Das Gift der Moralisierung

Philosophie Anklage und Personalisierung anstelle von sachbezogener Diskussion gefährden die soziale Gemeinschaft. Der Philosoph Michael Andrick über die ständige Moralisierung gesellschaftlicher Debatten – und was das mit uns macht
Exklusiv für Abonnent:innen | Ausgabe 06/2024
Diskussionen verlaufen sich schnell auf rutschigem Gelände
Diskussionen verlaufen sich schnell auf rutschigem Gelände

Foto: Jonas Berndt

Wer den Moralismus beklagt, muss aufpassen, dass er die Moral nicht gleich mit zerstört. Deshalb scheint mir eine Vorbemerkung sehr wichtig. Es gibt tatsächlich moralische Fragestellungen, die nicht moralisiert werden können, weil sie eben bereits moralisch sind.

Eine solche Frage ist zum Beispiel „Ist Abtreibung prinzipiell erlaubt?“. Eine moralische Frage erkennen wir daran, dass wir sie nicht mit dem Verweis auf irgendjemandes Festlegungen beantworten können. Stellen wir die Frage „Ist Abtreibung prinzipiell erlaubt?“, so wollen wir kein Referat darüber hören, wo sie erlaubt oder verboten ist. Wir möchten wissen, ob man Abtreibung überhaupt irgendwo und unter welchen Umständen erlauben darf.

Unsere moralischen Überz