Alle Welt hätte erwartet, dass der amerikanische Präsident dem auf den Iran gerichteten Angriffswillen Israels seinen Segen gibt und dann wie gewohnt bremst. Plötzlich jedoch wird die Iran-Formel dieser Administration – alle Optionen sind möglich – um die syrische Variante ergänzt. Als sollte der jüngsten Prophezeiung seines Verteidigungsministers Panetta mehr Glaubwürdigkeit verschafft werden. Die lautete sinngemäß: es gehe wohl bald sehr schnell, der Kollaps des Systems Assad sei unabwendbar und stehe unmittelbar bevor.
Aber das Regime in Damaskus konserviert eine erstaunliche Widerstandsfähigkeit, es scheint weder blockiert noch zermürbt, auch wenn seine Autorität nur noch Teile des Landes erfasst, sofern stimmt, was medial vermittelt wird. Präsident Assad hält seit anderthalb Jahren dem Druck seiner Widersacher stand und stützt sich auf eine Armee, die nicht nur Alawiten rekrutiert, auch Drusen, Christen und Sunniten.
Obamas Ankündigung mutet an wie die berühmte Flucht nach vorn. Die Drohung der Regierung in Damaskus, sie werde sich einer Aggression notfalls durch den Einsatz chemischer Waffen widersetzen, ist bereits vor Wochen formuliert worden. Dass der US-Präsident jetzt plötzlich reagiert, scheint mehr dem Wahlkampf und dem aggressiven Gebaren seines Konkurrenten Romney geschuldet als dem jäh erwachten Willen, per Intervention die Entscheidung in Syrien zu suchen. Die rote Linie ist nicht überschritten, aber müsste notfalls überschritten werden. Gesagt ist gesagt.
Postkoloniale Konflikte
Die USA hätten dabei nach Lage der Dinge mit der Türkei vorerst nur einen hundertprozentig sicheren Verbündeten – ob Großbritannien und vor allem Frankreich sich an der Durchsetzung einer Flugverbotszone und darüber hinausgehenden Operationen beteiligen, ist nicht garantiert. Sollte es dafür kein Mandat des Sicherheitsrates geben, wäre das ein eben solcher Rechtsbruch wie der äußerst eigenwillige Umgang mit der UN-Libyen-Resolution 1973 vom März 2011.
Sollte sich ausgerechnet Frankreich als Befreier Syriens exponieren, käme das einer Parodie der Geschichte, aber eben auch einer Bestätigung derselben gleich: Es war der bis zur Unabhängigkeit von 1946 in Damaskus herrschenden französischen Kolonialmacht zu verdanken, dass Alawiten in der sich formierenden Nationalarmee die Kommandohöhen einnahmen und ebenso in der Verwaltung des neuen Staates ein Übergewicht besaßen. Sie waren willkommen, um die sunnitische Mehrheit in Schach zu halten. Das "Teile und Herrsche" manifestierte sich auch in der unter französischer Regie bewirkten Gründung von zwei Staaten auf einem einst in sich geschlossenen Territorium des Osmanischen Reiches: der Libanesischen Republik 1941 und der Republik Syrien fünf Jahre später. Die Kolonialpolitik hinterließ Konflikte, die sich bis heute behaupten. Warum sonst greift der Syrien-Krieg auf den Libanon über?
Siehe Den Haag 1986
Da die Interventionsdrohung des Friedensnobelpreisträgers Obama nun einmal im Raum steht, muss man sich ihr stellen. Wer an das positive Völkerrecht denkt oder sogar glaubt, stößt erneut auf den nonchalanten Umgang mächtiger Staaten mit Normen, die regulierbare und berechenbare zwischenstaatliche Beziehungen zum Ziel haben. Es sind nun einmal zuallererst Staaten – nicht Befreiungsbewegungen, Oppositionsparteien oder dschihadistische Guerilla-Gruppen – die das Völkerrecht als sein Subjekt betrachtet, um deren Umgang miteinander nach Möglichkeit gewaltfrei zu regeln. Wenn Staaten ihr Existenzrecht und ihre Rechtsförmigkeit verwirkt haben, sobald sie von inneren Konflikten erschüttert werden, hat vorhandenes Völkerrecht ausgesorgt. Die UN-Charta genau genommen auch. Bereits 1986 entschied der Internationale Gerichtshof in Den Haag, die USA hätten kein Recht, sich in die inneren Kämpfe zwischen sandinistischer Regierung und Contra-Rebellen in Nicaragua einzumischen und die Häfen des Landes zu verminen. Man berief sich auf das nicht zuletzt in den Genfer Konventionen niedergelegte Verbot, von außen in Bürgerkriege auf fremdem Territorium militärisch einzugreifen.
