Fußball ist ein Einzelsport

Alltagskommentar Wer hat gesagt, dass man Mannschaftssportarten im Rudel verfolgen muss? Am schönsten sind Fußballspiele immer noch, wenn man alleine mitfiebert. Ohne die anderen Experten
Gemeinsam gucken ist für die Katz
Gemeinsam gucken ist für die Katz

Foto: BruceTurner

Aus der Tatsache, dass Fußball ein Mannschaftsspiel ist, zieht man den Schluss, dass es am besten in Gruppen angeschaut wird. Ein naturalistischer Fehlschluss, fürs Fernsehschauen ist er schlicht falsch. Am ungeeignetesten ist es, das Spiel mit einem „Experten“ zu schauen, gleich danach kommt das Schauen mit Kindern. Kinder sind großartig, aber in diesem Fall sind es eben Kinder, das heißt, sie verstehen das Spiel nicht. Es ist einem kleinen Kind einfach nicht begreiflich zu machen, dass die Wiederholung eines Tors eine Wiederholung ist.

Das Kind glaubt, dass stets von neuem ein Tor fällt und jubelt deshalb stets von neuem. Ständig sagt es „Buball“, und so herzerfrischend ansonsten der Falschsprech ist (Eiderbahn statt Eisenbahn, Titi statt Huhn), hier wirkt er deplatziert. Außerdem kann ihm die Aufgabe des Schiedsrichters nicht erklärt werden. Dennoch ist die Aufmerksamkeitsspanne beim Buballspielschauen höher als bei jeder Kika-Sendung.

Das hängt damit zusammen, dass es auf der Welt nichts Schöneres gibt, als ein Fußballspiel im Fernsehen zu schauen. Das wissen nicht nur Kinder, sondern auch die „Experten“. Die Definition des Fußballexperten: ein Mensch, der seine Meinung nicht für sich behalten kann. Sämtliche „Experten“ in meinem Bekanntenkreis vertreten in diesen Tagen die Meinung von Mehmet Scholl. Es reicht also vollkommen, in der Halbzeitpause diesem selbst zuzuhören.

Außerdem ist man sich Experte genug. Man glaubt ja sogar, der einzig wahre Experte zu sein, weil man gefühlt jeden zweiten Satz eines Fernsehkommentators vorhersagen kann. Bei Steffen Simon steigt die Quote sogar auf gut 70 Prozent. Aber nicht nur, weil man nicht besserwisserisch wirken möchte, sollte man ein Spiel alleine schauen. Sondern auch, weil man nur alleine mitfiebern kann.

Nun will uns nicht nur die Bierwerbung weismachen, dass Fernsehfußballschauen erst in Gemeinschaft zu einem „Erlebnis“ wird. Diesem Irrtum verfallen selbst Leute, die Fanmeilen schrecklich finden. Leute also, die gerne „mit ein paar guten Freunden“ schauen. Aber warum, liebe Leute, heißt es „mitfiebern“? Genau! Weil man wie im Fieber ist und niemanden erträgt. Einen muss man allerdings aushalten: den Moderator. Ob er sich seiner Verantwortung bewusst ist, ist nicht ganz klar. Es gibt Indizien, eine gewisse Zurückhaltung fällt angenehm auf. Der empfindliche Alleinseher beugt aber lieber vor und schaltet den Ton aus. Falls er eine Information braucht, holt er sie sich im Teletext, einem Medium, das eigens für ihn geschaffen wurde.

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Geschrieben von

Michael Angele

Ressortleiter „Debatte“

Michael Angele, geb. 1964 in der Schweiz, ist promovierter Literaturwissenschaftler. Via FAZ stolperte er mit einem Bein in den Journalismus, mit dem anderen hing er lange noch als akademischer Mitarbeiter in der Uni. Angele war unter anderem Chefredakteur der netzeitung.de und beim Freitag, für den er seit 2010 arbeitet, auch schon vieles: Kulturchef, stellvertretender Chefredakteur, Chefredakteur. Seit Anfang 2020 verantwortet er das neue Debattenressort. Seine Leidenschaft gilt dem Streit, dem Fußball und der Natur, sowohl der menschlichen als auch der natürlichen.

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