Jesus, Paulus und die Ostergeschichte

Ursprung der Religionen: Die Ostergeschichte eines Auferstandenen sorgt immer noch für Aufregung und Disput. Tatsächlich wurden Religionen als Macht-Instrument erfunden. Das wird gerne ignoriert.

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Die Verklärung des Predigers Jesus zum Auferstandenen war sicherlich eine Hilfe für die Ausbreitung der jungen Sekte der Nazarener. Vor allem Paulus machte daraus eine Identitäts-stiftende Figur. Schließlich entstand daraus eine Weltreligion, die anfangs eine religiöse Bewegung von unten war und dann zur römischen Staatsreligion umgeformt wurde.

Aber warum beschäftigt uns die Auferstehung heute noch?

Relevanter ist die Frage: Benötigen wir in der Zukunft noch Religionen? Sind sie nicht eher hinderlich für die kommenden Herausforderungen?

Religionen liefern normativ Werte für das Zusammenleben von Gemeinschaften. Das Normative wird immer von einer transzendenten Kraft abgeleitet. Dabei stehen Götter oder ein Gott im Mittelpunkt – allumfassende Autoritäten für ihre Anhänger, die Gläubigen.

Doch Religionen waren und sind immer noch Anlass für Streit, anstatt Gesellschaften friedlich zusammenzuführen. Die Frage nach dem „besseren“, wahren Gott führt zu Auseinandersetzungen bis hin zu Kriegen um die richtige Religion. Oft nutzten Herrscher die Religion als Vorwand, um Machtansprüche mit Gewalt durchzusetzen.

Wo liegt der Ursprung der Religion?

Damit stehen wir mitten in der Religions-Geschichte, die ihren Anfang in den ersten Hochkulturen fand. Dort entstand Religion als Autorisierungshilfe für die Anführer. Dort müssen wir hinschauen, wenn wir den Ursprung von Religionen verstehen wollen.

Vor etwa 6.000 Jahren kam ein Umbruch in die Menschheitsgeschichte. In Mesopotamien entstanden die ersten Stadtstaaten mit Gemeinschaften ungewohnter Größe. Lange lebten die Menschen als Jäger und Sammler in Horden zusammen, später als Sesshafte in Dorfgemeinschaften. Die dann folgenden Stadtstaaten mussten neue Formen des Zusammenlebens organisieren, so die Verteilung von Aufgaben und Ertrag und die Entscheidungsfindung für Vorhaben.

Dort entwickelte sich als erstes die Tempelwirtschaft, die den Priestern als Stellvertreter der Götter Autorität gab und zu ersten Herrschern machten. Diesem Vorbild folgten Generationen von Herrschern, die das Modell der Untertanengesellschaft bis in die Neuzeit aufrecht hielten und ihre abgehobene Sonderstellung mit dem Instrument der Götterwelten autorisierten.

Die Oberschichten (die Privilegierten der Oben-Unten-Gesellschaften) setzten bei ihrer Autorisierung wie die Priesterfürsten der ersten Stadtstaaten auf die transzendente Tradition der Jäger-Sammler-Gemeinschaften. Sie erfanden immer neue Götterwelten und gründeten Religionen, um sich in Gottesnähe abzusetzen. Als Herrscher „von Gottes Gnaden“ sicherten sie damit einen vererbbaren Führungsanspruch. So ist es nicht verwunderlich, dass fast alle Religionsgründer der Oberschicht entstammen.

Die Autorisierung über Götterwelten kann als ein Merkmal der (missratenen) Zivilisation gesehen werden. Mit Beginn der Zivilisation wurden Religionen als Instrument der Macht erfunden und genutzt.

Die aus der Reihe tanzende Jesus-Religion

Die von unten kommende "Jesus-Lehre" passt nicht in das Erklärungsmuster der Autorisierungs-Religion.