Kommentare 18
Colin Powell,der Ex-Außenminister unter George W.Bush hatte damals im Februar 2003 die Weltöffentlichkeit nach Strich und Faden über angebliche Massenvernichtungswaffen im Irak belogen.Und unsere sog. demokratische Presse,auch in D,hat in diese Kerbe gehauen,um einen Krieg zu rechtfertigen.Wer aufmerksam heutzutage die Presse liest,wird fatale Parallelen zu der damaligen Situation finden.Der "Friedensengel" aus den USA,Barak Obama und seine angeschlossene Presse bereiten gerade die Grundlage für einen militärischen Schlag gegen Syrien vor. Das ist ein Spiel mit dem Feuer!Die Bundesregierung muss sich klar dagegen aussprechen,sonst sind wir mitten drin!
Herr Herden,
ein weiteres Dankeschön für einen weiteren guten analytischen Beitrag zum Krieg in und gegen Syrien, der für mich längst mehr als ein "Konflikt" ist. Gut und interessant finde ich den Hinweis auf Den Haag 1986.
Nur an einem Punkt habe ich eine kleine Differenz zu Ihrer Sicht: "Die USA hätten dabei nach Lage der Dinge mit der Türkei vorerst nur einen hundertprozentig sicheren Verbündeten ..." Das mag vielleicht für die konkrete Variante Flugverbotszone gelten, aber ansonsten unterstützen die anderen westlichen Staaten wie Großbritannien, Frankreich und auch die Bundesrepublik ja in verschiedenster Weise ganz aktiv den verdeckten Krieg gegen Syrien für das Ziel des Regimewechsels und die US-Politik dabei. Das gilt ja auch bekanntermaßen für arabische Staaten wie Saudi-Arabien, Katar usw.
Im Schweizer Tages-Anzeiger erschien am 22. August ein interessanter Beitrag, der sich auch mit der Frage der Flugverbotszone beschäftigt.
Der Autor schreibt u.a., die syrischen Soldaten seien durch die Guerilla-Aktionen der "Rebellen" "zermürbt". Das gehört sicher auch zur Strategie des Krieges für den regimewechsel, die syrische Armee mit ihrer Widerstandskraft mürbe zu kämpfen, sie in zu zerreiben in nicht endenden Kleingefechten, für die sie eigentlich so nicht ausgebildet und ausgerichtet ist/war. Dafür werden die "Rebellen" immer wieder mit Waffen und Technik und anderen Mitteln von außen versorgt und das Waffenembargo gegen die syrische Rgeirung durchgedrückt bzw. letzteres versucht.
Es ist eigentlich kein "Getrampel", sondern ein weiteres Zündeln an diesem Krieg, aus welchem Motiv heraus auch immer. Wenn Obamas Kriegsdrohung nur dem Wahlkampf geschuldet sein sollte, sagt das Einiges aus über den US-Präsidentenwahlkampf und seine Qualität, wie pervers es da zugeht.
Sie wollen die Krieg, weil das Geldsystem den Krieg erzwingt!
Lutz, natürlich hat Lavrow recht wenn er von Wahlkampfgetöse spricht. Und die Aussage der "Kollaps des Systems Assad sei unabwendbar" ist genauso zutreffend. Die Clinton versucht seit Wochen potentielle Romney Wähler von der aussenpolitischen Macht der gegenwärtigen US Regierung zu überzeugen. Und die Angst das chemische Waffen in die Hände von den "Facebook-Revoluzern" bzw deren alQuida Killern gelangen könnten war der Grund warum Assad gewarnt hatte. Natürlich greift der keine anderen Länder an. Aber was wenn es sich wohlmöglich um Bestände aus den Arsenalen von Saddam handelt die dann nach Syrien gelangt sind? Diese chemischen Waffen wurden 1980 mit Hilfe von 24 US Firmen (u.a; deutschen Firmen) entwickelt. Es lohnt sich den Bericht der UNMOVIC von 2006 zu lesen. Frankreich, die sozialistische Regierung steht übrigens zu 100% hinter den "Facebook-Revoluzern". Aber OhBarma wird sich vor der Wahl nicht auf ein Scharmützel einlassen. Ich mag Deine historischen Verweise... Es wäre schön wenn Romney die Wahl gewinnt, der räumt schneller mit dem rudimentären demokratischen Grundverständnis auf, nicht so scheibchenweise wie der OhBarma. Vielleicht provoziert das schneller Widerstandsbewegungen.
