Vorbereitungen Die Wagenknecht-Partei will, wie die Werteunion, zur Landtagswahl in Thüringen antreten – die AfD den nächsten Landrat stellen. Und CDU-Chef Mario Voigt will öffentlich mit Björn Höcke streiten
Erfurt – die Gegensätze dieser Republik, sie liegen hier besonders nah beieinander. Zum Beispiel am vergangenen Samstag: Während Hans-Georg Maaßen in einem Varietétheater die Gründung seiner neuen Partei vorbereitet, zieht in Sichtweite eine Anti-AfD-Demo vorbei. Es sind um die 9.000 Menschen. Doch bis auf den Austausch einiger Unfreundlichkeiten wie „Nazis“ und „Antifanten“ bleibt es friedlich. Die Landespolizei sorgt für Abstand.
Maaßen zwischen Erfurt und Bad Godesberg
Am Nachmittag schließlich die erwartete Nachricht aus dem Theater: Der Verein „Werteunion“ hat beschlossen, seine Namensrechte an eine Partei abzugeben. Sie soll im Februar gegründet werden, in Bad Godesberg, wie zu hören ist, in der
nsätze dieser Republik, sie liegen hier besonders nah beieinander. Zum Beispiel am vergangenen Samstag: Während Hans-Georg Maaßen in einem Varietétheater die Gründung seiner neuen Partei vorbereitet, zieht in Sichtweite eine Anti-AfD-Demo vorbei. Es sind um die 9.000 Menschen. Doch bis auf den Austausch einiger Unfreundlichkeiten wie „Nazis“ und „Antifanten“ bleibt es friedlich. Die Landespolizei sorgt für Abstand.Maaßen zwischen Erfurt und Bad GodesbergAm Nachmittag schließlich die erwartete Nachricht aus dem Theater: Der Verein „Werteunion“ hat beschlossen, seine Namensrechte an eine Partei abzugeben. Sie soll im Februar gegründet werden, in Bad Godesberg, wie zu hXX-replace-me-XXX246;ren ist, in der ganz alten Bundesrepublik also. Offiziell bestätigt wird dies allerdings nicht. Fast niemand will mit den in der Kälte ausharrenden Journalisten reden. Vereinschef Maaßen selbst umgeht in geheimdienstlicher Manier die Kameras und nimmt den Hinterausgang. Später verbreitet sein Sprecher den Satz „Wir sind Union 1.0“.Damit ist es amtlich: Der Mann, der bis 2018 den Bundesverfassungsschutz leitete und inzwischen auf der linken Seite als Verfassungsfeind gilt, will 2025 eine neue Partei in den Bundestag führen, um sich dort zwischen Union und AfD einzurichten. Der Testlauf dazu soll im diesjährigen September zu den Landtagswahlen stattfinden, vielleicht in Brandenburg, wahrscheinlich in Sachsen – auf jeden Fall in Thüringen.Wo auch sonst. Seit Maaßen in Thüringen erfolglos für den Bundestag kandidierte, war er hier CDU-Mitglied. Inzwischen, heißt es aus der „Werteunion“, habe er auch seinen Hauptwohnsitz nach Thüringen verlegt. Das ist notwendig, um für den Landtag antreten zu können. Genau das hat er offenkundig vor, selbst wenn er ihm gestellte Anfragen dazu nicht beantwortet.Brandenburg, Sachsen – und auf jeden Fall in ThüringenDamit wird das politische Thüringen noch unübersichtlicher. Denn auch Sahra Wagenknecht hegt mit der nach ihr benannten Partei BSW ähnliche Pläne: Sie will vielleicht in Brandenburg antreten, wahrscheinlich in Sachsen – und auf jeden Fall in Thüringen.Allerdings kandidiert Wagenknecht nicht selbst, obwohl sie in Jena geboren wurde und das Land als „zweite Heimat“ bezeichnet. Zwar habe sie über eine Kandidatur durchaus nachgedacht, sagte sie der Thüringer Allgemeinen. Aber es gehe rechtlich nicht, denn dafür hätte sie ihren Wohnsitz bereits verlegen müssen.Immerhin kann sie mit Eisenachs Oberbürgermeisterin Katja Wolf, die gerade von der Linken zum BSW wechselte, eine potenzielle Spitzenkandidatin vorzeigen. Fast hätte sie sogar Erfurts SPD-Oberbürgermeister Andreas Bausewein zu Listenplatz eins überredet; er wurde gerade noch von seiner Partei davon abgehalten.Es passiert also wieder eine ganze Menge in Thüringen, in dem die politische Konstellation auch so schon einmalig ist. Mit Bodo Ramelow steht der einzige linke Ministerpräsident an der Spitze der einzigen Minderheitsregierung dem bekanntesten Rechtsextremisten der AfD namens Björn Höcke gegenüber. Und die CDU, die es bei der Landtagswahl 2019 zwischen diesen beiden Polen zerrieb, zieht es mal in die eine, mal in die andere Richtung.Die Jahre seit der Wahl Thomas Kemmerichs 2020Zuerst wählte sie im Februar 2020, halb fahrlässig, halb absichtlich, zusammen mit der AfD den FDP-Landesvorsitzenden Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten, was