Die deutsche Regierung war zwar dafür, dass es den jüngsten Angriff auf Syrien gab, wollte aber nicht dabei sein. Zumindest militärisch nicht. Nur weshalb, wenn man doch ansonsten überzeugt ist, dass Trump, Macron und May das Richtige getan haben? Am schlechten Zustand des fliegenden Materials der Bundesluftwaffe kann es schwerlich liegen. Die ist bei anderen Missionen im Nahen Osten sehr aktiv. Deren Luftaufklärung hatte Anteil daran, dass US-Kampfjets große Teil Mossuls vor einem Jahr in Schutt und Asche legen konnten, um den IS zu vertreiben, nicht ohne vorher Tausende Zivilisten unter den Trümmer ihrer Häuser ersticken zu lassen. Es kann also nicht daran liegen, dass sich Deutschland militärisch nicht hinreichend satisfaktionsfähig fühlt, um auf Syrien Raketen abzuschießen.
Den Kriegsstrick drehen
Aber Kanzlerin Merkel kennt die Umfragen und weiß, dass nur 15 bis 20 Prozent der Deutschen eine gewalttätige Eskalation des Westens in Syrien gutheißen, und dass eine Verstrickung in diesen Bürger- und Stellvertreterkrieg höchst unpopulär ist. Außerdem dürfte kaum jemandem entgangen sein, was und wie viel von Libyen übrig blieb, seit dort 2011 die NATO aus der Luft intervenierte. Also ist Vorsicht geboten. Deshalb heißt Bündnistreue nicht Waffenbrüderschaft. Das erinnert an den Spätsommer 2013, als sich der damalige US-Präsident Obama auf die Rote Linie eines Luftschlages gegen Syrien zubewegte. Merkel steuerte seinerzeit einen ähnlich irrlichternden Kurs, der auf politische Anteilnahme, aber militärische Abstinenz hinauslief. Wenige Wochen vor der Bundestagswahl am 22. September 2013 konnte allzu bellizistisches Gebaren Wählerstimmen kosten. Besser nicht den Kriegsstrick drehen, wenn einem daraus selbst ein Strick gedreht zu werden verspricht. Opportunismus kann als existenzsicherndes Verhalten verständlich sein – als Haltung ist das verwerflich, wenn die völlig prinzipienlos gerät.
Will heißen, wer die Beteiligung an einem Angriff auf Syrien absagt, ist nicht feige, sondern glaubwürdig, sofern damit klar zum Ausdruck gebracht wird: Dieser interventionistische Eingriff ist allein deshalb abzulehnen, weil damit erneut Völkerrecht beschädigt und gebrochen wird. Es wirkt zynisch und ist eine Beleidigung von Vernunft und Verstand, wenn Außenminister Maas keine 48 Stunden nach einer Kriegshandlung, die er gutheißt, zur Syrien-Diplomatie zurückkehren will. Wie soll das jemandem abgenommen werden, der kein Problem damit hat, dass enge Verbündete die UN-Charta wie einen Anachronismus behandeln? Was soll die Phrase von der Einbeziehung Russlands, wenn absolut nichts getan wird, um ein Minimum an Vertrauen wiederherzustellen?
Ein Beispiel geben
Seit Jahren deklamieren Politiker des Regierungslagers, Deutschland müsse mehr internationale Verantwortung übernehmen. Jetzt wäre die Gelegenheit. Nicht in der Rolle des Beifahrer auf dem Trittbrett militärischer Abenteurer, sondern eines Staates, der sich dagegen verwahrt, dass eine Weltordnung immer mehr Chaos und Anarchie verfällt, der das Recht nichts mehr anhaben darf.
Ein Beispiel dafür, dass man verheerenden Fehlentscheidungen nicht aus Bündnisräson folgen muss, haben Frankreich und Deutschland – Präsident Chirac und Kanzler Schröder – im Frühjahr 2003 geliefert. Als der damalige US-Präsident Bush mit einer „Koalition der Willigen“ (ganz vorn dabei auch damals ein britischer Regierungschef – der Labour-Premier Blair) einen Angriff auf den Irak befahl, verweigerten sie sich. Und sie taten das an der Seite Russlands und Präsident Putins. Das verschaffte Ansehen und außenpolitisches Gewicht. Denn schon bald nach dem Irak-Einmarsch war erkennbar, dass die USA eine Büchse der Pandora geöffnet und ein ganzes Land in den Abgrund gerissen hatten.
