Manchmal sind es die kleinen Dinge, die von den großen Veränderungen zeugen. Am 1. Februar verstummten die Staumeldungen im Deutschlandfunk. Eine Umfrage hatte ergeben, dass zwei Drittel der Hörer diese Meldungen für entbehrlich halten, was sie in einem rein informationspragmatischen Zusammenhang wohl auch sind.
Allerdings, darauf haben Hans Zippert in der FAZ und Nils Markwardt bei Zeit online hingewiesen, ist es ein großes Missverständnis, diese Staumeldungen auf ihren Nutzen für Automobilisten zu reduzieren. Vielmehr brachten sie eine unbeabsichtigte Poesie hervor, wie es so nur das Radio vermag. Mehr noch, Orte wie Krefeld-Oppum, Sulzemoos, Wittstock/Dosse und wie sie alle heißen, bildeten, in den Worten Markwardts, eine „höhere Lektion in Regionalkunde“, oder, um mit Zippert noch eine Schippe draufzulegen: Sie waren „Bestandteile eines imaginären Deutschlands“, gewiss eine „zähfließende Heimat im Stillstand“, aber eben doch so was wie Heimat.
Ich bin ein DLF-Hörer
Was für den Staumelder im Kleinen gilt, gilt für das Radiohören im Allgemeinen. Es gibt dabei eine Ebene, deren Sinn sich nicht in einem informationspragmatischen Zusammenhang erschließt. Klar, die Tendenz geht weg vom Hören in Echtzeit, hin zur Nutzung eines breiten Angebots an Beiträgen. Das, was mal Radio war, wird dann zu einer gigantischen Mediathek, die irgendwo in einer Nische noch ein festes Programm fährt – genau diesen Eindruck vermittelt die Homepage des DLF ja schon heute, wo der „Live“-Button erst mal gesucht werden muss.
Und nichts gegen Mediathekenbenutzer – wer wäre es nicht selbst? –, aber sie allein bilden keine Gemeinschaft in dem Sinn, wie sie fürs Radiohören im starken Sinn prägend sind. Es ist eine Gemeinschaft, die sich über zahllose Rituale bildet, auch wenn sie, anders als andere alltagsreligiöse Zusammenschlüsse, kaum von sich selbst weiß. Dass unser Nachbar zur Rechten in der Küche ein Radiohörer ist, weiß ich, aber schon von dem unten könnte ich es nicht sagen. Ich frage ihn aber auch nicht.
Dass die Rituale beim Radiohören besonders viele und besonders unreflektiert sind, liegt daran, dass es sich um eine Aktivität handelt, bei der man meistens auch noch anderes tut. Das fängt am Morgen an, wenn einige von uns immer noch durch den Radiowecker in den komplizierten Prozess des Erwachens treten, und es endet für passionierte Hörer des Deutschlandfunks wenigstens in der Theorie mit dem langsamen Einschlafen um 23.55 Uhr zu National- und Europahymne. Das Abspielen dieser Hymnen fänden vermutlich viele Hörer unerträglich pathetisch, folgte ihm nicht der vorsorgliche Hinweis, dass man sich eine solche Gefühlserhebung nur kurze Zeit erlauben kann: „Um null Uhr folgen dann die Nachrichten.“
Ein vergleichbares republikanisches Pathos fand man lange Zeit auch in dem Satz „Hier ist der Deutschlandfunk“, mit dem die Nachrichten nicht einfach nur anmoderiert wurden, vielmehr markierte er selbstbewusst eine Präsenz, ähnlich dem „Hier regiert der FCB“, das man aus Fußballstadien kennt. Das Herrschaftszeichen des Radios ließ man sich indessen gerne gefallen, denn es folgten ja nicht Schmähgesänge auf den Gegner, sondern seriöse Nachrichten und danach ein vertiefendes Begleitprogramm, das ein bildungsbedürftiges Gemeinwesen nun einmal braucht (und das der ungenannte Gegner, das kommerzielle Radio, nicht liefert). Heute werden die Nachrichten durch einen Jingle eingeleitet, der bloß noch den Namen „Deutschlandfunk“ spricht, aus kulturpessimistischer Sicht: der Anfang vom Ende.
Im Deutschlandfunk gibt es diese Nachrichten alle halbe Stunde, egal was passiert, dazwischen Vertiefungen in alle Richtungen. Diese Formate strukturieren den Tag in einer immer gleichen Weise, und es ist eine der Pointen des Deutschlandfunks, dass er den Tag seiner Hörer mit dem Tag, den die Welt zu bestehen hat, und seinem Programm in eins setzt. „Welttag“-Radio eben. Ein solches Radio darf man getrost mythisch nennen, umso mehr, als es die für einen Mythos notwendige Totalität durch eine Sendung erzeugt, die den einzig möglichen Namen trägt: Das war der Tag.
Das war der Tag rundet den Tag rekapitulierend ab und kann täglich ab 23.10 Uhr gehört werden, an seinem Ende steht eine Presseschau, die „in die Zeitungen von morgen blickt“ und so nicht zuletzt einen süßen Informationsvorsprung gegenüber den reinen Lesern von Zeitungen verspricht, auch als Entschädigung dafür, dass man so lange durchgehalten hat oder einfach nicht einschlafen kann. Aber das sind Belohnungen, die für den, der keine Zeitung mehr liest, keinen Wert haben. Da hilft es auch nichts, dass es diese Presseschau natürlich längst auch in der Mediathek gibt.
Zwar mag es Leser geben, die wissen wollen, wie man vor fünf Tagen den nächsten Tag informationsmäßig einläutete, aber allein auf der Existenz von Schrullen wird man ein mythisches Radio nicht bauen können. Die Zukunft der Presseschau liegt auch nicht darin, dass man sie den neuen Hörergewohnheiten anpasst, sondern darin, dass man sie – wie die Staumeldungen – irgendwann einmal halt doch abschafft.