Der Handwerkersohn Jesus war ein Aufständischer, der als Wanderprediger mit Gefolgschaft durch Galiläa und Judäa zog. In der Rolle eines Messias (Befreiers) kämpfte er gegen die römische Besatzung. Dabei setzte er sich für die Unterschicht ein – damals die unterjochte und verarmte Mehrheit, aus der er stammte. Seine Vision war ein besseres Leben ohne die Römer. Der römische Staat fühlte sich herausgefordert und betrachtete ihn als Rebell, der wie viele andere am Galgen endete.

Die Jesus-Gemeinde und ihr Anliegen waren jüdisch geprägt und nur für Juden zugänglich. Der selbsternannte Apostel Paulus, ein gebildeter Jude mit römischem Bürgerrecht, der im Gegensatz zu Jesus schreiben konnte, öffnete die Sekte für Nicht-Juden. Zudem gab Paulus der jungen aufständischen Bewegung eine religiöse Botschaft. Er macht Jesus mit der Auferstehungsidee zu "Gottes Sohn" und versprach den Anhängern Trost im Jenseits. Damit vergrößerte der Missionar Paulus seine Zielgruppe immens.

Paulus nutze den "Auferstandenen" als transzendente Gründergestalt und Identifikationsfigur. Die Nächstenliebe und die Solidarisierung mit den Armen und Schwachen waren seine Magnet-Botschaften.

Paulus war mit diesem Ansatz sehr erfolgreich – wahrscheinlich der eigentliche Begründer des Christentums; bestätigt durch die Wegbeschreibung des Paulus.

Kaiser Konstantin machte das Christentum, beeindruckt durch dessen schnelle und immense Ausbreitung, zur Staatsreligion. Der Kaiser wurde zum Beschützer, aber auch zu einem „Steuermann“ der neuen Staatsreligion. Erstmals berief er 325 auf Basis der kaiserlichen Synodalgewalt das Konzil von Nicäa ein und organisierte die Religion als Stütze des Staates. So zwängte er die Religion in das klassische Autorisierungs-Gefüge des Staates.

In diesem Dilemma leben die christlichen Religionsführer heute noch. Im Katholizismus steht oben ein absolutistischer, unfehlbarer Papst, der zwar für die Erlösung der Mühseligen und Beladenen betet, aber im Namen Gottes vorgibt, was die "Follower" im Einklang mit der Kirchenlehre und der Staatsräson christlicher Prägung zu tun haben.

Das unselige Erbe der Götter-geprägten Tradition

Das Transzendente steckt tief im evolutionären Gedächtnis der Menschheit und prägt in erstaunlichem Umfang unsere Lebensweise bis heute.

Religionen helfen nicht, eine globale Form des friedlichen Zusammenlebens zu finden. Sie spalten eher. Aber wir werden sie auch nicht auf die Schnelle los, denn das Traditionelle hat eine lange Haftdauer über Generationen hinweg. Die Erkenntnisgewinne aus den Wissenschaften helfen kaum über die Traditionsklippe. Eher ist es der Wohlstandsgewinn, der die Götter vergessen lässt.

Dieses Erbe der Zivilisation, das tradierte Festhalten an Götterwelten, ist wohl ein weiteres Hindernis, die Herausforderungen der Zukunft zu meistern. Können wir diese unselige Tradition nicht ablegen, bleibt uns eine zusätzliche Achillesferse in Zeiten von Pandemie, Klima-Krise und Ressourcenvernichtung.

Die Religion, dieses alte Macht-Instrument von Oberschichten, taugt für die Überwindung der Gefahren und Herausforderungen unserer Zeit nicht.

Gibt es Ersatz?

Ersatz könnte ein ethischer Rahmen, ein Wertekanon sein, der im Einklang mit dem Grundgesetz Hilfsbereitschaft, Solidarität und Empathie einfordert. Damit bekommt die Gesellschaft einen Orientierungsrahmen, der allen Bürgern Chancengleichheit und Teilhabe in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ermöglicht.

Wirtschaftliche Teilhabe neben die politische Teilhabe zu setzen, wäre ein Anfang.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

kritikaster

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