Wenn Kanzler Schröder einem George Bush Paroli bot, der sich als imperialer Überzeugungstäter gerierte, wie leicht sollte es dann erst Angela Merkel fallen, sich Donald Trump zu widersetzen, der als Inkarnation irrationaler Geltungssucht sein Unwesen treibt? Wenigstens einen Sondergipfel der EU hätte sie doch anregen können. Wo bleibt die EU mit ihrer einst deklarierten Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik? Die sollte im Einvernehmen mit dem Völkerrecht betrieben werden und nicht ausgerechnet dann ein Schattendasein fristen, wenn EU-Staaten wie Frankreich und Großbritannien genau dagegen verstoßen.
Kommentare 36
Herr Herden,
bitte informieren sie sich doch einmal, was Anarchie eigentlich ist, bevor sie den begriff das nächste mal verwenden.
Wollen sie ernsthaft bestreiten, dass die internationale Ordnung derzeit anarchische Züge aufweist? Ich hoffe, Sie wollen das nicht.
Ich kann sie nur nochmals auffordern, sich zu informieren, was Anarchie ist. Was sie vermutlich meinen, nennt sich Anomie.
Anarchie ist nicht Chaos.»
«Anarchie ist nicht Chaos.» (David D.Friedman)
Die internationale «Ordnung» (sic!) weist chaotische Züge auf, die aber eben gerade nicht durch eine Abwesenheit von Herrschaft(sinteressen), der Haupteigenschaft von Anarchie, hervorgerufen/bestimmt sind.
Helge Bauer hat wohl recht.
Guter Artikel.
Einige der richtigen Fragen an die Politik wurden genannt. Fragen, die die Politik von sich aus stellen sollte. Da die Politiker in diesem Bereich versagen ist es die Aufgabe der Journalisten diese Fragen mit Nachdruck zu formulieren. Und die Leser sollten sich damit beschäftigen und sich fragen, ob unsere Volksvertreter ihren Job noch ausreichend erfüllen.
Eines fehlt mir allerdings im Artikel. Wir haben uns zwar beim Irakkrieg zurückgehalten, aber meines Wissens ca. 20 Milliarden an die USA als Kriegsbeteiligung überwiesen.
Frau BK Merkels Kochkunst nicht " Regierungskunst" ...
.... hat damals 2006? doch auch Kriegslügner ( Irak ) George W. Bush. zum bestbewachten Grillfest des Jahres in`s vorpommerschen Dorf Trinwillershagen eingeladen … es gab Wildschwein! Dauert sicherlich nicht lange da dürfen auch Macron -Trump – May in die Sau - aber “angemessen“ beißen! So n`e lustige Runde von Völkerechtsverletzer und Schwindler – das hat doch was.
Sehr guter Beitrag.
>>Deren Luftaufklärung hatte Anteil daran, dass US-Kampfjets große Teil Mossuls vor einem Jahr in Schutt und Asche legen konnten,…<<
Auf die stille Teilhabe der BRD an Kriegen kann gar nicht oft genug hingewiesen werden.
>>Aber Kanzlerin Merkel kennt die Umfragen und weiß, dass nur 15 bis 20 Prozent der Deutschen eine gewalttätige Eskalation des Westens in Syrien gutheißen, und dass eine Verstrickung in diesen Bürger- und Stellvertreterkrieg höchst unpopulär ist.<<
Wichtig ist es, alle Antifriedenspolitik vor der nächsten Bundestagswahl noch mal zu erinnern. Dazu gehört auch die verbale Teilnahme, mit der die Bundesregierung eine Vermittlerrolle für sich gleich ausgeschlossen hat. Es sollte doch möglich sein dass die Umfrageergebnisse sich auch in Wahlergebnissen niederschlagen.