Dass es sie noch gibt, hat vielleicht etwas damit zu tun, dass man intuitiv ahnt, wie viel auf dem Spiel steht. Nämlich keineswegs nur ein paar liebenswerte Verschrobenheiten, sondern ein essenzieller Beitrag zu einem halbwegs noch vernünftigen Gemeinwesen. Ist der Deutschlandfunk nicht eben genau jenes zivilisierende, Milieus übergreifende Medium, dessen Fehlen man an anderen Beispielen beklagt (früher die Verblödung durch die Bild-Zeitung und heute die Regression durch die sozialen Netzwerke)?
Hier zwei Argumente, die diese These stärken. Das eine subjektiv: Fast alle vernünftigen und klugen Menschen, die ich kenne, hören, soweit bekannt, Deutschlandfunk respektive Deutschlandfunk Kultur. Dafür, dass mein subjektiver Eindruck eigentlich gar nicht falsch sein kann, sprechen die imposanten objektiven Zahlen: Rund 37 Millionen Hörerinnen und Hörer schalten werktäglich mindestens einen öffentlich-rechtlichen Radiosender ein. Das entspricht einem Anteil von 52,5 Prozent der deutschsprachigen Bevölkerung ab 14 Jahren. Den Deutschlandfunk schalten von Montag bis Freitag immerhin zwei Millionen Hörer ein. Die Zahlen sind von 2019.
Die Deutschlandfunk-Hörer sind also eine Macht. Sie tragen zum Zusammenhalt einer zerfallenden Gesellschaft entscheidend bei, denn verbunden sind ihre Hörer eben nicht nur durch partielle Interessen (Krimis, Dopingprobleme im Sport, Ungerechtigkeiten im Nahen Osten, Raumfahrt etc.), sondern durch die Partizipation an einem Mythos. Diese Macht ist diskret und den Programmverantwortlichen vermutlich schwer zu vermitteln, da die ja vorrangig Sorge haben, den Medienwandel zu verpassen („Wir brauchen noch mehr Podcasts!“), aber selbst wenn sie vermittelbar wäre, folgte daraus vermutlich nichts, denn das Radio verkauft sich im Konkurrenzkampf der Medien krass unter Wert, was auch damit zusammenhängt, dass Konkurrenzmedien wie die Zeitungen es tunlichst kleinschreiben.
Küche putzen und lauschen
Nun sind Rituale das eine, aber natürlich vermittelt das Radio auch eine Weltsicht. Und hier steht neben ARD und ZDF vermehrt der Deutschlandfunk unter Beobachtung, denn die „Zwangsgebühren“ zahlt man ja auch für ihn. So machte die NZZ vor ein paar Wochen einen Selbstversuch, hörte zwei Tage Deutschlandfunk durch und kam zu dem Schluss, dass man heute von einem „Grünfunk“ sprechen könne, wo früher die Rede vom „Rotfunk“ war. Meint: Umweltthemen finden große Resonanz, innere Sicherheit aber zum Beispiel nicht, und wenn, dann wird eher der kritische Polizeibeamte gefragt, der sich um rechtsradikale Tendenzen unter seinen Kollegen sorgt, als dass Integrationsprobleme thematisiert werden. Dieser Eindruck täuscht natürlich nicht und ist wohl weniger einer großen Absicht geschuldet als vielmehr die Folge von Blasenbildungen, die man relativ leicht korrigieren könnte und sollte.
Anspruchsvoller ist es, als Radio im Medienwandel zu bestehen und ihm eben ein Stück weit aktiv zu trotzen. Man müsste dann seine Hörer bewusst dazu animieren, sich ihren Tag nach dem Programm zu strukturieren. Ich kann nur sagen: Wie angenehm wird zum Beispiel das Kücheputzen am Samstagvormittag, wenn man dazu Gesichter Europas hören kann.
Kommentare 60
stau-meldungen aus allen stau-gauen deutschlands sorgten
für vertrauen in den stabilen zu-stand auf straßen und zäh-fließendes
gegen be-unruhigendes in D.
die erwartbaren meldungen des zusammen-halts
bildeten die kontinuierliche bass-linie
für illusions-behaftete aufschwungs-/ausbruchs-versuche .
zentrale stau-meldung: dein verschwinden
bereitet vor auf eine zeit : ohne merkel......
In einer Welt, deren Komplexität heute auf vielen Kanälen zu uns durchdringen kann, steht das Radio, wie auch andere lineare Medien vor einer unlösbaren Aufgabe. Ende der 90-er Jahre habe ich aufgehört, Radio zu nutzen. Einige Jahre vorher habe ich dem damaligen Chefredakteur von MDR-Sputnik noch heftig widersprochen, als er seine Vision von einem durch die Hörer gestalteten Radioprogramm vortrug. Radio hatte damals für mich die Funktion, mich mit Neuem aus allen kulturellen Bereichen bekannt zu machen. Der politische Teil hat mich weniger interessiert, weil ich lieber in meinem eigenen Tempo lese und selbst auswählen möchte, wie ausführlich ich mich mit einem Thema beschäftige. Mit dem flächendeckenden Übergang zum Formatradio, hat das Medium seine eigene Sterbestunde eingeläutet. Der Controller hat mehr zu sagen als die immer weniger werdenden Redakteure. Es wird hier Medienfachleute geben, die aufzeigen können, wie viel Recherchearbeit vor 40 Jahren in eine Sendung gesteckt worden ist und welche dafür heute aufgewendet wird. Das geht einfach zu Lasten der Qualität. Wenn ich mich auf Radio einlassen soll, dann müsste ich in Kauf nehmen, dass viel zu viel (für mich) unnützer Ballast geliefert werden würde, dem ich dann auch noch linear zu einer nicht von mir bestimmten Zeit ausgeliefert wäre, zu der ich eventuell gar nicht in Stimmung dafür bin.
