Die AfD ist verwöhnt. Vom Erfolg. In den letzten Jahren eilte sie von Umfragehoch zu Wahlerfolg und von dort wiederum zum Erfolg ihrer Themen in Talkshows. Nichts, so schien es, konnte den Aufstieg der Partei aufhalten. Schon gar nicht die Tatsache, dass ihre Politiker seit der Gründung der Partei 2013 immer offensiver rechtsextreme Inhalte propagierten. Der Kern der AfD-Anhängerschaft ist bislang jeden Schritt der Radikalisierung mitgegangen. Noch vor wenigen Wochen verkündete Maximilian Krah, Spitzenkandidat der AfD für die Europawahl, seine Partei sei unter den rechten Parteien Europas die radikalste, und die Wähler honorierten dies.
Seit dem Bericht des Recherchekollektivs Correctiv über das Geheimtreffen von AfD-Politikern mit Rechtsextremen zur Planu
für die Europawahl, seine Partei sei unter den rechten Parteien Europas die radikalste, und die Wähler honorierten dies.Seit dem Bericht des Recherchekollektivs Correctiv über das Geheimtreffen von AfD-Politikern mit Rechtsextremen zur Planung von Massendeportationen aber scheint der Motor des Erfolgs der AfD erstmals seit 2015/2016 ins Stottern zu geraten. Der scheinbare Automatismus, mit dem die Partei ihre Diskursinterventionen durchsetzen konnte, setzt derzeit aus. Seine Ursache hat dies darin, dass es aus der Mitte der Gesellschaft endlich Widerspruch gegen die permanente Rechtsverschiebung gibt. Die Demonstrationen gegen die AfD in den vergangenen Wochen lassen Politiker anderer Parteien entdecken, dass es Sinn macht, dem Agendasetting der AfD nicht zu folgen und zu widersprechen. Ist er also fast schon abgewendet, ein rechter Durchmarsch bei den kommenden Europa- und Landtagswahlen?Auf den Straßen ist in Deutschland erstmals seit 2018 ein Spektrum, das vom im weitesten Sinne progressiven Pol in der Gesellschaft bis zur liberalkonservativen Mitte reicht. Klar ist damit auch: Der Kern der Anhängerschaft der AfD wird durch diese Demonstrationen nicht erreicht. Jene Wähler aber, die ein instrumentelles Verhältnis zur AfD pflegen, da sie ihre Stimme für die Partei in erster Linie als Bekundung von Wut über die Politik der Ampel verstanden wissen wollen, lassen sich vielleicht noch erreichen.Druck auf AfD von BSW und WerteunionWie weit der Weg zur Einhegung der AfD ist, zeigt die Stichwahl für das Amt des Landrates im thüringischen Saale-Orla-Kreis. Dort fiel die Entscheidung am vergangenen Sonntag äußerst knapp zugunsten des CDU-Kandidaten aus, der im zweiten Wahlgang von den anderen demokratischen Parteien unterstützt wurde. Betrachtet man die absoluten Zahlen, so hat der AfD-Kandidat unter Berücksichtigung einer hohen Wahlbeteiligung gegenüber der ersten Wahlrunde noch hinzugewonnen.In der AfD macht sich ob der für sie negativen Dynamik der öffentlichen Debatte Unruhe breit. Politiker der Partei sprechen von einer orchestrierten Kampagne aus Politik und Medien, um die AfD mundtot zu machen. Tenor: Die einzige Opposition solle zum Schweigen gebracht werden. Im politischen Vorfeld der Partei fürchtet man, es könne alsbald zu Verboten im Nahfeld der eigenen Strukturen kommen. Aus der Bundespolitik wurden denn auch Forderungen nach einem Verbot der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative laut, deren Vertreter eng mit anderen Spektren der extremen Rechten verbandelt sind. Die Junge Alternative ist formal nicht Teil der AfD, sondern ein eigenständiger Verein und untersteht somit nicht dem Schutz des Parteienrechts.Auch von anderer Seite kommt Gegenwind: Der AfD dürften die Parteigründungen des Bündnisses Sahra Wagenknecht und der Werteunion Hans-Georg Maaßens Kopfschmerzen bereiten. Beide weisen Schnittmengen mit dem Wählermilieu der AfD auf, das sowohl nationalkonservative als auch linkskonservative Wähler umfasst.Manchen Beobachtern gilt die gegenwärtige Dynamik der Proteste gegen die AfD bereits als Indikator ihrer absehbaren Niederlagen. Doch Demonstrationen allein ersetzen keine politische Auseinandersetzung dort, wo die Ressourcen der AfD liegen: in den für progressive Akteure nur schwer erreichbaren Milieus jener, die als dem etablierten Politikbetrieb fernstehend gelten. Diese Menschen werden nicht mit moralischen Appellen erreicht, sondern nur mit Verweisen darauf, was ein Wahlerfolg der AfD bedeuten würde – wenn überhaupt.Wer der AfD erfolgreich entgegentreten will, braucht dort einen langen Atem, wo die AfD stark ist: in den kleinstädtischen und ländlichen Regionen, zumal in Ostdeutschland. Dass es gerade auch in ostdeutschen Kleinstädten Demonstrationen gibt, macht Hoffnung. Die Rechnung für die demokratische Kultur kommt aber erst nach den Wahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen. Bis dahin braucht es Unterstützung für demokratisches Engagement dort, wo es Mut kostet, Gesicht zu zeigen.