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>>Wenn Kanzler Schröder einem George Bush Paroli bot…<<
Auch hier noch mal der Hinweis: Eine wichtige Entscheidungshilfe für die damalige Bundesregierung dürften die grossen Demonstrationen im Wahljahr 2002 gewesen sein.
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>>…Chaos und Anarchie…<<
„Chaos und Barbarei“ wäre sicher die bessere Wortwahl gewesen, auch wenn die Meisten ahnen wie es gemeint ist.
nun lassen se doch mal den herrn herden in ruhe, bloss weil er im eifer des gefechts 'anarchie' im völkstümlich-umgangssprachlichen sinne verwendet hat… sie haben ihn doch trotzdem verstanden, oder? - ;;) schöner text. danke.
O.k. Aber zusätzlich tut Herr Herden ja auch noch so,als ob nicht genau diese Vasallentreue zur US-/-Natopolitik erst seit voriger Woche Dogma deutscher Aussenpolitik wäre.
Was ist (z.B.)mit den ohne Ramstein nicht möglichen Drohnenterrorismus der USA? Mit dem Schweigen zur Aggression des NATO-«Partners» Türkei in Syrien?
»Schöner» Text, ja. Aber vielleicht etwas zu naiv?
Der Artikel behandelt ein bestimmtes Thema, und das durchaus umfassend kritisch. Ausser den 2 monierten Unsachlichkeiten (falsche Verwendung des Begriffes Anarchie und die Gegenüberstellung: derzeitige Bundesregierung liest Umfragen, "S"PD/Grün hat 2002 ohne Druck von unten entschieden) sehe ich keinen Grund für Einwände. Man muss nicht in jedem Thema Alles behandeln.
Der Beitrag sollte nicht beckmesserisch gelesen werden. Er verweist auf den dringendsten Punkt, an dem politisches Handeln ansetzen muß, die nur opportunistisch geheuchelte Zurückhaltung einerseits, Vasallentreue andrerseits. Das können und sollten wir uns nicht mehr leisten. Wo bleibt die Initiative im Bundestag, die Initiierung einer Kampagne, wo der gemeinsame Antrag von Linkspartei und Grünen (wenn die schon einmal sich gegen ihre sonstigen Gepflogenheiten pazifistisch geben), eine Abstimmung, in der man sich nicht scheut, auch die AfD-Stimmen einzusammeln und die SPD in Gewissensnot (bzw opportunistisches Dilemma) zu bringen?
Also, wenn ich das so lese, wird immer deutlich, dass "Opportunismus" wohl ganz o.k. ist. Allerdings darf es keine Frau sein, die opportunistisch ist.
Sie bedient da eine Menge an politischen Loyalitäten und muss trotzdem nicht militärisch zugange sein. Super. Die kluge Bauerntochter war das mal wieder. "Nicht gefahren, nicht gelaufen, nicht angezogen und nicht nackig". Na, lesen Sie mal das Märchen nach.
Angela Merkel kann das prima: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass".
"Jetzt wäre die Gelegenheit. Nicht in der Rolle des Beifahrer auf dem Trittbrett militärischer Abenteurer, sondern eines Staates, der sich dagegen verwahrt, dass eine Weltordnung immer mehr Chaos und Anarchie verfällt, der das Recht nichts mehr anhaben darf."
Jajaja, das ist Stammtisch für Gebildete.
Demnächst jedenfalls trifft Merkel sich wohl mit Putin - telefoniert wurde schon .
Und - ich schwör - da wird sie solche Deklamation tunlichst vermeiden, wenn sie schlau ist.
@Magda: Könn(t)en Sie (für mich als Spätmerker) Ihren Kommentar etwas einfacher/genauer formulieren?
Mir erschliesst sich nämlich nicht der Hauptadressat Ihrer Kritik. Ist es der (Ihrer Ansicht nach mysogyne?) Blogverfasser? Frau Merkel?
Und sind Sie wirklich der Auffassung, das die Haltung unserer Regierung zur Kanonenbootpolitik einiger Verbündeter (nur) unter Opportunismus einzuordnen ist?
"Also, wenn ich das so lese, wird immer deutlich, dass "Opportunismus" wohl ganz o.k. ist. Allerdings darf es keine Frau sein, die opportunistisch ist."