Was fürn tösendes Geseich.
Mit Verlaub, Frau OhSkonto.
Kurzer Einblick in die Gemengelage, nämlich in die religiöse:
Das derzeitige syrische Estabishment bestimmen Aleviten. (Weil Assad klug ist, er lässt auch Sunniten und Christen an der Macht teilhaben.)
Zurück zu den Aleviten. Der Alevismus ging aus der Schia hervor, Aleviten sind also auch Schiiten.
Die meisten Kurden der Türkei und anderswo sind Aleviten.
Die Türkei wiederum muss eine auf sehr peinliche Weise sehr sendungsbewusste sunnitische Regierung ertragen.
Auch Al Kaida ist sunnitisch.
Der Westen allgemein, allen voran die USA, bekämpft die sunnitische Al Kaida überall, nur nicht in Syrien. Da unterstützt er Al Kaida und die mit ihr befreundeten anderen sunnitischen Schwadrone.
Israel wiederum sieht den schiitischen Iran als derzeitigen Hauptfeind.
In Frankreich mit seiner recht speziellen Kolonialgeschichte auch in Syrien wiederum zelebriert sich der sogenannte sozialistische Hoffnungsträger Hollande mit Bedrohungsszenaririen gegen Assad, hat aber womöglich andere Interessen im Sinn als etwa die USA.
bis jetzt führte ja noch fast jeder präsident einen krieg, wird zeit das obama auch endlich los legt, schließlich sind bald wahlen und wer weiß schon was da rauskommt. durch kriege konnten einige präsidenten ihre beliebtheit im lande steigern.
mittlerweile werden ja schon schlagartige argumente gesucht, wöchentliche massaker, die von den rebellen in guter regelmäßigkeit vermeldet werden, konnten die bomber noch nicht in bewegung setzen, also muß scheinbar wieder giftgas her.
wahrscheinlich hat obama auch gehofft, das die rebellen das diesmal allein schaffen und assad zusammenbricht, waffen und andere unterstützung bekamen sie schließlich genug, der westliche mainstream war auch für sie. aber scheinbar müssen nun doch wieder die amis ran, ob sie sich trauen steht auf einem anderen blatt, einen driftigen grund werden sie schon finden, wo dann auch die russen und chinesen weggucken werden. das spiel ist ja immer das gleiche und durchschaubar. zuerst muß das eigene volk überzeugt werden und mit greultaten und gruselgeschichten überzogen werden.
Da diese Information in den offiziellen Medien weltweit unterdrückt wird, möchte ich - ergänzend zum Artikel von Lutz Herden - darüber informieren, dass in Afghanistan ein Anschlag auf General Dempsey, Chef der Vereinigten Streitkräfte der USA, verübt wurde.
Dempsey hatte vor kurzem am Ende eines Blitzbesuches in Israel vor Journalisten sinngemäß gesagt, daß aus seiner Sicht "Israel nicht militärisch in der Lage sei, das iranische Atomprogramm zum Stillstand zu bringen, sondern nur zu verzögern".
Hier der Hintergrundbericht von Gordon Duff, Herausgeber der Website Veterans Today, bei PressTV, ein Insider in Militär- und Geheimdienstangelegenheiten:
http://presstv.com/detail/2012/08/22/257558/iran-war-and-the-general-who-said-no/
Allein die Tatsache der massiven Unterdrückung dieser Meldung spricht Bände über den Zustand der Medien in der "freien" Welt.
Auch das "Schiess-Vorkommnis" während des letzten Israel-Aufenthalts Hillary Clinton's schien diesen Medien "nicht der Rede wert" zu sein.
Gordon Duff zieht einen größeren Bogen in seinem Artikel, denn Präsident Obama könnte der nächste sein, da er sich bisher gegen einen amerikanischen Einsatz stellt.
Angesichts der kommenden Wahl und dem komplett auf Krieg gegen den Iran ausgerichteten Gegenkandidaten Romney ist dieses Attentat womöglich ein Vorbote auf kommende Entwicklungen.
Die USA sind doch schon lange an diesem Krieg beteiligt, mit CIA, OSA und vor allen Dingen Geld- und Waffenlieferungen! Der sogenannte "Friedensnobelpreisträger" Obama hat schon mehr Kriege und Morde angezettelt als sein Vorgänger G.W.Bush. Er hat die "rote Linie" schon lange überschritten! Und die nächsten Kriege führt er auch schon - gegen Nordkorea und den Iran sowie gegen Jemen!
Sie sollten nicht den immer wieder verbreiteten Fehler der Gleichsetzung der Alawiten mit den Aleviten wiederholen.
Die Familie Assad gehört zur Gemeinschaft der AlAwiten, die sich den Schiiten im Islam verbunden fühlt.
Die AlEviten sind eine andere dem schiitischen Islam verbundene Gemeinschaft, die aber hauptsächlich in der Türkei und dort besonders unter den Kurden ihre Anhänger hat, bzw. durch massive Auswanderung in Westeuropa.
weinsztein 24.08.2012 02:04 @Rosa Sconto Was fürn tösendes Geseich.Mit Verlaub, Frau OhSkonto.
Lieber Weinstein, wie kann Geseich Getöse sein? Gut, ok, Du sprichst kein Bayrisch. Aber das ist eben auch der Grund warum ich hoffe das ein Romneynator einen Putinator zur Seite gestellt bekommt damit Letzterer Lektionen in der Etablierung von Oligachrie geben kann. Beraterbusiness, ist doch seit 10 Jahren der Job, oder nicht?
Jedenfalls, was die chemischen Waffen und deren Teilhabe der USA & germanistanistanischen Firmen betrifft: gerade Sie, der als Regional-Journalist hier in der Region gearbeitet hat, sollte doch die Düsseldorfer Firma kennen, die Saddam und Geraffi die nötigen Aussrüstungen zur Produktion von chemischen Waffen verschafft hatte.
Und diese Kurden, diese indigenen Typen da, in der Türkei, dort allerdings Bergtürken genannt, sind und waren schon immer pflegeleicht. Und wenn die Osmanlis mal wieder zuviel Zicken machen, keine Sorge, die NATO wird schon dafür sorgen das es nicht ganz so doll wird...1980 hatte das auch funktioniert.
Danke!
Ich fürchte fast, dass die USA eingreifen, vielleicht brauchen wir mal eine europäische Monroe-Doktrin.
Es vergeht kein Tag,wo die sog.demokratische Welt mit Horrornachrichten aus dem Land der "Freiheit" bombardiert wird.Massenmord im Kino,Schießerei in NY,Mord und Totschlag im ganzen Land.Will etwa der "Friedensengel" Obama diese Wild-West-Demokratie in andere herbeibomben?Er sollte erst einmal in seinem eigenen Land für zivile Ordnung sorgen,als in anderen Ländern das Wild-West-Recht einzuführen.Es ist einfach nur abstoßend!
Danke Josse,
diese Differenzierung zwischen Alawiten und Alewiten kannte ich nicht.
Was glauben Sie - sind türkische Aleviten im Falle eines Krieges den türkischen Sunniten näher als den syrischen Alawiten?
@Rosa Skonto
1.) auf "tösendes Geseich" beanspruche ich Urheberschutz wegen Brillanz.
2.) Nun: "Romneynator" & "Putinator" - sind Sie evtl. bescheuert?
3.) Es heißt "Bayerisch".
Die Frage ist nicht so einfach zu beantworten, da die Aleviten hauptsächlich in der Türkei, dem Nordirak und der nördlich Grenzregion von Syrien leben. Da sie mehrheitlich wohl Kurden sind, werden sie wohl ihre ganz eigenen Interessen, nach einem eigenen kurdischen Staat, verfolgen. Das wird der Türkei dann vielleicht mehr zu schaffen machen als dem Rest von Syrien.
Falls Syrien zerfallen sollte, ist es wahrscheinlich, dass die Alawiten sich im Küstenbreich Syriens konzentrieren werden, wo sie ihr Hauptsiedlungsgebiet haben, in der Nachbarschaft ihrer Glaubensbrüder im Libanon.
Ein lesenswerter (älterer) Artikel zu Alewiten und Alawiten steht im österreichischen STANDARD
http://derstandard.at/1311802788208/Neu-Gudrun-Harrer---Analysen-Alawiten-sind-keine-Aleviten
Danke für den Hinweis, vor allem was die möglichen Entwicklungen in einem autonomen kurdischen Gebiet auf syrischem Boden angeht.