Keiner weiß am Ende mehr, wer den ersten Stein warf, doch die Gewalt in Jerusalem nahm zuletzt unbeirrbar ihren Lauf: „Tod den Arabern“, schrien Dutzende junge jüdische Männer, als sie sich zur historischen Altstadt aufmachten, um Palästinenser zu klatschen. Am Damaskustor versammeln sich während des Ramadans traditionell muslimische Familien, um den Beginn des Fastenbrechens zu feiern, doch das hatte Jerusalems Polizeichef verhindert, er ließ den Platz abriegeln.
Palästinenser warfen daraufhin mit Steinen, Flaschen und Feuerwerkskörpern auf die Sicherheitskräfte, die islamistische Hamas feuerte Raketen aus Gaza ab. Und in Jerusalem machten jüdische Anhänger der rechtsextremen Lehava-Bewegung Jagd auf palästinensische Bewohner – arabische Männer aus dem von Israel annektierten Ostteil prügelten auf jüdische Heranwachsende ein.
Von den Krawallen profitiert die politische Klasse beider Seiten: Palästinenserpräsident Abbas könnte die erste Wahl seit 15 Jahren absagen, mit Verweis auf das Vorgehen der israelischen Seite, die nicht nur fauliges Wasser gegen Zivilisten einsetzt, sondern eine Abstimmung in Ostjerusalem Ende Mai nicht zulassen will. Und Israels Premier Netanjahu wird das drohende Ende seiner inzwischen zwölf Jahre dauernden Regierungszeit abermals aufzuhalten versuchen, indem er sich als Verteidiger jüdischen Lebens in der Heiligen Stadt geriert.
Anders als vor Jahren, da junge jüdische Männer ebenfalls in Jerusalem randalierten, sehen sich die rassistischen Krawallmacher nun von oberster Stelle in ihrem Vorgehen legitimiert. Mit Itamar Ben-Gvir ist ein offen rechtsextremer Politiker in die Knesset eingezogen. Die von ihm geführte, von Netanjahu protegierte Partei Otzma Jehudit (Jüdische Stärke) hat es bei der Wahl am 23. März geschafft, den ultraorthodoxen Kräften Zehntausende Stimmen abzunehmen. In der Knesset sind die religiösen und rechtsextremen Kräfte das Zünglein an der Waage, das Netanjahu womöglich doch noch die erforderlichen Stimmen zur Regierungsbildung verschafft. Auf den Straßen Jerusalems tobt sich deren Basis aus, Ausgang offen: Auch wenn die Polizeiabsperrungen vor dem Damaskustor inzwischen geräumt sind, endet der Ramadan erst in zwei Wochen.
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