Radio ist für mich tot. Die Zeiten der Identitätsstiftung sind lange vorbei. Die Erinnerungen an die Erkennungspaukenschläge des "Soldatensenders" sind sicher süß, aber ob sich dieses Gefühl heute wieder einstellen würde, bezweifle ich. Auch kann ich ganz gut auf den Vorläufer des Verkehrsfunks verzichten. "Wasserstände und Tauchtiefen" (langsam vorgetragene Wasserstandsmeldungen für die Binnenschiffahrt, immer 6:55 Uhr (?) und 11:55 Uhr) auf Radio DDR 1 sind wenigstens zum geflügelten Wort geworden.
Ha, schön. Ich bin auch bekennender Radiofan, öffentlich-rechtlich und höre eigentlich vor allem Radio, wenn ich das Haus verlasse. Dann, da mein Autoradio wegen wiederholtem Durchbrennen der Sicherung den Geist aufgegeben hat, bzw., es irgendwann aufgegeben habe eine neue rein zu tun, mit Knöpfen im Ohr, die ich auch zum Einkaufen oder so drin habe. Wenn ich das zugehörige Radio, so'n olles, billiges Grundig Ding, das die mit Abstand höchste Lebensdauer der Batterien hat, dann mal raushole (oder gefragt werde, was ich denn da eigentlich immer höre: „Radio“), gibt es so Nostalgieanwandlungen, bei einigen („Oh nein, was ich denn das?“) weil das Ding einem alten Walkman so ähnlich sieht.
Manche meiner Lieblingssendungen sind tatsächlich mit Ritualen verbunden, meist mit einem Abendspaziergang, eine Stunde ist da immer eine gute Zeit, zum besinnen, zum erleben des Wechsels der Jahreszeiten, Brombeeren essen und dergleichen. Zu Hause höre ich Radio in aller Regel über mein Handy, auch diese alte Variante, die man zum telefonieren und eben Radio hören nutzt, in meinem Fall.
Die Vielfalt in Informationstiefe finde ich super, man kann halt einkaufen, kochen und sowas mit dem Programm auf den Ohren, meistens meide ich Musikprogramme, mit seltenen Ausnahmen, Es ist das Medium was bei mir quantitativ in den letzten Jahren gewonnen hat, neben Internet, dort meistens Lesen und Schreiben, beides geht manchmal parallel.
Am meisten quantitativ gelitten hat bei mir das Fernsehen, einzige Ausnahmen „Tatort“, hat sich irgendwie ritualisiert eingebürgert (obwohl ich Krimis an sich gar nicht mag), aber fast immer aus der Konserve (über PC) und „tour de france“, die immer nur live und exzessiv, mindestens alle Bergetappen, bei der Frau. Ansonsten bin ich vom Fernsehjunkie – aber eher aus Gewohnheit, denn aus Leidenschaft (wir hatten ja nix) – zum Verweigerer geworden, aber nicht irgendwie aus bestimmten Überlegungen, Protest oder so, juckt mich einfach nicht mehr, ich selbst habe seit Jahren keinen Fernseher mehr. Früher habe ich immer diese Polittalkshow geguckt, da lies bei mir unter Unterhaltung, so wie Sport, aber kann ich nicht mehr, Manchmal versuche ich es noch mal, nach 10 Minuten geht’s nicht mehr, alles schon mal irgendwie gehört, gesehen … Bei AKKs Abgang habe ich eine Ausnahme gemacht, so aus Sensationsgier.
Diese Serieneurphorie, hat mich nicht erfasst, habe kein Abo bei Netflix, Amazon oder was es da gibt. Auch längere Sendungen bei youtube oder so, finde ich oft langweilig, „Augstein & Blome“ gucke ich tatsächlich fast immer. Ich habe mir immer mal vorgenommen, mir solche Influencer Sendungen, bei denen jemand auspackt, was sie gerade im Drogeriemärkt „gekauft“ hat, anzugucken, um sowas einfach mal gesehen zu haben, aber irgendwie kommt täglich was Neues dazwischen.
Aber es ging ja auch ums Radio, ja, super, bin inhaltlich so auch auf der Informatons- und Wissenschiene unterwegs: Philosophie, Wissenschaft, Kultur, Politik, Kochen und Kabarett und ausgedehnte Gespräche mit interessanten Zeitgenossen, sowie regionale Bürgergespräche. Eher Abends, als Morgens, da brauche ich Ruhe, Kaffee und schreibe gerne – weil ich dabei nicht denken muss, ;-)
Sehn' Sie, so ist man verschieden, schon im Bereich der Alltagspraktiken, was einem im Grunde einerseits egal sein kann, da wir in einer 'jeder, wie er will' Welt leben, stärker, als je zuvor, auch die Möglichkeiten dazu betreffend. Auf der anderen Seite ist glaube ich genau das die Gefahr, dass zwangsläufige Überschneidungen von Alltagspraktiken, die immer ein Stück weit gesellschaftlicher Kleister waren, nun auch noch wegfallen oder langsam ausgedimmt werden.
Auch 'im Internet' unterwegs zu sein, heißt ja erst mal nicht, dass man auch nur eine Sekunde das sehen, hören oder lesen muss, was der andere. Irgendwann hat man sich nichts mehr zu sagen, das ist es glaube ich, was die Gesellschaft fragmentiert.
