Die Journalistin Corinna Milborn nannte es auf X, ehemals Twitter, kürzlich einen „wtf Moment“: Davon gab es allein in der vergangenen Woche eine ganze Menge.
Montag, 25. September: Der Beginn einer neuen Woche. Langsam zwitschern die ersten E-Mails und Nachrichten ein. Im Fall der FPÖ ein Bild zweier Funktionäre auf „diplomatischer Mission“ in Afghanistan. Andreas Mölzer und Johannes Hübner waren angereist, um sich mit dem Außenminister der Taliban-Regierung zu treffen. Mölzer ist ehemaliger Abgeordneter im Europaparlament und gilt als einer der Ideologen der FPÖ. Hübner saß bis vor wenigen Monaten noch als Abgeordneter im Bundesrat und ist aktuell Präsident der Freiheitlichen Akademie Wien – beides also keine unbekannten Gesichter in der FPÖ. Die Politiker konnte weder die fehlende Anerkennung der afghanischen Regierung durch Österreich noch eine Reisewarnung des österreichischen Außenministeriums von ihrem Vorhaben abbringen.
Dienstag, 26. September: Wenn Montag schon viel Aufregung herrscht, ist für die restliche Woche Ruhe, zumindest bei der FPÖ. Dienstag traf es nämlich die SPÖ, obwohl sie in diesem Fall unschuldig war. An diesem Tag leakte das Sora-Institut, eines der wichtigsten Meinungsforschungsinstitute Österreichs, ein internes Strategiepapier die SPÖ betreffend an 800 Mailadressen. Es handelte sich um den Pitch für eine mögliche Zusammenarbeit zwischen dem Sora-Institut und der SPÖ im nächsten Nationalratswahlkampf 2024. Man habe den falschen Verteiler gewählt, hieß es als Entschuldigung. Prompt diskutierte das halbe Land über mögliche Wahlkampfpläne.
Die SPÖ wirkt hilflos, auch wenn die anderen patzen
Mittwoch, 27. September: Im Laufe des Tages verschärften sich die Konsequenzen für das Sora-Institut. Der ORF kündigte nach jahrelanger Zusammenarbeit die Wahlberichterstattung auf. Mittlerweile ist das Strategiepapier online verfügbar; es umfasst über 40 Folien voller Wahlkampfvorschläge. Auch wenn es sich nur um einen Pitch handelt, liefert die Präsentation auskunftsreiche Einblicke in Wahlkämpfe und deren Strategien. So geht es nicht nur um die Wahrnehmung der SPÖ, sondern auch um das Framing der anderen Parteien zum eigenen Vorteil.
Apropos Wahlkampf – dass hier viel schiefgehen kann, musste auch die ÖVP erfahren. Mittwochs stellte die ÖVP ihre neue Herbstkampagne vor und präsentierte ein Foto mehrerer Hände, die Münzen in ein Sparschwein werfen. Wie Nutzer*innen auf X schnell feststellen, handelte es sich dabei nicht um Eurostücke, sondern um Rubel. Das war aber nicht der einzige Patzer der ÖVP an diesem Tag.
Mittwochabends wurde ein Video auf X veröffentlicht, das Bundeskanzler Karl Nehammer im kleinen ÖVP-Kreis zeigt, wo er eine Rede über Armut und den Sozialstaat hält. So empfiehlt er armen Menschen doch arbeiten zu gehen, und auf die Forderung nach einem warmen Mittagessen für jedes Kind reagiert er mit einem Verweis auf McDonalds: „Wisst's was, die billigste warme Mahlzeit in Österreich ist? Ist nicht gesund, aber sie ist billig: ein Hamburger bei „McDonald's“. Das Publikum im Video ist begeistert und auch sonst dürften solche Aussagen einigen aus der ÖVP-Stammwählerschaft gefallen. Im Internet hagelt es allerdings Kritik und „Karl Antoinette“ wird, angelehnt an die Österreicherin Marie Antoinette, zum Meme.
Das Ergebnis: Das Vertrauen in die Demokratie sinkt
Was lustig klingen mag, ist allerdings verheerend für eine Demokratie. Was passiert mit einem Land, dessen Politik immer mehr zum Witz wird? Vor allem die letzten Jahre stechen besonders heraus, wo sich ein Skandal an den nächsten reihte, jeder skurriler als der andere: Ibiza-Video, Chat-Affäre, gefälschte Umfragen. Es wird schnell klar, wieso das Vertrauen der Österreicher*innen in ihr politisches System immer kleiner wird. Diese Kennziffer sinkt seit Jahren innerhalb aller ökonomischen Schichten. So gaben in einer Befragung des Sora Instituts 2022 nur mehr 34 Prozent der Menschen an, zufrieden mit dem politischen System zu sein, das ist fast eine Halbierung gegenüber dem Jahr 2018.
Gleichzeitig führt die FPÖ seit Monaten in bundesweiten Umfragen und liegt bei etwa 29 Prozent. Skandale und politische Fehltritte können ihr wenig anhaben. Die Freiheitliche Partei schafft es immer wieder, enttäuschten Wähler*innen eine Perspektive zu präsentieren, was die österreichische Linke nicht (mehr) leistet. Vereinzelte Gegentrends, wie zum Beispiel die Wahlerfolge der KPÖ Plus in Graz und Salzburg, zeigen, dass das jedoch möglich ist. Um enttäuschte Wähler*innen wieder zu erreichen und zu überzeugen, braucht es eine Vielzahl an Maßnahmen. Neben einer sozialen Politik ist aber auch ein gewisses Maß an Ernsthaftigkeit und Professionalität nötig – im Moment fehlt das.
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