Für Dich wird offenbar jede Kritik an Merkel nur noch laut, weil sie eine Frau ist.
Nimm' es bitte nicht übel - aber das ist Gespenster-Sehen. Ich möchte sehen, wo dem Text Herdens zu entnehmen ist, dass Merkels Handeln - bzw. Nicht-Handeln - als das einer Frau markiert wird.
Ich möchte sehen, wo dem Text Herdens zu entnehmen ist, dass Merkels Handeln - bzw. Nicht-Handeln - als das einer Frau markiert wird. Ist es, weil Schröder, das Alpha-Männchen, mit der seinerzeitigen Ablehnung einer Irak-Kriegs-Beteiligung in Stellung gebracht wird? Sag' da jetzt bitte nicht "ja"!
Man muss wahrlich kein Freund Schröders sein, um wenigstens diese damalige Entscheidung gutzuheißen.
Herden hat überaus vernünftige Argumente, warum es gerade im Falle der Rolle des Westens in Syrien endlich einer klaren Politik bedarf. Kann das von einer Bundeskanzlerin nicht verlangt werden? Oder kann es wenigstens, wenn sie auch dieses Mal eben nicht mit einer klaren Politik anfängt, kritisiert werden?
Richtig ist, dass Merkel sich wahrlich genug ad personam anhören musste und muss. "Ossi, Frau, FDJ ..." - wir kennen das alles. Wo in diese Richtung Zielendes im Text Herdens zu erkennen sei, wäre allerdings zu zeigen.
Völkerrechtsbruch befürworten ist also "politische Loyalität". Kalte Kriegs Propaganda und gegen andere Länder kriegerisch und verleumderisch hetzen ohne jeglichen Beweis ist Politik einer "klugen Bauerntochter".
Man lernt nie aus.
Setze ich das ganze mal in eine Beziehung zu ökonomischen Hintergründen, dann komme ich zu dem Schluss dass die Bundesregierung zwischen den Blöcken laviert.
Am augenfälligsten ist das beim Gas: Einerseits laute Zustimmung zum US/F/GB-Angriff, was ja auch als Theaterdonner in Richtung Russland verstanden werden kann. Plus erneute Zusage an die USA, Flüssiggasterminals für ihr Gas zu bauen. Konkret läuft währenddessen Nord Stream 2, was den USA gar nicht gefällt.
Aber hinter der Kulisse läuft noch mehr: Linde baut in Ostsibirien im Gasprom-Auftrag eine grosse Erdgasdestillationsanlage und wird nach der Fertigstellung (vsl 2021) von dort Helium beziehen. Ein ähnliches Projekt ist an der Ostseeküste geplant.
Die russische Bahn baut ihr Netz zügig weiter aus, und Siemens liefert Hochgeschwindigkeitszüge.
Man könnte mit etwas Rechercheaufwand sicher noch mehr Geschäfte BRD/Ru finden.
Die Bundesregierung stimmt lautstark völkerrechtswidrigen Angriffen zu, unterstützt ein bisschen mit Luftaufklärungsdaten macht beim Säbelrasseln an der russischen Westgrenze mit und mosert nicht dagegen, dass die Ramstein air base immer noch Besatzerstatus hat. Untendrunter laufen die Geschäfte mit Russland.
Stinknormaler Kapitalismus, oder?
