Gender-Gespenster-Debatten

Antifeminismus Die Kommentare zu einem Beitrag von Marlene Hobrack haben mich erschreckt, aber auch motiviert, etwas zu schreiben

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

So ginge es ja auch
So ginge es ja auch

Foto: Kena Betancur/AFP/Getty Images

Dass sich Frauen – ungefragt – mit Überlegungen zum Thema weibliche Reproduktionsfähigkeit befassen und dabei viele Fragen zum Diskurs anmelden sei ein Zeichen für „Wohlstandsverwahrlosung“ habe ich kürzlich gelesen. Dazu erfolgte die Empfehlung, die "wohlstandsverwahrlosten" Netzfeministinnen sollten doch mal das Problem der Feminizide in Mexiko augreifen statt sich mit sinnlosen Gender-Fragen zu plagen, die ohnehin niemand interessierten.

Das ging mir nach und ich frage mich, ob Männer, die sich so unbesorgt an die Seite von Leuten wie Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban oder dem polnischen Präsidenten Andrzej Duda stellen, die der Genderforschung den Kampf angesagt haben, überhaupt wissen worüber sie reden.

Anti-Gender-Querfront

Sie wiederholen eisern die falschen und irreführenden Behauptungen, die von einer Zwangsvereinheitlichung des Geschlechts und überhaupt von einem Wahn sprechen, dem entgegen zu treten sei, obwohl nicht ganz klar ist, wem denn da entgegen zu treten ist. Immer deutlicher zeichnet sich besorgniserregend ab, dass es vor dem Hintergrund einer merkwürdigen Anti-Gender-Furcht (was immer das sein mag) zu einer Art recht festgefügten "Querfront" kommt. Die AfD mit ihre Gender-Gespenst-Rhetorik hat in ihnen willige Parteigänger. Und das kann schon sehr ängstigen.

Instrument der Machtsicherung

Zurück zum freundlichen Hinweis auf wirkliche Probleme von Frauen z. B. in Lateinamerika: Gerade dort, gerade in den Ländern eines Jahrhunderte alten gepflegten Machismo, der Frauen als Wesen zweiter Klasse betrachtet und sich in unbegrenzter Gewalt äußert, hat der Feminismus und haben Gender-Fragen sich einen wesentlichen Platz erkämpft. Diese Entwicklung ist in großer Gefahr, denn alle rechtsgerichteten diktatorischen Regime malen das – wohlbekannte – Gender-Gespenst an die Wand, um die eigene Macht zu sichern. Entsprechende Beispiele dafür sind z. B. Mexiko und Kolumbien, in denen demnächst Wahlen anstehen.

Zu den Rechten, die die Anti-Gender-Kreuzritter besonders gern beschneiden und bekämpfen gehört die Selbstbestimmung über den eigenen Körper: .Der Umgang mit den reproduktiven Fähigkeiten von Frauen spielt bei ihnen eine große Rolle wie. z. B. die brutalen Zwangssterilisierungen von Frauen im ländlichen Peru in den 1990er Jahren belegen, gegen die Frauen protestierten.

„ Bei hiesigen Debatten über Frauenrechte und Emanzipation wird oft der Eindruck vermittelt, dass es im „fortschrittlichen Westen“ sehr gut um die Rechte von Frauen bestellt sei. Zum Vergleich werden andere Weltregionen angeführt, in denen noch viel weniger von Geschlechtergerechtigkeit die Rede sein könne.

Doch bestimmte Entwicklungen sind universell. Rechte Ideologen wettern überall immer lauter gegen „Gender-Wahn“ und auch in Lateinamerika werden neue vehemente Kämpfe geführt, gegen sexuelle Belästigung, für Frauenrechte, für Gleichheit. Die dortigen Kampagnen und Bewegungen ergeben ein beeindruckendes Bild von unermüdlich aktiven Menschen, die existierende Missstände anprangern, sowie von den vielfältigen Aktionsformen der neuen Generationen.“

(Lateinamerika-Magazin )

So schließt sich der Kreis zu den Fragen, die Antje Schrupp in ihrem Buch zum Thema aufgreift. Die Fähigkeit, Kinder zu gebären ist nicht nur in den Ländern Lateinamerikas ein Grund, den weiblichen Körper zu kontrollieren und die Entscheidungsfähigkeit von Frauen zu begrenzen und zu beschneiden.

Feminismus und die Auseinandersetzung mit Genderfragen werden nicht nur in Lateinamerika durch marxistische Überlegungen ergänzt, soziale Fragen und Geschlechterfragen werden zusammengedacht.

Daraus entstehen Impulse für den Kampf gegen ungerechte ausbeuterische Verhältnisse.

Darum verstärken die rechtsdiktatorischen Regimes ihren Kampf gegen ein von ihnen selbst an die Wand gemaltes und mit irreführenden Behauptungen genährtes Gendergespenst – sowohl in Europa als auch in Lateinamerika.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden