Es waren wohl die Osterfeiertage, die mich dazu inspirierten, über die Beziehung von Müttern zu ihren Söhnen nachzudenken. Maria, Mutter Gottes, hatte es wirklich nicht leicht: Erst erlitt sie eine unverschuldete Schwangerschaft, dann starb ihr Sohn elend am Kreuz. Maria erzog obendrein nicht irgendeinen Sohn, sondern den potenziellen Erlöser der Menschheit. Bisschen viel Verantwortung für eine Teenagerin.
Meine Aufgabe als Mutter zweier Söhne ist profaner. Ich muss keinen Heiland erziehen, nur halbwegs vernünftige Menschen. Man könnte es als gewisse Ironie begreifen, dass ausgerechnet ich, die Feministin, zwei Söhne hat. Ich persönlich habe mich immer als die ideale Söhne-Mutter begriffen, womit ich meine: die engsten emotionalen Bindu
alen Bindungen meines Lebens unterhielt ich zu Männern. Und noch dazu zu Männern, die vieles waren, nur nicht die „typischen“ Männer, die wir Feministinnen allenthalben kritisieren; diejenigen, die toxisch, egoistisch oder gar gewalttätig sind. Genauso wenig wie ich mir vorstellen könnte, dass die Männer, die ich in meinem Leben liebte, einer Frau jemals etwas zuleide täten, kann ich glauben, dass meine Söhne zu so etwas fähig wären.Ich hatte stets weniger Angst davor, was die Welt, noch dazu die „patriarchale“, mit meinen Söhnen anstellen könnte. Stattdessen fürchtete ich, sie aus einer unbewusst ödipalen Regung heraus zu meinen kleinen Prinzen zu machen. Als ich auf einer Podiumsdiskussion einmal sagte, gerade wir Mütter seien für die Erziehung unserer Söhne im besonderen Maße verantwortlich, wies eine andere Autorin diesen Anspruch zurück: Warum niemand die Väter dazu auffordere, ihre Söhne zu guten Menschen zu machen? Die Antwort ist für mich banal: Weil wir die ersten Frauen im Leben dieser Männer sind, weil die Beziehung, die wir zu ihnen pflegen, den Blick auf alle Frauen für immer prägen wird.Jeder Mann hat eine MutterAuch die Autorin Shila Behjat denkt in ihrem jüngst erschienenen Buch Söhne großziehen als Feministin über das Problem nach. Wie es ist, einen Menschen zu erziehen, „dessen Männlichkeit mir wortwörtlich in den Händen lag“. Sie spricht sogar vom Mann als Feindbild; doch ihre Söhne sind ihr, ganz offensichtlich, weder Feinde noch Bedrohung.Behjats Buch kreist nicht nur um die Differenzerfahrung Mann/Frau, also darum, wie Männer und Frauen unterschiedlich sozialisiert werden. In gewisser Weise berührt es ein feministisches Kernproblem, nämlich die Unterscheidung zwischen dem Mann und unseren Männern. Die Radikalfeministin Andrea Dworkin, die vielen als Sinnbild der männerhassenden Feministin galt, war glücklich verheiratet mit ihrem Mann John Stoltenberg. Pauline Harmange, die ein Buch über die wohltuende Kraft des Männerhasses verfasste – Ich hasse Männer – , ehelichte ebenfalls einen Mann. Was auch immer der Mann ist, der da bekämpft werden muss: der eigene offensichtlich nicht.Spätestens in der Konfrontation mit dem eigenen Sohn sollte eine Feministin erkennen, dass die Rede von dem Mann als symbolischer Chiffre für alles Schädliche der Wirklichkeit nicht gerecht wird. Und dass es weder emanzipiert noch psychisch reif ist, sich selbst, als Frau, kurzerhand aus der Rechnung herauszukürzen. Schließlich hat jeder despotische Mann eine Mutter. Ebenso wie jeder weltverbessernde, Liebe und Vergebung predigende Heiland.Placeholder authorbio-1