Kino und Sonstiges in Zeiten von Corona

Covic / Corona Meine vorerst letzten Kinobesuche waren am 7. Und 8. März. Das Frankfurter Studentenkino Pupille zeigte drei sehr unterschiedliche Actionfilme auf 35mm.

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Jetzt vor zwei Wochen saßen wir vor der Leinwand.

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Der Mann aus Hong Kong

Australien, Hong Kong 1975, von Brian Trenchard-Smith, mit Jimmy Wang Yu, George Lazenby, Rebecca Gilling, Roger Ward und Hugh Keays-Byrne

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In Australien wird ein chinesischer Drogenkurier (Hong Kongs späterer Actionstar Sammo Hung) zuerst verhaftet und dann von den eigenen Leuten liquidiert. Hong-Kong-Drogenfahnder Fang, der ihn überführen sollte, sucht die Hintermänner und kämpft sich zum Gangsterboss Wilton durch, den Einmal-Bond George Lazenby spielt – mit der deutschen Stimme von Harald Junke. Die Rolle Fang wurde ursprünglich für Bruce Lee geschrieben, der in der Zwischenzeit gestorben war. Jimmy Wang Yu, der einige Erfolge hatte, übernimmt seine einzige internationale Rolle. Aus heutiger Sicht sexistische und rassistische Dialoge verblüffen das Publikum und sorgen für unfreiwillige Komik. Die Action- und Kampfszenen überzeugen auf ganzer Linie und alle Akteure einschließlich dem sehr gut trainierten George Lazenby leisten ganze Arbeit. Auch in den Betten verschiedener Partnerinnen ist Fang sehr fleißig. Mit etwas mehr Mühe hätten sie daraus eine Filmreihe mit einem veritablen Bond-Konkurrenten machen können. Sehr gute Unterhaltung mit überwiegend sehr guter Bildqualität.
Hugh Keays-Byrne, der hier einen ruppigen Polizist mit wilder Haarmähne spielt, hatte ein paar Jahre später seine bekannteste Rolle als Bandeführer "Toecutter" in MAD MAX. 2015 trat er als monströser Tyrann Immortan Joe in MAD MAX 4 - FURY ROAD auf.

DAS ENDE alias ASSAULT – ANSCHLAG BEI NACHT (ASSAULT IN PRECINCT 13)

USA 1976, von John Carpenter, mit Austin Stoker, Darwin Joston, Laurie Zimmer, Nancy Loomis, Tony Burton, Charles Cyphers

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Bei einem nächstlichen Einbruch werden mehrere Bandenmitglieder erschossen. Keine Festnahmen, keine Warnschüsse, alle werden ohne Vorwarnung erschossen. Die Anderen schwören Rache, fahren los, erschießen wahllos einen Eisverkäufer und ein kleines Mädchen. Der Vater erschießt darauf den Anführer. Die Anderen verfolgen den Mann bis zu einem Polizeirevier, das stillgelegt wird und vor der Räumung ist. Dort kommt auch parallel ein Gefangenentransport an, um die Schwerverbrecher zwischenzulagern. Dann wird das Polizeirevier belagert und beschossen. Die Polizisten und ihre Angestellten müssen sich mit den Häftlingen verbünden, um sich zu verteidigen. Der Film wurde mit wenig Geld und vielen guten Ideen gedreht und überzeugt mit düsterer Atmosphäre und der von John Carpenter – wie fast immer – selbst komponierten Filmmusik. Ganz stark.

THE RIFFS – DIE GEWALT SIND WIR

Italien 1983, von Enzo Castellari, mit Mark Gregory, Christopher Connelly, Stefania Girolami, Fred Williamson und Vic Morrow

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Minderjährige Multi-Millionen-Dollar-Erbin bricht aus ihrem Leben aus und flieht zu ihrem Motorrad-Gang-Freund ins Ghetto. Der Vater und seine Schergen sollen sie zusammen mit einem korrupten Polizisten zurück holen.
Sehr plump kopieren die Italiener an New Yorker Originalschauplätzen US-amerikanische Vorbilder wie DIE KLAPPERSCHLANGE oder DIE WARRIORS. Der damals 17jährige Bodybuilder Mark Gregory (eigentlich Marco de Gegorio) und seine Kollegen spielen wie Schaufensterpuppen; lediglich die US-B-Profis Fred Williamson und Vic Morrow machen sich nicht lächerlich. Gut ausgestattet und schlecht konzipiert lacht sich das Publikum kaputt.