Die Nachkriegsordnung in Ost und West ist zunehmend in Auflösung begriffen. Nationalismus ist in vielen Ländern wieder im Vormarsch. Die Globalisierung hat scheinbar Ihre Grenzen erreicht. Die alte Ordnung hat weltweit eine einzigartige Vermögenskonzentration begünstigt. Eine neue Ordnung ist nicht in Sicht. Wie die Geschichte lehrt, eine Situation, in der kriegerische Auseinandersetzungen mit allem, was dazu gehört, dieser Unübersichtlichkeit und Unberechenbarkeit wieder neue Strukturen geben könnten. Interessant für diejenigen, die im aktuellen Verfall der Strukturen für sich eine Bedrohung sehen. Vor diesem Hintergrund macht - für interessierte Kreise - auch ein Präsident Trump Sinn!In der aktuellen Politik erleben wir wieder zunehmend Situationen, in denen Themen hochgepeitscht werden - wie z.B. die Rußland angelastete Skripal-Affäre in Groß-Britannien, der Baschar al-Assad angelastete Giftgaseinsatz in Syrien, diverse Cyber-Angriffe (sind die Enthüllungen von Swowden schon vergessen?) -, die von interessierten Kreisen zur Eskalation genutzt werden bis zur Angriffsdrohung Trumps gegen Rußland allein auf Basis von Vermutungen, sicher nicht auf der Basis von Beweisen. Ein bekanntes Muster, das die Amerikaner schon im Zusammenhang mit dem Irak-Krieg vorgeführt haben. So sollen zunächst einmal wieder sich auflösende Reihen gegen einen gemeinsamen Feind geschlossen werden.Mich erschreckt, dass unsere Kanzlerin sich - und damit Deutschland - ohne Beweise - auf die Seite derer stellte, die die Eskalation gegen Russland systematisch vorantreiben, auch wenn sie neuerdings eine deutsche Beteiligung an militärische Aktionen gegen Syrien ablehnt. Dennoch hat sie - zusammen mit ihrer Verteidigungsministerin von der Leyen - vorauseilend und willfährig Trumps Forderung nach einer drastischen Erhöhung der Verteidigungsausgaben antizipiert. Eine kriegsgefährliche Politik! Da wünschte ich mir SPD-Kanzler Schröder zurück, der - übrigens gegen die damalige Oppositionsführerin Merkel - Deutschland mutig aus dem Irak-Krieg herausgehalten hat! Aber die heutige SPD schaut mutlos und hasenfüßig den kriegsgefährlichen Machenschaften von Merkel und von der Leyen zu!Und unsere Medien? Sind seit geraumer Zeit weitgehend geschlossen wieder auf der Seite derer, die ihre Interessen bedroht sehen (vgl. https://www.freitag.de/autoren/sigismundruestig/massenmedien-in-deutschland-2 ).Bald wieder Krieg in Deutschland?https://youtu.be/sBom50KrkBk
Input durch einen Völkerrechtler erbeten – Rede des MdB Graf Lambsdrof, Syriendebatte im Bundestag am 18. April 2018
Als Antwort auf den Baschar al-Assad angelasteten, angeblichen, und behaupteten Giftgaseinsatz in Syrien ein Raketenangriff von USA, E und F bei Gutheißung durch die Bundesregierung.
Dem auch hier – zurecht?! – erhobenen Vorwurf der Völkerrechtswidrigkeit begegnete gestern im Bundestag Graf Lambsdorf mit dem schlichten Hinweis auf die UNO Resolution 2118; diese habe nach dessen Auffassung den Luftschlag gerechtfertigt. Der Graf gab hierzu keine weitere, tiefere Begründung. Soweit ersichtlich ging keiner der ihm nachfolgenden Sprecher auf sein Statement ein. Es steht dem FREITAG gut zu Gesicht, insoweit Klarheit zu schaffen.
Hier ist der Link zu dieser Resolution aus dem Jahr 2013. Der Graf bezog sich wohl ("am Ende") auf Ziffer 21. Diese lautet:
Der Sicherheitsrat
" 21. beschließt, im Falle der Nichtbefolgung dieser Resolution, einschließlich eines unerlaubten Transfers chemischer Waffen oder jedes Einsatzes chemischer Waffen in der Arabischen Republik Syrien, gleichviel durch wen, Maßnahmen nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen zu verhängen;
(22. beschließt, mit der Angelegenheit aktiv befasst zu bleiben).
http://www.un.org/depts/german/sr/sr_13/sr2118.pdf
Soviel zum Umgang eines prominenten Vertreters der FDP mit den Gegebenheiten.
Liest hier ein Völkerrechtler mit? Der uns allen diese doch nicht alltägliche Materie präzise näher bringen kann und will?
Auch und gerade über die äußeren Zweifel (Gab es überhaupt einen Giftangriff? Falls ja, durch wen? Wurden Maßnahmen nach K. VII durch den SiRat tatsächlich verhängt?) hinaus?