Über welche Radiosendung können Sie sich noch zeitnah mit Freunden, Bekannten oder Verwandten austauschen, weil jeder dieselbe gehört hat? Und wie oft passiert das?
Ich hatte gestern wieder einen intensiven Gesprächsabend mit Freunden, denen ich vorher Artikel aus dem Internet geschickt hatte. Den wegbrechenden Kitt der Medien müssen wir selbst in kleinen Kreisen erzeugen. Radio wird das nicht mehr ermöglichen.
Zum Stichwort Fragmentierung habe ich einen Abschnitt aus dem Buch "Der flexible Mensch" von Richard Sennett zur Hand, weil ich es gerade digitalisiert habe. (Es geht um Bill Gates in Davos.)
"Dieses Fehlen langfristiger Bindungen ist mit einem zweiten persönlichen Merkmal der Flexibilität verbunden, der Hinnahme von Fragmentierung. Als Gates im letzten Jahr sprach, gab er einen spezifischen Ratschlag. Er sagte uns, das Wachstum von Technologiefirmen sei eine unordentliche Angelegenheit, voller Experimente, Sackgassen und Widersprüche. Dasselbe erzählten auch andere amerikanische High-Tech-Vertreter ihren Kollegen aus den europäischen Ländern des Rheinmodells, die scheinbar auf die alte formalistische Art eine systematische »Technologiepolitik« für ihre Firmen oder ihre Länder anstreben. Wachstum findet nicht auf diese ordentliche, bürokratisch geplante Art statt, sagten die Amerikaner.
Vielleicht ist es nicht mehr als wirtschaftliche Notwendigkeit, was die Kapitalisten heute zur gleichzeitigen Verfolgung vieler Möglichkeiten treibt. Solche praktischen Realitäten erfordern jedoch eine besondere Charakterstärke - das Selbstbewußtsein eines Menschen, der ohne feste Ordnung auskommt, jemand, der inmitten des Chaos aufblüht. Wie wir gesehen haben, litt Rico emotional unter der gesellschaftlichen Entwurzelung, die seinen Erfolg begleitete. Die wahren Sieger leiden nicht unter der Fragmentierung, sie regt sie vielmehr an, an vielen Fronten gleichzeitig zu arbeiten; das ist Teil der Energie, die den irreversiblen Wandel antreibt.
Die Fähigkeit, sich von der eigenen Vergangenheit zu lösen und Fragmentierung zu akzeptieren, ist der herausragende Charakterzug der flexiblen Persönlichkeit, wie sie in Davos an den Menschen abzulesen ist, die im neuen Kapitalismus wirklich zu Hause sind. Doch diese Eigenschaften kennzeichnen die Sieger. Auf den Charakter jener, die keine Macht haben, wirkt sich das neue Regime ganz anders aus."
Ein Lobeslied aufs Radio. Wie schön. Mein Lieblingsmedium..
Apropos Ritual. Ich habe seit meiner frühen Kindheit ein Bild im Kopf: Mein Vater, noch jung, damals noch Pfeife rauchend, abends am Radio drehend, nach Jazz, Hörspielen, Politik und guten Features suchend. Die Suchthemen habe ich freilich erst später mitbekommen. Später hörte ich dann mit meinem Vater ritualmäßig samstags, ganz laut und zum „Leidwesen“ meiner Mutter, die Fußball nicht wirklich mag und kommentiert von den Brüdern -"irre", Radio-Fußballübertragungen im Auto vor der Garage. 1996, als Deutschland Fußballeuropameister wurde, schalteten wir den Fernsehton ab und stattdessen den Radiokommentar an. Mein Vater und ich haben das oft gemacht. Mein Vater war ja kein TV-Freund, weshalb wir Kinder auch erst sehr spät Fernsehen regelmäßig sehen durften. Vielleicht bin ich wegen ihm auch Radio und Zeitungsfan.
„Über welche Radiosendung können Sie sich noch zeitnah mit Freunden, Bekannten oder Verwandten austauschen, weil jeder dieselbe gehört hat? Und wie oft passiert das?“
Meine ich ja, das zerfällt. Am besten geht Bundesliga, aber die höre ich sehr selten. Ansonsten interessiert sich in aller Regel eh kein Mensch (im nahem Umkreis) für meine Themen, das zieht sich biographisch durch.
„Ich hatte gestern wieder einen intensiven Gesprächsabend mit Freunden, denen ich vorher Artikel aus dem Internet geschickt hatte. Den wegbrechenden Kitt der Medien müssen wir selbst in kleinen Kreisen erzeugen. Radio wird das nicht mehr ermöglichen.“
Kann man machen, habe ich auch mal sehr gerne gemacht, ich hatte mal über mehrere Jahre einen von den „Integralen Salons“ (die Welt von Ken Wilber), das hat oft sehr großen Spaß gemacht, ein legendärer Abend ging mal bis etwa Nachts um 4 (von 20:00 Uhr) und die Leute – ich habe das bewusst für einen kleinen Kreis gemacht – kamen mitunter von weiter her. Dieses Salonwesen hat schon was, gibt es auch gar nicht so selten, wie man meinen sollte. Aber das sind ja nur kleinste Segmente, obwohl mir das als Biedermeierfan schon liegt, zum gesellschaftlichen Kitt taugt das nicht.
Was Sennett zu den Fragmentierungen schreibt, ist nicht schlecht, mir aber einen Tacken zu idealisiert. Soll heißen, ja, ich glaube, es gibt diese Leute die mit Fragmentierungen bestens zurecht kommen, es sind zum einen vielleicht jene Starken, die das äußere Chaos durch eine innere Ordnung/Struktur bändigen können, auf der anderen Seite sind es auch jene, die eine Aufmerksamkeitsspanne von 15 Sekunden haben und dann schon woanders sind, weil sie innerlich fragmentiert sind, Und der Psychologe in mir sagt, dass das nicht gut, sondern pathologisch ist.
