was noch kommen mag war die zeitweilige Blockade der etwa 20 republikanischen Rechtsausleger vor der Wahl ihres Parteikollegen Kevin McCarthy zum Sprecher des US-Repräsentantenhauses. Die Republikanische Partei verfügt dort nach den Zwischenwahlen vom November über eine dünne Mehrheit (222 von 435 Abgeordneten). Der ganz rechte Flügel hat bei der Sprecherwahl die Machtfrage gestellt und erhebliche Zugeständnisse erzwungen. Es wird nicht das letzte Mal gewesen sein.
Was häufig als „Chaos“ dargestellt wurde, war ein Kampf um Geltung, auch wenn es in vielen Kommentaren hieß, es sei angesichts des rechtslastigen Kurses der Partei unklar, was die Rechtsdissidenten verlangen würden. Sie wollen mehr Einfluss auf
fluss auf die innerparteiliche Auseinandersetzung zwischen wohlhabenden Spendern und der Wirtschaftslobby. Und sie repräsentieren die nationalistischen sowie permanent empörten „Graswurzel-Aktivisten“, die nicht zufrieden sind mit einem Regieren im herkömmlichen Sinn. Es geht ihnen darum, die Uhr um Jahrzehnte zurückzudrehen, damit ein weißes Amerika mit „geordneten Zuständen“ aufleben kann. Sie gedeihen in einer zersplitterten Medienwelt, in der man sich seine Fakten aussuchen kann.Zum Stören und Blockieren reicht die MinderheitRechtspopulismus funktioniert auch in den USA am besten in der Opposition. Zu neuen Gesetzen wird es für die Rechtsausleger im Repräsentantenhaus in dieser Legislaturperiode nicht reichen; gebraucht würden schließlich auch die Zustimmung des Senats mit seiner demokratischen Mehrheit und die Unterschrift des demokratischen Präsidenten. Doch zum Stören und Blockieren reicht die Minderheit. Und das Stören ist Teil der Verführungskraft einer Botschaft. Sie lautet, dass man für das Volk kämpfe, gegen die Elite und den „Sumpf in Washington“ – etwa in 15 Wahlrunden um McCarthy im Kapitol, zwei Jahre nach dem Ansturm der Trump-Loyalisten auf eben dieses. Sie wollten damals die Anerkennung der Wahlniederlage ihres Führers mit Gewalt verhindern. Demokraten hielten am Tag vor McCarthys Wahl auf den Stufen des Gebäudes eine Zeremonie ab zum Gedenken an die umgekommenen und verletzten Polizisten. Republikaner blieben weg.Lauteste Gegner von McCarthy waren die Wahlverleugner von damals. Auch 2021 galten die Elite und der Regierungsapparat als Feinde. Wenn man Letzteren entwässern wolle, könne man „nicht den größten Alligator an die Spitze stellen“, sagte einer der wortgewaltigsten McCarthy-Gegner, der Abgeordnete Matt Gaetz. Er komme aus Florida und kenne sich aus. Die McCarthy-Gegner wollten streckenweise nicht einmal auf den großen Führer hören, als Donald Trump zur Wahl McCarthys drängte. Ein weiterer Hinweis, wie sich ein Aufstand verselbständigen kann.Dass die Alligatoren-Jäger Kevin McCarthy nicht vertrauen, ist nachvollziehbar. Der 57-Jährige sitzt seit 2007 im Kongress, er vertritt Teile des San-Joaquin-Tales, das Herz der kalifornischen Agrarindustrie, und hat zügig parteiintern Karriere gemacht. McCarthys Fähigkeiten sind Spendengeldern für die Partei und sein Political Action Committee zu verdanken, das sich wiederum großzügig zeigt gegenüber manchen Kollegen. Er gilt nicht als ideologisch gefestigt, sondern passt sich an.Donald Trump akzeptierte Kevin McCarthys EntschuldigungEine Woche nach dem Sturm auf das Kapitol hatte McCarthy seinerzeit noch mit Pandemie-Maske im Repräsentantenhaus verkündet: Trump trage Verantwortung. Er hätte „die Meute“ sofort verurteilen müssen. Laut New York Times soll McCarthy im Telefonat mit Parteikollegen gesagt haben, er habe genug von Trump. Er wolle Trump quasi den Rückzug nahelegen. Wenig später, Ende Januar, reiste McCarthy in Trumps Villa Mar-a-Lago, um den sprichwörtlichen Ring zu küssen. Die konservative Bewegung müsse vereint sein, warnte er. Die Demokraten hätten die Nation spalten wollen, als sie ein Impeachment-Verfahren auf den Weg brachten. Trump hat McCarthys Entschuldigung akzeptiert.Dem republikanisch bestimmten Repräsentantenhaus wird es nun viel um Symbolpolitik gehen. McCarthy hat das in seiner ersten Ansprache als Speaker signalisiert. Er werde die Grenzen sichern, Inflation reduzieren, Energiekosten reduzieren. Konkret war nichts außer der Zusage, er wolle im allerersten Gesetzentwurf den von Biden beschlossenen Ausbau der Steuerbehörde IRS rückgängig machen, denn „die Regierung sollte einem helfen und nicht nachstellen“. McCarthys Spielraum ist begrenzt, da zu seinen Konzessionen an die Rechtslastigen eine Regel gehört hat, die es leichter macht, den Sprecher abzusetzen.Den Demokraten bleibt mit dem Ausscheiden von Nancy Pelosi aus dem Spitzenamt des Repräsentantenhauses die Gewissheit: Joe Bidens Vorhaben werden es demnächst kaum durch diese Kammer schaffen. Der Präsident dürfte es mit Exekutiv-Anordnungen und behördlichen Richtlinien versuchen wie Anfang Januar bei der Einwanderungspolitik. Im Senat haben die Demokraten eine knappe Mehrheit. Damit können sie Juristen bestätigen, die Biden für die Bundesgerichte ernennt – als Gegengewicht zu den von Trump ins Amt gebrachten Richtern.Der Fall Hunter BidenZu erwarten sind unter McCarthy zahlreiche Untersuchungen über vermeintliche Missetaten und Fehlgriffe der Regierung Biden, vom Abzug aus Afghanistan bis zur Grenzpolitik. Und endlich werden die Republikaner Gelegenheit haben, Biden persönlich zu attackieren. Man wird viel hören über den Sohn Hunter Biden und einen mysteriösen Laptop mit Interna, den dieser versehentlich nach der Reparatur zurückgelassen haben soll. Hunter soll Geschäfte gemacht haben mit China und in der Ukraine. Es laufen Ermittlungen wegen Steuerhinterziehung. Zudem hat der Präsidentensohn 2021 Erinnerungen veröffentlicht, in denen er über seine Drogenabhängigkeit schreibt. Donald Trump ist 2021 mit seinem Aufstandsversuch gescheitert. Zumindest im Repräsentantenhaus ist nun eine Mini-Revolte geglückt.Kevin McCarthy wollte unbedingt auf dem Thron eines Sprechers sitzen. Er ist am Ziel und muss nun irgendwie Ordnung in sein Lager bringen. Bidens Leute hoffen schadenfroh, die Republikaner werden sich weiter gegenseitig attackieren.