Vielen Dank.
Es gibt glaube ich 2 Probleme. Von verschiedenen Seiten, anscheinend auch Ärzten und Augenzeugen war es kein Giftgasangriff. Zum anderen scheint das vermutete Chlorgas nicht als chemische Waffe geführt zu sein. Evtl. deswegen, weil Chlor in der allgemeinen chemischen Industrie hergestellt und verarbeitet wird.
>>...weil Chlor in der allgemeinen chemischen Industrie hergestellt und verarbeitet wird.<<
Zur Verdeutlichung: Jahresproduktion ca. 50 Mio. Tonnen.
Aber mit dem sich abarbeiten an Details werden wir uns einem Verständnis des Problems nicht annähern können. Wie auch im Fall Skripal.
Viweil Chlor in der allgemeinen chemischen Industrie hergestellt und verarbeitet wird.
Vielleicht sind die offiziellen Darstellungen, Begründungen für Angriffe und Konfliktverschärfungen genau deswegen so extrem unplausibel, damit sich alle drauf stürzen und nicht über die zugundeliegenden Probleme nachdenken?
Wie mans nimmt. Es geht häufig um Spitzfindigkeiten. Aber darauf werden ganze Gebäude errichtet. Die Unbestimmtheit von Gesetzen leistet da Vorschub. Aber wenn es um ja oder nein geht spielt es eben eine Rolle, ob etwas in Vereinbarungen explizit genannt ist oder nicht. Ein Krieg kann davon abhängen bzw begründet werden. Ist bei normalen Gerichtsprozessen ja ebenso.
Dieser Scharfmacher Graf Lambsdorf hat mit dem Verweis auf 2118 Unrecht und das weiß er auch.
Alle Artikel (39 bis 51) zum Kapitel VII der Charta der VereintenNationen zum Thema "Maßnahmen bei Bedrohung oder Bruch des Friedens und bei Angriffshandlungen" beinhalten jeweils die Bestimmung, dass in jedem der in den einzelnen Artikel vorliegenden Fällen der Sicherheitsrat zu beraten, zu beschliessen und aktiv zu werden hat.
Sie und ich und alle wissen, wie ein Beschluss des Sicherheitsrats funktioniert.
Dazu muss man kein Völkerrechtler sein. Es gibt keine Willkürautomatik, sondern der Sicherheitsrat hat die Maßnahmen zu beschließen, die in jedem der in den einzelnen Artikeln aufgeführten Fälle festgelegt sind.
Wie gesagt, es ist zu beschliessen. Und wie die Beschlüsse des Sicherheitsrates zustande kommen dürfen, darüber sollte doch jeder politisch interessierte Zeitgenosse hinreichend informiert sein.
Der Graf lügt!
>>Ein Krieg kann davon abhängen bzw begründet werden.<<
Ja schon. Aber damit ist nicht der Krieg erklärt. Vor 1990 wurden die „Stellvertreterkriege“ mit der Konfrontation USA/SU bzw. NATO/Warschauer Pakt erklärt.
Den Block „Warschauer Pakt“ gibt es nicht mehr, also hätte die we$tliche W€rtegemeinschaft keinen Grund mehr, so herumzumarodieren. Wenn es nicht einen neuen ökonomischen Block gäbe, „BRICS“ genannt. China, Russland, Indien, Brasilien und Südafrika. Dieser Block, dem sich eventuell Weitere anschliessen, wird im 21. Jahrhundert ökonomisch dominieren, und „der Westen“ kämpft gegen den Abstieg. Der Unterschied zu früher ist, dass es diesmal zwei in ihrer kapitalistischen Ökonomie sehr ähnliche Blöcke sind, deren einer aufstiegt während der Andere seinen Zenit überschritten hat.
Das ist jetzt meine These und man könnte Weitere erstellen und dann die Plausibelste nach vorne stellen. Bis jetzt scheint sie die Einzige und unwidersprochen zu sein.
Ich habe oft den Eindruck, dass wir Normaluntertanen zwischen Einzelereignissen herumeiern, aber nicht wissen (wollen), in welcher globalen Situation, in welchen Entwicklungen wir uns befinden.