Knapp über 20 Besucher*innen waren da und das war es dann erst einmal fast. Sie geben sich viel Mühe, dekorieren den Raum mit Plakaten, Aushangfotos und Sammlerstücken und drucken individuelle Eintrittskarten mit Numerierung. So macht Kino noch Spaß und die Veranstalter bewundere ich immer wieder dafür.

Ein Tag ohne Mario Adorf

Einen Tag später war ein Besuch von Mario Adorf im Frankfurter Filmmuseum geplant; dort waren die Erstaufführung des Dokumentarfilms ES HÄTTE SCHLIMMER KOMMEN können sowie ein Besuch des multinationalen Filmstars geplant. Den Film sahen wir, aber Mario Adorf musste wegen einer Erkältung die weite Reise absagen. Der Ausweichtermin war für Sonntag, den 22. März geplant. Das Täschchen mit einer Auswahl von DVDs zum Signieren war schon gepackt. Inzwischen ruht der Kulturbetrieb in Deutschland. Der Besuch von Mario Adorf und eine Auswahl seiner Lieblingsfilme – u.A. DIE BLECHTROMMEL auf 35mm! – fallen aus.

Viele Kinos werden die Krise wahrscheinlich nicht überstehen. S. hier und hier. Viele Menschen arbeiten von Zu Hause aus und nehmen mehr Internetkapazitäten in Anspruch. Aber immer noch verabreden sich Leute und feiern Parties. NETFLIX und YOUTUBE reduzieren ihre Übertragungsraten.

Die muslimische Weltverschwörung

Vorletzte Woche war ich mit dem Fahrrad zu einem Arzttermin unterwegs und hörte an der Ampel in der Nähe eines Kiosks unfreiwillig Teile eines Dialogs zwischen zwei debilen Bier trinkenden Männern. Sie sind davon überzeugt, dass das Corona-Virus durch die muslimische Weltverschwörung freigesetzt wurde, um die deutsche Bevölkerung auszulöschen. Es sei ja auch kein Zufall, dass „Corona“ und „Koran“ so ähnlich klingen. Auch gestern war ich mit dem Fahrrad unterwegs, um etwas Wichtiges zu erledigen, und kam an einem Bolzplatz vorbei, auf dem Jugendliche kickten, sich den High-five-Händegruß zu geben und auf den Boden zu rotzen.

Vorletzte Woche wollte Dieter Nuhr, den manche Leute immer noch für einen Satiriker halten, noch auftreten und beschwerte sich über die amtlich angeordnete Schließung großer Hallen. Wenn er richtig rechnet, wären das 8000; aber ich meine, dass es damals ca. 800 Erkrankte waren. Jetzt sind es etwa 16.000 Erkrankte (Quelle: Deutschlandradio, heute 17:00 Uhr). Aber wirtschaftliche Interessen sind auch hier wichtiger als Menschenleben. Bereits beim Dieselskandal hatte er Wissenschaftler zitiert, die Nebenjobs in der Autobranche hatten und von denen sich einer peinlich verrechnet hatte, ohne dies klar zu stellen. Er unterstützte letztes Jahr den Entzug der Gemeinnützigkeit für die Deutsche Umwelthilfe und fordert vielleicht auch demnächst das Verbot des Robert-Koch-Instituts.

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Auch sie werden später vielleicht entweder erkranken oder im Hausarrest landen. Und wenn dann die elektronische Versorgung zusammenbricht, wenn dann die Gesundheitsversorgung nicht mehr funktioniert, wird vielleicht ausgelost werden, wer als erster versorgt wird und sie ziehen den Kürzeren. Und wenn die Techniker erkranken, wird es zu Hause langweilig ohne Strom, ohne Nett-Wichs und YOYTUBE. Wenn dann auch noch das Fratzenbuch und Depp-Äpp den Betrieb einstellen müssen, wird die Vokabel „Krise“ ganz neue Bedeutung bekommen. Und ich werde vielleicht froh sein, dass ich noch so viele ungesehene DVDs für demnächst und Bücher für das postelektrische Zeitalter habe.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Martin Betzwieser

Personifizierter Ärger über Meinungsmanipulation, Kino- und Kabarattliebhaber

Martin Betzwieser

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