Hat man die Ehre, einen Text von Elfriede Jelinek zu inszenieren, muss man eine Grundsatzentscheidung treffen. Diese dichten, wortspielreichen, bis an den Rand des Klamauks lustigen, aber unpathetisch melancholischen Texte kann man entweder als solche wirken lassen – also eine minimalistische Bildsprache entwickeln. Oder man bebildert, unterstreicht und betont die Kraft dieser Sprache durch mindestens ebenso deutliche, energiestrotzende Bilder. Für die Uraufführung von Asche an den Münchner Kammerspielen hat sich Falk Richter eindeutig für letzteres entschieden.
Der Text soll der dritte in einer Reihe von Auseinandersetzungen Jelineks mit Klimawandel und Umweltzerstörung sein. Wie der Titel unschwer verrät, geht es nicht mehr um das Davor oder das Wä
or oder das Währenddessen, nicht um das der Katastrophe Beiwohnen, sondern um das Danach. Die Erde ist verbrannt, was bleibt ist die Trauer der letzten Menschen.Jelinek gewandet diese Trauer in eine Sprache, die sich an der Romantik abarbeitet. Der Abend beginnt mit einem Zitat aus Gustav Mahlers Liedern eines fahrenden Gesellen: „Ich bin ausgegangen in stiller Nacht wohl über die dunkle Heide. Hat mir niemand Ade gesagt. Ade! Mein Gesell war Lieb und Leide!“ Immer wieder wird dieses Zitat vorkommen.Caspar David Friedrich auspacken, Jelinek einpackenDiese Nacht mutet indes ganz schön grell an. Richter taucht sie zunächst in ein postapokalyptisches Tourismusbild – die Menschen sitzen auf dem verbrannten Planeten am Strand und wundern sich, warum das Meer nicht gleich aus Plastik erschaffen worden ist. Dabei experimentiert Richter auch mit Künstlicher Intelligenz. Auf einer schmalen Videostele tauchen immer wieder computergenerierte Figuren auf, die Text deklamieren und singen. Ein vielleicht etwas durchschaubarer, aber gelungener Kunstgriff: Der Mensch am Vorabend seines Übergangs in eine rein virtuelle Existenz.Nichtsdestotrotz bleibt Richters Bildsprache der Romantik verhaftet, woran nicht zuletzt der schwarze Fels erinnert, der die Bühne dominiert und auf dem sich herrlich verträumt in den Weltuntergang blicken lässt. Damit auch der letzte die Anspielung versteht, wird irgendwann aus einer Holzkiste Caspar David Friedrichs Wanderer über dem Nebelmeer hervorgeholt, was in seiner Eindeutigkeit nicht hätte sein müssen. Der Kniff geht indes wieder auf, als Ulrike Willenbacher, die als eine Art Alter Ego Jelineks auftritt, sich in einer besonders melancholischen Szene in ebendiese Kiste legt. Die Romantik, die die Industrialisierung ästhetisch vorbereitete, kommt hier in ihrer Ambivalenz zur Geltung: In der Idealisierung der Natur ist ihre Beherrschung bereits enthalten.Bewältigung, die an Walter Benjamin gemahntDie Gefahr dieser Bilderflut ist indes, dass sie den Text zu erdrücken droht, Ermüdungserscheinungen insbesondere in der ersten Hälfte des Abends sind nicht ganz zu vermeiden. Glücklicherweise (oder unglücklicherweise, für die Menschheit), wird es gegen Ende ruhiger, melancholischer, trauriger. Gerade in diesem Wechsel vom Grellen zum Dunklen liegt die Tragik dieses Abends. Am Ende bleibt (fast) nichts übrig, außer den computergenerierten Bildern.Sowieso liegt im melancholischen Blick auf die Geschichte des Untergangs, der die Züge von Benjamins Thesen über die Geschichte trägt, eine große Stärke von Jelineks Text: „Am liebsten betrachte ich die Geschichte von hinten, es wäre schön, wenn auch sie ein paar Schritte zurücktreten würde, damit die Rücktritte ihrer Opfer sie nicht erreichen, wenn das Rad der Geschichte bremsen möchte, und damit mein lieber Toter vielleicht doch noch wiederkommt.“Jelinek, die hier die Trauerarbeiterin über dem Weltenmeer gibt, versucht sich also in Bewältigung. Es liegt dabei in der Natur der Katastrophe, dass man vieles hiervon schon gehört zu haben meint. Das Problem mit der Klimakatastrophe ist ja nicht, dass man nicht wüsste, was der Menschheit bevorsteht. Es gilt vielmehr das Diktum Karl Valentins: Es ist schon alles gesagt, nur noch nicht von allen. Was Jelinek und Richter dazu zu sagen haben, wird zum Besseren gehört haben.