In der heutigen gemeinsamen Pressekonferenz Macron Merkel hat Macron frei weg ausgeplaudert, warum er ihr erlaubt hat, am Völkerrechtsbruch nicht teilzunehmen und nur "in der Rolle des Beifahrers auf dem Trittbrett militärischer Abenteurer" zu bleiben.
Er habe natürlich vorher mit Merkel beraten, aber leider sei es Merkel nicht möglich, so schnell am Parlament vorbei einen solchen Beschluss zu fassen, wie es Macron, May und Trump möglich sei, das Parlament zu umgehen. Sie wollten auf die so lange Bundestagsberatung nicht warten.
Auf Youtube findet man "Pressekonferenz mit Angela Merkel und Emmanuel Macron am 19.04.18".
Wir wissen ja, wie böse Merkel war, dass Schröder gegen Irak nicht mit Bush zusammen bomben wollte.
Scheiss Parlamentsvorbehalt aber auch. Auch Uschi wollte doch längst "mehr Verantwortung übernehmen".
Schlimm, schlimm, den Frauen auf ihrem Weg zum Durchstoßen der Glasdecke werden auch immer wieder Steine in den Weg gelegt, wie Du beklagst.
>>Sie wollten auf die so lange Bundestagsberatung nicht warten.<<
Plausibel: Mit der Spuren- bzw. Nichtspurenvernichtung kann man nicht lange warten. Deswegen ja auch der schnelle Angriff vor einem Jahr. – Allerdings könnte ein Angriff auf eine chemische Fabrik zur Freisetzung der dort hergestellten Substanzen führen, wie ja schon mehrfach angemerkt wurde. Wenn Chlorgas freigesetzt würde, liesse sich das wohl kaum aus den Nachrichten heraushalten. Man kann also davon ausgehen, dass die Angreifer wussten was sie angreifen.
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Ich bezweifle nicht, dass die GroKo sich im Rahmen ihrer technischen Möglichkeiten beteiligt hätte: Die nächste Bundestagswahl ist weit genug entfernt. Und die Geschäfte mit Russland wären dadurch kaum mehr beeinträchtigt worden als durch das Propagandagetöse.
Sogar 2001 war die Wahl noch so weit entfernt, dass die Bundesregierung kein Problem mit einer Beteiligung am Afghanistankrieg hatte. Erst im Wahljahr 2002 hielten sie aufgrund der deutlich demonstrierten Antikkriegsstimmung eine Absage an die USA für besser. Eine für „S“PD/Grün verlorene Wahl hätte die zügige Umsetzung ihres Hauptprojektes Agenda 2010 gefährdet. Da dürften sie auch unter dem Druck von Lobbyisten gestanden haben.
Ich habe mir jetzt den gesamten Thread "reingezogen" und beim Lesen meinen unmittelbaren Einwand gegen Ihren Artikel Herr Herden nicht gefunden.
Darum als Nachklapp diesen Einwand, der auch vielen der Kommentatoren widerspricht.
Die Haltung Merkels macht doch vor allem deutlich, welchen aussenpolitischen Spielraum Deutschland im Verhaeltnis zu den USA hat.
Deutschland konnte sich gerade mal aus den aktiven Kriegshandlungen raushalten, mehr nicht und nicht "demonstrativ". Darum diese parallele "Verstaendnis-Oper".
Das ist den dt. Erz-Atlantikern zu viel und den Linken zu wenig. So kanns kommen.
Merkel macht eben "Realpolitik" und die hat enge Grenzen.
Immerhin haben die Deutschen, anders als auf dem Balkan oder in Afghanistan, diesmal eben nicht geschossen. Ist das denn nichts?
Wichtiger als verbale Abgrenzung von den Luftangriffen, ist m.E. die oekonomische Zusammenarbeit mit Russland.
"Allerdings könnte ein Angriff auf eine chemische Fabrik zur Freisetzung der dort hergestellten Substanzen führen, wie ja schon mehrfach angemerkt wurde. Wenn Chlorgas freigesetzt würde, liesse sich das wohl kaum aus den Nachrichten heraushalten. Man kann also davon ausgehen, dass die Angreifer wussten was sie angreifen."