eine Regierungskrise in Erfurt und eine Koalitionskrise in Berlin auslöste. Beides wurde erst durch die Wiederwahl Ramelows und einen historischen Stabilitätspakt zwischen Linke, SPD und Grünen mit der CDU befriedet. Der Kompromiss lautete, bis zur Neuwahl des Landtags in Jahresfrist nicht gegeneinander abzustimmen. Doch nachdem in der Corona-Pandemie der Konsens erodiert war, kam im Sommer 2021 die nötige Zweidrittelmehrheit zur Auflösung des Landtags nicht zustande. Fortan schleppte sich die Landespolitik von Etat zu Etat und von Gesetz zu Gesetz. Mal stimmte die CDU mit Rot-Rot-Grün, mal ließ sie sich von AfD und FDP zur Mehrheit verhelfen.Währenddessen wurde die AfD stärker und stärker. Mit mehr als 30 Prozent setzte sie sich an die Spitze der Umfragen – und dies noch deutlicher als im restlichen Ostdeutschland. Im Juni 2023 feierte sie bei einer außerplanmäßigen Wahl im südthüringischen Landkreis Sonneberg den Gewinn ihres ersten Landratspostens. Dies, jubelte Höcke, sei nur ein „Wetterleuchten“ für Künftiges.Tatsächlich wird 2024 in Thüringen nicht nur der Landtag gewählt; parallel zu den Europawahlen im Frühjahr finden auch Wahlen von Landräten und Oberbürgermeistern, Kreistagen sowie Stadt- und Gemeinderäten statt. Mehr abzustimmen als in Thüringen gibt es in diesem Jahr nirgendwo in Deutschland. Und das Superwahljahr hat bereits begonnen. Denn auch im ostthüringischen Saale-Orla-Kreis endet die Amtszeit des Landrats früher – der CDU-Amtsinhaber darf altersbedingt nicht mehr antreten. Der erste Wahlgang am 14. Januar hatte ein ähnliches Resultat wie in Sonneberg: AfD-Kandidat Uwe Thrum – ein Höcke treu ergebener Landtagsabgeordneter – verfehlte die absolute Mehrheit nur knapp.Landrats-Stichwahl im Saale-Orla-KreisDie Stichwahl findet an diesem Sonntag statt. Doch sind die Vorzeichen etwas anders als im vergangenen Frühsommer. CDU-Kandidat Christian Herrgott ist neben seinem Ehrenamt als Vize-Landrat ein örtlicher Landtagsabgeordneter und zudem Generalsekretär der Landespartei. Auch musste die AfD bei den Oberbürgermeisterwahlen in Nordhausen und anderswo erfahren, dass es trotz immer noch wachsender Zustimmung auf dem Land keinen Durchmarsch für ihre Kandidaten gibt.Darüber hinaus haben andere Parteien ihre Lehren gezogen: Anders als in Sonneberg versammeln sie sich hinter dem CDU-Kandidaten, obwohl dieser in der Vergangenheit reichlich gegen sie polemisierte. Und anders als in Sonneberg regt sich im Saale-Orla-Kreis die Zivilgesellschaft, mit Aufrufen und Demonstrationen.Parallel dazu versucht die CDU, die neue, jüngst vom CDU-Bundesvorstand verabredete Strategie auszutesten. Sie will die AfD offensiv angreifen, sie „inhaltlich stellen“, wie es heißt. Deshalb nahm Herrgott auch gerne die Einladung der Ostthüringer Zeitung zu einem Kandidatenduell gegen Thrum an. Doch nachdem eine Halle angemietet war, sagte der AfD-Kandidat ab – mit Verweis auf die ihm angeblich feindlich gesinnte Presse, die über seine Kontakte zu Rechtsextremisten und Reichsbürgern berichtet hatte.Ein erster Erfolg der Thüringer CDUFür die CDU war dies ein erster Erfolg, zumal Landeschef Mario Voigt ein öffentliches Streitgespräch mit Höcke plant. Das Risiko, der Demagogie eines Rechtsextremisten nicht gewachsen zu sein, nimmt er dabei ebenso in Kauf, wie er bisher den politischen Kollateralschaden gemeinsamer Abstimmungen mit der Höcke-Fraktion im Thüringer Landtag einpreiste. Sein Hauptziel ist, den Linke-Ministerpräsidenten aus dem Spiel zu nehmen. Der Kampf um die Staatskanzlei soll zwischen ihm und Höcke stattfinden, und nicht zwischen der Linken und der AfD.Tatsächlich wirkt die Umfragelage nicht gut für Ramelow. Die neu gegründete Wagenknecht-Partei wird bei bis zu 17 Prozent gehandelt und könnte neben der AfD vor allem die Linke schwächen. Erstmals seit 2019 scheint eine parlamentarische Mehrheit jenseits von Höcke und Ramelow möglich.Doch da ist ja noch Maaßen. Tritt er tatsächlich als Spitzenkandidat in Thüringen an, könnte er die Werteunion über die Fünf-Prozent-Hürde hieven – und womöglich der AfD zur Mehrheit verhelfen. Irgendwelche Brandmauern, das bekräftigte er vorigen Samstag in Erfurt, werde es für ihn jedenfalls nicht geben.Placeholder authorbio-1
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