Die Chance der Palästinenser

Kerrys Mission Es gab schon viele Verhandlungsrunden zwischen Isarelis und Palästinsern. Selten wurden sie aus derart verhärteten Positionen heraus begonnen wie diesmal
Wie hat John Kerry (l.) Mahmud Abbas überzeugt? Mit der möglichen Freilassung palästinensischer Gefangener durch die Israelis
Wie hat John Kerry (l.) Mahmud Abbas überzeugt? Mit der möglichen Freilassung palästinensischer Gefangener durch die Israelis

Foto: Fadi Arouri / AFP

John Kerry dürfte Henry Kissinger, seinen Amtsvorgänger aus den siebziger Jahren und Erfinder der Pendeldiplomatie, endgültig übertroffen haben. Barack Obamas Außenminister war in den vergangenen sechs Monaten zu sechs Nahost-Missionen und ungezählten Touren zwischen Jerusalem und Ramallah unterwegs, um einen Gesprächstermin zwischen Israelis und Palästinensern auszuhandeln – von dem niemand weiß, was er taugt. Dass nun in Washington verhandelt werden soll, bedeutet wenig. Wie viele Versuche der gleichen Art, zu den gleichen Themen, mit den gleichen Teilnehmern und dem gleichen Schirmherren sind seit 1967 gescheitert? Galt nicht die Road Map des Präsidenten George W. Bush vor zehn Jahren als der ultimative Wegweiser zum Frieden? Heute ist sie zu recht vergessen.

Ermutigendes Signal

Warum hat sich Kerry das angetan? Offenbar weil er muss. Dafür ist weniger Erfolgsdruck verantwortlich, unter dem das Weiße Haus steht, weil die Nahost-Bilanz der Obama-Administration bisher eher bescheiden ausfällt. Es ist vielmehr die Lage der Palästinenser, die Kerry antreibt. Deren Hoffnung auf den eigenen Staat noch zu Lebzeiten heutiger Generationen ist im Augenblick so aussichtslos, so vergeblich und so absurd, dass ihnen nur zwei Möglichkeiten bleiben: Entweder sie resignieren und finden sich mit quasi kolonialen Verhältnissen ab, bei denen Israel an seinem Besatzungsstatus in der Westbank festhält und diesen nutzt, um durch fortgesetzten Siedlungsbau vollendete Tatsachen zu schaffen. Oder die Führung unter Präsident Mahmud Abbas setzt sich gegen die Stagnation und gegen den Verlust elementarer Existenzmöglichkeiten eines eigenen Staates so entschieden zur Wehr wie noch nie. Gelingen kann das nur, wenn den Amerikanern in der Palästinafrage international eine Isolation droht, die sich von der Israels qualitativ nicht unterscheidet.

Ein erster Schritt dazu wurde vor einem drei viertel Jahr in der UN-Generalversammlung getan und fiel von den Ergebnissen her ermutigend aus. Es gab eine überwältigende Mehrheit, als sich die Palästinenser am 30. November 2012 bewarben, künftig als „Beobachterstaat“ im höchsten UN-Gremium vertreten zu sein. Von den 193 Mitgliedsländern waren 138 der Auffassung, das sollte so sein. Es gab 41 Enthaltungen und nur acht Gegenstimmen (Israel, USA, Palau, Panama, Nauru, Mikronesien, Marschallinseln, Tschechien), von denen bemerkenswerterweise bis auf Tschechien keine aus der EU kam.

Kerrys Ausdauer

Inzwischen scheint auch der europäische Staatenbund die Landnahme im Westjordanland die längste Zeit toleriert zu haben. Immerhin haben die EU-Kommission und die EU-Außenbeauftragte Ashton angekündigt, ab 2014 keine israelischen Projekte mehr in den besetzten Gebieten zu fördern, weil Siedlungsbau eine schleichende Veränderung der Rechtslage darstelle, was nicht hingenommen werden könne. Sollte es dabei bleiben, was wegen zu erwartender deutscher Einwände nicht sicher ist, hätten die Palästinenser Aussichten auf eine Lobby, die ihrer internationalen Reputation dienlich sein kann.

Allerdings haben sich die EU-Außenminister soeben um Kompensation für ihr vorsichtiges Veto gegen Israels Siedlungsintensität bemüht. Die libanesische Hisbollah wird auf die Terrorliste gesetzt, was Benjamin Netanjahu sicher gefallen wird. Sie soll für einen Anschlag auf israelische Touristen vor über einem Jahr in Bulgarien verantwortlich sein – Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah bestreitet das vehement. Dieses Wohlverhalten entschärft den in Aussicht gestellt EU- Förderungsstopp für Israel und wird die Kompromissbereitschaft seiner Regierung gegenüber den Palästinensern nicht eben steigern.

Offenbar hat sich Mahmud Abbas in den Gesprächen mit John Kerry wenigstens mit der Forderung Gehör verschafft, palästinensische Langzeit-Gefangene freizulassen.

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