Die wissen es, definitiv, dass keine Gefahr bestand, dass beim Bombenangriff Gift in die Umgebung und auf die Bevölkerung losgelassen würde. Dass die Behauptung, es handle sich um Chemiewaffen entwickelnde, produzierende oder lagernde Objekte, erstunken und erlogen ist, denn die Regierungssprecherin hat es auf der Bundespressekonferenz deutlich bestätigt:
Als der Journalist von Sputnik, die gleiche Frage stellte wie Sie, ob man einfach die Gefahr hinnehme, wenn man Ziele bombardiere, die angeblich von dieser Art seien, antwortete die Regierungssprecherin:
"Sie selber sagen ja 'angeblich'."
Man stelle sich das mal vor.
Sie wissen es! Und sie sind auch noch rotzfrech!
"Immerhin haben die Deutschen, anders als auf dem Balkan oder in Afghanistan, diesmal eben nicht geschossen. Ist das denn nichts?"
Da wir leider nicht in Australien wohnen, sondern mitten in einem der potentiellen Atombombenzielgebiete, ist zumindest mir und sollte wohl allen in Deutschland, Europa, Russland und USA derart kriegstreiberische "Realpolitik" tatsächlich wie "... den Linken zuwenig" sein.
Natuerlich wuenscht man sich mehr als "nur" Realpolitik. Ich auch. Geht aber noch nicht. Erst muss usa das Maul halten.
Mal zur Klaerung:
Westeuropa ist seit 70 Jahren "Atombombenzielgebiet". Der aussenpolitische Spielraum der europ. Staaten war so begrenzt, dass die Europa-Vernichtungsstrategie der USA der Bevoelkerung nicht mal gesagt werden durfte. (Darum bin ich letztendlich aus D weggegangen...)
Einzig Willy Brandt hat mal versucht daran was zu aendern. Ganz kleine Schritte. Und dann war er auch schnell abgesetzt....
Aehnliches versuchte jetzt auch Merkel, indem sie beispielsweise die Bundeswehr personell und materiell "verkommen" liess. "Sorry auch die Verteidigung muss sparen..."
Merkel's Europapolitik fand ich immer zum kotzen. In der Sicherheitspolitik hat sie was probiert.
Achso: mit "richtigen" Woertern veraendert man in der Politik nix. Nur mit den richtigen Aktionen, selbst wenn sie eher "klein" sind.
“Merkel macht eben "Realpolitik" und die hat enge Grenzen.“
Sie hat sich loyal ggn.über den “Partnern“ gezeigt. Ob Merkel, oder auch Uschi oder der Maas, vielleicht gerne mitgeschossen hätten, wissen wir nicht. Tatsächlich - was ich anfangs auch gar nicht auf dem Schirm hatte - hätte(n) sie gar nicht kurzentschlossen schießen können, weil das in D durchs Parlament muss. Macron weist in der Pressekonf. - dank an Andi Arbeit für die Mitteilung! - auf diesen Umstand hin; und zwar so, als sei nur das der Grund gewesen, dass D nicht dabei war. Und Merkel nickte dazu. Aber trotzdem: Gut, dass “wir“ bisher nicht mitschießen. Eine Parlamentsdebatte dazu gibt es - soweit ich sehe- auch noch nicht.
Aha "richtige" und "kleine" Aktionen:
Sowas wie Rüstung an Kriegslustige verticken, Sanktionen von allen EU-Staaten gegen missliebige andere Staaten und Bevölkerungen erzwingen, Botschaftspersonal ausweisen.
Ok, ok. Schoenen Sonntag.
Danke, ebenfalls. :-)
>>Macron weist in der Pressekonf. - dank an Andi Arbeit für die Mitteilung! - auf diesen Umstand hin; und zwar so, als sei nur das der Grund gewesen, dass D nicht dabei war.<<
Wahrscheinlich hat der Macron recht: Mit ihrer lauten Zustimmung zum Angriff demonstrierte die GroKo ja dass sie im Geiste mitgebombt hat.