Die Anderen sind von der Fragmentierung eher beunruhigt, sie haben das Gefühl, dass ihre über Jahrzehnte sicher geglaubte Welt so langsam zerfällt, was ja auch stimmt.
"Die Anderen sind von der Fragmentierung eher beunruhigt, sie haben das Gefühl, dass ihre über Jahrzehnte sicher geglaubte Welt so langsam zerfällt, was ja auch stimmt."
Genau davon schreibt Sennett. Sein Stil ist sehr gut zu Lesen und er steht auf der Seite der Schwachen. Er zieht das Ganze anhand des Inhalts von Interviews auf, die er über die Jahre gemacht hat. Der Einstieg gelingt ihm mit der Lebensgeschichte eines italienischen Einwanderers, der sich seinen Traum vom eigenen Haus durch harte Arbeit und Entbehrungen erfüllen kann. Dessen Kinder wachsen jedoch in einer vollkommen veränderten Welt auf. Der Sohn wird viel erfolgreicher, bezahlt dafür aber mit charakterlichen Defiziten. Sennett beschreibt sehr anschaulich, dass durch die veränderten Arbeitsbedingungen langfristige Bindungen nur noch die Ausnahme darstellen.
Weil ich das genauso erlebe, stecke ich viel Aufwand in den Erhalt meines Freundeskreises, der auch dadurch langfristig erhalten bleibt. Was Angele im Artikel beklagt, wird durch Sennett in seinen Büchern empirisch belegt. Ich kann sie nur empfehlen. Hier kann man eine Radiosendung (Wie lange bleibt der Mensch noch wichtig? | Sternstunde Philosophie | SRF Kultur) nachhören, wenn man sich die Bücher (noch) nicht antun will. Zufällig geht es am Anfang um das Buch "Der flexible Mensch" und die Probleme 20 Jahre danach im Aufdämmern der Künstlichen Intelligenz.
Ich lese eigentlich keine Bücher, die mir das, was ich schon weiß noch mal bestätigen, viel lieber habe ich neue Einsichten und Aspekte. Was Sennett da anführt ist mir seit längerem schon klar.
Mir sind immer die Bücher, bis heute, haften geblieben, die alles was ich kannte und dachte radikal über den Haufen geschmissen haben. Das finde ich herausfordernd.
Das kann natürlich nicht immer der große Wumms sein, kein Mensch verändert halbjährlich sein Weltbild, die meisten ab 20 nie mehr oder vielleicht ein Mal, also bleiben die kleinen Einsichten und glitzernden Mosaiksteinchen, gerne im Radio. Meine Philosophie-Sendung höre ich oft mit größtem Genuss, die einstündigen Gespräche, in denen Person & Werk/Arbeit vorstellt werden, sind oft ein Erlebnis und manche Features sind super.
Das Radio teilt die Grundproblematik aller Medien: Es ist zu sehr damit beschäftigt, Weltanschauung zu vermitteln und zu festigen. Insofern ist es eines von mehreren Medien, das ich gelegentlich heranziehe, aber ich schalte auch schon mal mitten im Satz ab. Glücklicherweise scheinen die Redaktionen, geschweige die Controller unfähig zu sein, die Signaturen zu bemerken, die mit intentionaler Berichterstattung einhergehen.
"Das Radio teilt die Grundproblematik aller Medien: Es ist zu sehr damit beschäftigt, Weltanschauung zu vermitteln und zu festigen. Insofern ist es eines von mehreren Medien, das ich gelegentlich heranziehe, aber ich schalte auch schon mal mitten im Satz ab."
Weil der Inhalt der eigenen, gefestigten Weltanschaaung nicht en detail entspricht?
Nein, weil es langweilig ist, mich manipulieren zu lassen. Wenn es schon keine Option sein darf, mich nicht zu manipulieren, möchte ich wenigstens so manipuliert werden, dass ich es nicht merke. Das gilt übrigens auch dann, wenn in Richtung meiner eigenen Ansichten manipuliert werden soll. Soviel innere Distanz bringe ich dann doch noch auf.
Menschen sind zum Glück verschieden. Ich lese Bücher nicht nur, um inhaltlich neue Einblicke usw. zu bekommen. Ich empfinde großes Vergnügen, wenn jemand stringent argumentieren kann, wenn der Autor virtuos mit Sprache umgeht und besonders, wenn ein Thema wirklich tiefgründig abgehandelt wird. All das findet man kaum beim gesprochenen Wort, welches dann noch an Spontanität und Linearität leidet. Der grundlegende Unterschied zwischen schriftlichem Ausdruck und mündlicher Kommunikation ist heute wie auch früher nur wenigen bewusst.
„Nein, weil es langweilig ist, mich manipulieren zu lassen. Wenn es schon keine Option sein darf, mich nicht zu manipulieren, möchte ich wenigstens so manipuliert werden, dass ich es nicht merke. Das gilt übrigens auch dann, wenn in Richtung meiner eigenen Ansichten manipuliert werden soll. Soviel innere Distanz bringe ich dann doch noch auf.“
Das ist der Punkt. Man kann schlecht sagen, man könne keine Einseitigkeiten ertragen, aber bei Abweichungen von dem, was man gerne hat, gleich abbrechen, weil das einfach ein klassischer Widerspruch ist.
Der einzige Grund, etwas anzuhören, was man schon 1000 Mal gehört und bereits durchdrungen hat, ist Einsamkeit.
Schon klar, ich bin da auch kein Purist, sondern reden lediglich von Tendenzen. Aber so oder so, ist Verschiedenheit unsere Stärke, nicht unsere Schwäche, ebenfalls der vermeintliche Irrationalismus, den viele kritisieren.
