Ein Gebot der Demokratie

Polizei Horst Seehofer sperrt sich nach wie vor gegen eine Studie über Rassismus in der Polizei. Dabei wäre diese nur ein – wenn auch wichtiger – erster Schritt

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Ein dem ARD-Magazin Monitor vorliegender rassistischer Chat offenbarte die rechte Gesinnung einiger Polizisten aus Berlin
Ein dem ARD-Magazin Monitor vorliegender rassistischer Chat offenbarte die rechte Gesinnung einiger Polizisten aus Berlin

Foto: Sean Gallup/Getty Images

Es war der tragische Tod von George Floyd, der auch hier in Deutschland die Diskussion über Rassismus in der Polizei anheizte. Doch obwohl die Mehrheit der Bevölkerung eine unabhängige Studie zu Rassismus in der Polizei befürwortet, lehnt Innenminister Horst Seehofer die Durchführung weiterhin ab.

Es ist wichtig zu bedenken, dass die Forderung nach einer Rassismus-Studie in der Polizei nur einen ersten Schritt darstellen kann. Dies liegt zum einen daran, dass es auch in anderen Sicherheitsbehörden rechtsextreme Verdachtsfälle gibt – zuletzt beim Verfassungsschutz in NRW. Zum anderen sollten Studien über die Arbeitsweise der Sicherheitsbehörden ein wichtiger Bestandteil der Demokratie sein. Sie helfen nämlich der Bevölkerung dabei, die Arbeit des Staates angemessen zu kontrollieren.

Nun wird sichtbar, dass es sich hier um eine viel weitreichendere Frage handelt, als die Gesellschaft bisher diskutiert hat. Die Frage Wie weitreichend ist Rassismus in der Polizei und wie reagieren wir darauf?" ist demnach nur ein Ausdruck eines viel größeren Problems. Es geht nämlich um die Frage Wie gleichen wir das Machtverhältnis zwischen Staat und Bevölkerung aus?"

Eine Demokratie muss sicherstellen, dass die Stimme eines jeden Menschen gehört wird und niemand unkontrolliert mehr Macht ausüben kann als alle anderen. Um unsere Demokratie weiter auszubauen, wird es notwendig unser Verständnis darüber, was der Staat ist zu überdenken.

Der Staat als Institution, die über der Bevölkerung steht, ist mit den demokratischen Prinzipien gleicher Rechte und Gewaltenteilung kaum vereinbar,

Der Staat als Instrument, welches von der Bevölkerung gebildet und getragen wird, ist schon eher im Sinne einer starken Demokratie – und vor allem Voraussetzung für mehr direkte Demokratie, die sich viele wünschen. Um die Rahmenbedingungen für eine solche Sicht auf Staat und Politik zu schaffen, ist es unabdingbar die Kontrollmöglichkeiten der Bevölkerung gegenüber dem Staat – und somit die Gewaltenteilung – auszubauen.

Studien als Bestandteil der Gewaltenteilung

Das Prinzip der Gewaltenteilung sollte den meisten bekannt sein: Die drei Staatsgewalten Exekutive, Legislative und Judikative kontrollieren sich gegenseitig. Ein Zeichen einer starken Demokratie sollte darin bestehen, dass die Bevölkerung auch Kontrollmöglichkeiten gegenüber den unterschiedlichen staatlichen Gewalten haben.

Im Falle der Legislative ist dies in Deutschland auf jeden Fall gegeben. Unsere freien Wahlen ermöglichen es uns die gesetzgebende Gewalt (Legislative) zu kontrollieren, indem wir Vertreter*innen, die keine gute Arbeit machen, abwählen.

Im Falle der ausführenden Gewalt (Exekutive) verhält sich dies etwas anders. Während der*die Kanzler*in vom Bundestag gewählt wird, wodurch die Bevölkerung zumindest eine indirekte Kontrolle hat, besteht bei vielen Teilen der Exekutive keine Kontrollmöglichkeit. Dazu gehört auch die Polizei.

Weder ist es uns möglich Polizisten abzuwählen, noch besteht aktuell eine unabhängige Beschwerdestelle. Obwohl die Polizei eine mit Staatsmacht ausgestattet Institution ist, existiert kein Instrument als Gegengewicht zu repressiven Maßnahmen. Dies ist, solange wie die Regierung demokratisch und die Menschen absolut fair sind, kein großes Problem. Leider ist sicher jedem Menschen bewusst, dass letzteres nicht der Fall ist. Außerdem zeigt uns die Geschichte, wie schnell eine Demokratie durch den Aufstieg autoritärer Kräfte in Gefahr geraten kann. Die regelmäßige Durchführung von Studien zur Arbeitsweise und dem Verhalten unserer Sicherheitsbehörden könntenin Kombination mit der Einrichtung einer unabhängigen Beschwerdestelledie demokratische Kontrolle in der Exekutive etablieren, die in der Legislative bereits selbstverständlich scheint.

Erste Schritte

Dabei sind unabhängige Beschwerdestellen, sowie regelmäßige Studienwie oben bereits erwähntnur erste Schritte in Richtung ausgeglichener Machtverhältnisse und einer starken Demokratisierung. Es ist notwendig, neben den Studien, weitere Kontrollinstrumente einzuführen, die das Handeln des Staates für die Bevölkerung transparent und kontrollierbar machen. Die gilt selbstredend nicht nur für die Sicherheitsbehörden. Auch Lobbyregister für die Parlamente gehören beispielsweise zu diesen Instrumenten.

Langfristig wird es jedoch notwendig, autoritäre Denkmuster in der Gesellschaft aufzubrechen, um demokratische Weltbilder zu festigen. Nur so kann unsere Demokratie auch langfristig stabil bleiben.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Lion Rudi

politisch aktiv mit vielen Ideen (die wenigsten zu Papier gebracht; die allerwenigsten umgesetzt)

Lion Rudi

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