Eine Windmaschine und ein Megafon, ein Podest und ein Billboard mit der Aufschrift in großen Lettern: „Im Wind-Brand steht die Welt! Die Städte knistern.“ Ideale Werkzeuge für eine richtig schöne Revolution, sollte man meinen. Leider kommt es anders bei der Uraufführung von Zeit wie im Fieber (Büchner-Schrapnell) im Kammertheater des Schauspiels Stuttgart.
Hier, immerhin in der Stadt, die das Wutbürgertum erfand, hat man dem Dramatiker, Hörspielautor und Musiker Björn SC Deigner einen Stückauftrag erteilt. Grundlage: das Gesamtwerk des jung gestorbenen Vormärzliteraten Georg Büchner, das neben seinen visionären Dramen auch die Streitschrift Der Hessische Landbote umfasst. Dabei beschäftigte sich Deigner auch m
hrift Der Hessische Landbote umfasst. Dabei beschäftigte sich Deigner auch mit der Französischen Revolution, der Außerparlamentarischen Opposition in der BRD der 1960er und der RAF. Er fragt, wie heute noch Revolution möglich sein kann, ohne dabei, wie Linke, in Abstraktion steckenzubleiben oder, wie Rechte, mit dem Holzhammer der Simplifizierung auf jegliche Gedankennuance einzudreschen.Björn SC Deigners „Zeit wie im Fieber“: Durch den Abend mit Büchners Lena und JulieDass er keine klare Antwort findet, ist verzeihlich, allein die profunde Bestandsanalyse verdient Lob. Allerdings bietet das Interview, das Deigner im Programmheft der Dramaturgin Gwendolyne Melchinger gegeben hat, nicht weniger Erkenntnisgewinn als die ausgedehnte dramatische Form, zumal in der Inszenierung von Zino Wey.Als mögliche Revolutionärinnen führen zwei Büchner-Frauenfiguren durch den Abend: Lena aus Leonce und Lena (Sylvana Krappatsch) plagt die Unzufriedenheit, Julie aus Dantons Tod (Paula Skorupa) kann Nichtstun und Stillstand lange etwas abgewinnen, bis plötzlich auch sie nach der Kraft verlangt, Ketten zu sprengen.Den beiden begegnen Gestalten, die auf verschiedene Art den Missständen der Welt mit Radikalisierung begegnet sind, abwechselnd (und manchmal gleichzeitig) gespielt von Gabriele Hintermaier, Marco Massafra und David Müller: ein despotischer König, eine esoterische „Ärztlerin“ und eine „wutige Bürgerin“, aber auch ein Bäcker, der lieber über die Polizei schimpft, als der hungrigen Julie eine Brezel zu verkaufen, und ein Nachbar, der sich vor lauter Freiheitswahn eingemauert hat. Aus dem Megafon klingen gelegentlich Szenenbeschreibungen, eingesprochen von niemand Geringerem als Harald Schmidt.Kunstpause oder Texthänger?Das klingt launiger, als es ist. Denn es fehlt eine greifbare Situation, in der die Figuren sich als solche manifestieren können. Im Stücktext deutet Deigner einen Kessel, einen Hang und Ränder einer Stadt an. Nichts davon wird auf der Bühne vorstellbar. So bleiben alle nur Vertreterinnen von Ideen, von Weisheiten, von teils komplexen – und in den Büchner’schen Sprachstil verpackten – Gedanken. Zwar sprechen Krappatsch und Skorupa ihre Texte durchaus mit Emphase und so, als würden sie ihnen gerade einfallen, vom Papier erheben sie sich dadurch aber nicht. So werden die mehr als eineinhalb Stunden zur eher drögen Angelegenheit, in der kunstvoll gesetzte Nachdenkpausen leicht mit Texthängern zu verwechseln sind.Leben ins Spiel bringen nur punktuelle Exzesse der Ausstattung: Wey, der selbst die Bühne entworfen hat, lässt die Windmaschine einmal direkt ins Publikum blasen, Kostümbildnerin Pascale Martin versieht die Rolle des „talentierten Pferdes“ mit verschiedenen Varianten einer wallenden orangen Haarpracht. Das bringt Lacher, hat aber mit dem behandelten Stoff nur mit viel Wohlwollen etwas zu tun.Fieber fühlt sich heißer an, eine Revolution aufregender.