Und gleich geht es wieder zur Spazierrunde, mit dem Radio auf den Ohren.
Mit dem durchdrungen haben, das ist der springende Punkt. Ich habe früher Vorträge auf Kassetten wieder und wieder gehört und auch wenn man sie passagenweise auswendig mitreden kann, erschließt sich doch manches, was man eigentlich kennt, doch erst nach und nach, mitunter nach Jahren oder Jahrzehnten.
Etwa so, wie man ein Gedicht immer besser versteht, was man seit ewigen Zeiten auswednig kann, oder eine Liedzeile, die einen schon mehr als ein halbes Leben begleitet.
Ja, ja sprach der alte Oberförster und schwang sich von Kronleuchter zu Kronleuchter, um die Teppiche zu schonen.
Die Nostalgie der Schirrmacher-Adepten ist bemerkenswert. Die darüber übersehen, dass dem DLF (inkl. Kulturradio) in dem Maße sinnvoll-tragende Dissidenz abhanden gekommen ist, in dem der Netzauftritt optimiert wurde. Jetzt kann man zwar die Texte u. Sendungen nachlesen/-hören, aber es da ist kaum mehr etwas Wichtiges drin. Für Relevanteres wurde die dlfnova als eine Art provisorische Paletten-Bühne hingerotzt ("Hörsaal"), auf der sich aber auch schon zu 80% Petitessen bis Belanglosigkeiten tummeln.
Danke für ihre schönen Einlassungen hier
Welchem Adeptentum Sie fröhnen, ist ja leider infolge ihrer Anonymität hier nicht feststellbar. Nur so viel: Mit Schirrmacher hat mein Radioartikel nichts zu tun, ich glaube, der wäre eher auf ihrer Seite.
Der springende Punkt liegt darin, dass Manipulationen eine Signatur erzeugen, die erkennbar ist. Zumindest lässt sich sagen, dass viele Medienjournalisten nicht davon auszugehen scheinen, dass ihre Aussagen gegengeprüft werden und zwar auch anhand von Medien, die von gegenläufigen politischen oder weltanschaulichen Voraussetzungen ausgehen. Wenn man solche Prüfungen in aller Konsequenz durchführt, lässt sich das Erkennen der Signaturen von Manipulationen sehr schnell erlernen, auch wenn das natürlich nicht im Sinne einer absoluten Beweisführung zu verstehen ist. Aber die Fehleinschätzungen werden im Laufe der Zeit immer weniger.
Der Nachteil der Methode: Man merkt immer deutlicher, welchem informativen Treibsand Medienkonsumenten ausgesetzt sind. Das ist nur bedingt tröstlich fürs Nervenkostüm.
Nebenbei: Menschliche Psychen sind bestens befähigt, klassische Widersprüche zusammenzuzwingen.
Gern.
Dass man vielleicht gar keinem "Adeptentum fröhnt", kommt in Ihrem Welt- bzw. Menschenbild offenkundig gar nicht vor. Und zu meiner "Anonymität" gelangen Sie nur, weil Sie die Augen und Ohren fest zumachen, sobald es etwas über mich in Erfahrung zu bringen gibt. Und dass Sie oft nicht dort waren, wo es um etwas ging, ist ja nicht mein Problem.
"Mit Schirrmacher hat mein Radioartikel nichts zu tun, ich glaube, der wäre eher auf ihrer Seite."
Ja klar, S. hat mit Medien nix zu tun, und Ihre Autorschaft hier, bei bekennender Schirrmacherei, spielt keine Rolle/stellt keinen Zusammenhang, aha.
Und dass ich hier eine "Seite" hätte, auf die sich S. o. a. stellen könnte(n), sehe ich nicht.
„Der springende Punkt liegt darin, dass Manipulationen eine Signatur erzeugen, die erkennbar ist. Zumindest lässt sich sagen, dass viele Medienjournalisten nicht davon auszugehen scheinen, dass ihre Aussagen gegengeprüft werden und zwar auch anhand von Medien, die von gegenläufigen politischen oder weltanschaulichen Voraussetzungen ausgehen.“
Die Frage ist, ob man das auf dieser Basis tatsächlich 'prüfen' kann, oder ob da dann einfach Meinung gegen Meinung steht. Oft rückt der eine diesen Aspekt in den Vordergrund, der andere jenen und so weit ich das inzwischen sehe, ist die Möglichkeit das alles in Richtung einer, genau einer und für alle verbindlichen Wahrheit, auflösen zu können, eher gering.
Aktuell: Jetzt haben wir durch eine neue Zählweise über Nacht 20.000 Coronafälle mehr. Ein Grund zum Fürchten, weil deutlich mehr als angenommen? Oder ein Grund zur Entspannung, weil die Sterblichkeitsrate durch noch mal gesenkt wurde? Die Zahlen – die angeblich immer so nackten, nüchternen – geben beides her (und noch jede Menge weiterer Interpretationen).
„Wenn man solche Prüfungen in aller Konsequenz durchführt, lässt sich das Erkennen der Signaturen von Manipulationen sehr schnell erlernen, auch wenn das natürlich nicht im Sinne einer absoluten Beweisführung zu verstehen ist. Aber die Fehleinschätzungen werden im Laufe der Zeit immer weniger.“
Ja, das denke ich auch, bestimmte Muster lassen sich erkennen.
„Der Nachteil der Methode: Man merkt immer deutlicher, welchem informativen Treibsand Medienkonsumenten ausgesetzt sind. Das ist nur bedingt tröstlich fürs Nervenkostüm.“
Das war ja nie anders. Unser Wissen über Cowboys und Indianer, Sissi, Ritter und Seeräuber und dergleichen haben wir in aller Regel aus alten Kinofilmen, die oft aus Kitsch und Klischees bestanden. Dass man heute überhaupt misstrauisch ist, sein kann, ist im Grunde schon einen Schritt weiter, fühlt sich aber nicht gut an. Das Problem sind nicht die armen anderen, sondern es ist die eigene Verunsicherung, unter der man leidet, so dass man nach einem Fundament sucht. Blöd ist dabei, wenn man es zu schnell findet und die eine einfache Antwort auf alles gefunden zu haben glaubt.
Aber die Möglichkeit den Ausweg zu finden, ist immer dieselbe, die wir ja schon angewandt haben: Man kann innerlich eine Schritt zurück treten und die Muster der neuen Wahrheit sehen lernen, die neuen Prämissen ebenso hinterfragen, freilich um den Preis, wieder im Regen zu stehen und das fühlt sich nicht gut an. Und man ahnt irgendwie, dass der letzte Grund den man für den eigenen Anker findet, letztlich wirklich die Stufe der eigenen Inkompetenz markiert, also jenen Grad an Komplexität, den man gerade noch so überblickt. Der geniale Geist ist gerne mal einsam, da ist es gut, dass man sich da oft überschätzt.
Aber ich finde Ihre Kritikpunkte hier und da schon richtig, Sie legen den Finger da in Wunden, die ich durchaus auch sehe.
„Nebenbei: Menschliche Psychen sind bestens befähigt, klassische Widersprüche zusammenzuzwingen.“
D'accord. Das ist eigentlich der einzige Einwand, den ich (bisher) gegen Habermas' neues Buch habe, da reitet er immer wieder auf der kognitiven Dissonanz rum (von der es heißt, der Mensch leide darunter), aber mein Eindruck ist da wie Ihrer, dass es eine große, also um ehrlich zu sein, größere Menge von Menschen gibt, die mit eben diesen offenen Widersprüchen bestens leben können, ohne auch nur die Spur darunter zu leiden.
Was ich Habermas zugute halte, ist, dass es m.E. eine Schwelle gibt, die, wenn man sie übersprungen hat, Selbstwidersprüche oder kognitive Dissonanzen wirklich als schmerzhaft erscheinen lassen, aber viele sind halt diesseits der Schwelle und da ist der Mensch vielleicht immer noch durch 'das Spiel des Gebens und Nehmens/Verlangens von Gründen' definiert, aber diese Gründe fallen mit Klischees zusammen, die dann zu schnell und zu unkritisch überzeugen. Die Welt kann durchaus logisch rund sein, wenn sie nur eng genug ist.
Ja ... DAB+ ... seit 2 Jahren. Hinfahrt am Morgen mit Deutschlandfunk Kultur, Rückfahrt mit MDR Aktuell, werktags. Heute, da an jeder Hauswand 10 WLAN-Netze aufschlagen und man mit Podcasts sich den Tag sortiert, hat das alles nix mehr mit Radio zu tun. Manchmal sehne ich mich zurück zu LW, MW oder Kurzwelle. Da hatte man noch Reichweite, war Krisensicher auf dem 49m-Band!
Ja ... DAB+ ... seit 2 Jahren. Hinfahrt am Morgen mit Deutschlandfunk Kultur, Rückfahrt mit MDR Aktuell, werktags. Heute, da an jeder Hauswand 10 WLAN-Netze aufschlagen und man mit Podcasts sich den Tag sortiert, hat das alles nix mehr mit Radio zu tun. Manchmal sehne ich mich zurück zu LW, MW oder Kurzwelle. Da hatte man noch Reichweite, war Krisensicher auf dem 49m-Band!
"Meinung gegen Meinung" wäre der schlimmste Fall, aber was wäre daran schlimm? Es gibt individuelle Grenzen für das, was als gerade noch konsenszugänglich erlebt wird, und solange Menschen sich nicht auf der großen Weltrettungs-Queste fühlen, wird es in aller Regel auch nicht als so schlimm erlebt, wenn Konsens ausbleibt.
"Prüfen" können wir ohnehin nur auf Grundlage von Wahrscheinlichkeit. Existiert die Antarktis? Wahrscheinlich, weil der Aufwand, mir durch fingierte Bilder und Geschichten unter Einbeziehung vieler Menschen die Existenz dieses Kontinents vorzugaukeln, durch keinen sachlichen Grund zu rechtfertigen wäre. "Wissen" als Folge eigenen Dortgewesenseins ist das nicht, jedenfalls nicht bei mir.
Allerdings folgt daraus eben nicht, dass der Aufwand in allen Fällen zu hoch wäre.
@Corona wäre der Verzicht auf eine Interpretation die einzige angemessene Reaktion.
Auch der weniger geniale Geist ist einsam, spürt es aber nicht so drängend, sobald Bilder Wärme suggerieren.
Die Fähigkeit, kognitive Dissonanzen auszuhalten, ist eines der Kriterien einer gesunden Psyche. Gesund, bis die Disfunktionalität, die damit einhergeht, gesundheitsschädlich wird. Gleichgewicht ist alles.
Es ist das letzte Medium, das unser Gemeinwesen zusammenhält.
Das mögen die Initiatoren des Weltradiotags wohl auch gedacht haben, aber wenn das stimmte, müsste man sich um die soziale Kohäsion nicht einmal mehr Sorgen machen. Genauso gut lässt sich behaupten, ohne Waschmittelwerbung würde das Land im Dreck versinken.
Wenn "Das war der Tag" beginnt, schlafe ich längst - ohne Radio. Außer an jenen ganz besonderen zwei bis fünf Abenden im Jahr. "Gruß an Bord" z. B. muss sein. Ich bin aber froh, dass das außer mir niemand hören will, denn natürlich wäre mir meine Schwäche für gefühlt ein Dutzend irgendwie jazzige Silent-Nights-Holy-Nights ja doch peinlich.
Erstaunliche Themen hier. Corona verbreitet sich rasant und am Südpol sind es gerade über 20°. Möge die Welt untergehen, aber wir hören Radio - so?
Wenn Sie das Coronavirus und die Klimakatastrophe in einem Atemzug nennen, haben Sie nichts begriffen, verfügen aber bei zero Peilung über erstaunlich viel Urteilsfreude.
Je nach Lebensalter versteht man Dinge anders, weil sich der Verstehende ändert. Ob aber besser, ist fraglich. Letztlich ein Spiel.
Im einen Fall wird ein vom Aussterben bedrohtes Tier gegessen, das das Virus übertragen hat, im anderen Fall werden Landschaften zwecks Bequemlichkeit denaturiert, was wiederum zum Co2 nicht unwesentlich beiträgt. Welchen Unterschied haben Sie denn begriffen?
„"Meinung gegen Meinung" wäre der schlimmste Fall, aber was wäre daran schlimm? Es gibt individuelle Grenzen für das, was als gerade noch konsenszugänglich erlebt wird, und solange Menschen sich nicht auf der großen Weltrettungs-Queste fühlen, wird es in aller Regel auch nicht als so schlimm erlebt, wenn Konsens ausbleibt.“
Theoretisch ist es richtig, dass man sich trennen könnte, mit der Aussage, dass man hier zu keinem Konsens findet, praktisch beginnt dann die Phase, der Übergriffe. Und nicht wenige gehen von Anfang an in das, was sie für eine Diskussion halten rein, ohne auch nur den minimalen Wunsch zu verspüren zu diskutieren.
„"Prüfen" können wir ohnehin nur auf Grundlage von Wahrscheinlichkeit. Existiert die Antarktis? Wahrscheinlich, weil der Aufwand, mir durch fingierte Bilder und Geschichten unter Einbeziehung vieler Menschen die Existenz dieses Kontinents vorzugaukeln, durch keinen sachlichen Grund zu rechtfertigen wäre. "Wissen" als Folge eigenen Dortgewesenseins ist das nicht, jedenfalls nicht bei mir.“
Sehe ich auch so. Nicht nur darum ist Empirie ein guter Prüfstein, aber für die Wahrheits(re)konstruktion denkbar ungeeignet.
„Auch der weniger geniale Geist ist einsam, spürt es aber nicht so drängend, sobald Bilder Wärme suggerieren.“
Das ist aber nur ein Aspekt. Zustimmung und Anerkennung, die Echokammern, das scheint der übergeordnete Punkt zu sein. Man will recht haben und hätte das gerne immer wieder bestätigt. Das gilt für jene, die es gerne warm und lieb haben, genauso, wie für jene, die so auffallend gerne betonen, der Mensch sei eben ein Raubtier und jeder, der was anderes denkt heillos naiv, dumm oder durchtrieben.
„Die Fähigkeit, kognitive Dissonanzen auszuhalten, ist eines der Kriterien einer gesunden Psyche. Gesund, bis die Disfunktionalität, die damit einhergeht, gesundheitsschädlich wird. Gleichgewicht ist alles.“
Ja, Ambivalenzen (bei sich und anderen) tolerieren zu können, ist in der Tat, der nicht eben anspruchslose Ausweis von Gesundheit und Entwicklung, es muss aber ausbuchstabiert werden, was das heißen soll, damit es nicht in jenen oberflächlichen Beliebigkeiten erstickt, die Sie zurecht (wenn auch m.E. hier und da selbst zu einseitig) kritisieren.
"Je nach Lebensalter versteht man Dinge anders, weil sich der Verstehende ändert. Ob aber besser, ist fraglich. Letztlich ein Spiel."
Ich sehe da mehr als ein Spiel, weil sich nämlich die ähnlichen der veränderten Sichtweisen in und zu einem Weltbild (bevorzugten Interpretationsmodus) verdichten und zusammen finden.
Das ist nicht zwingend mit dem Alter verbunden, wichtiger scheint mir die Frage zu sein, zu welchem Grad an Komplexität man gelangt. Das wird gerade in der Zukunft wichtig, wenn wir mehrere Themen zusammen verhandeln müssen, führt aber jetzt von Radiothema weg.
Aber da gilt eben auch, dass man entsprechend gehaltvolle Texte wieder und wieder lesen und hören kann. Zumindest aus meiner Sicht.
Man kann auseinandergehen, man kann aber auch den Dissens offen stehen lassen, zumindest solange die dissenten Parteien keine missionierende Ambitionen leben wollen. "Diskussion" in Zeiten, in denen per Mehrheitsakklamation in sozialen Medien entschieden wird, was als Wirklichkeit zu gelten habe, meint ohnehin etwas sehr von dem Verschiedenes als das, was ich darunter verstehe. Des persönlichen Unwillens, die eigene Meinung hinterfragen zu lassen, bedarf es dann schon gar nicht mehr.
Empirie und Wahrheit begegnen sich nicht auf derselben Ebene, deswegen würde ich den Wahrheitsbegriff gerne heraushalten. Ich halte ihn für vergiftet. Mag sein, dass es unvermeidbar ist, von einem definitiven Sosein der Sachverhalte auch dann überzeugt zu sein, wenn hinsichtlich dieses Soseins Unsicherheit besteht, aber es scheint klüger, in solchen Fällen von Behauptungen Abstand zu nehmen. In fast allen Fällen sind Wahrscheinlichkeitsannahmen < 1 und > 0 angemessener als die Verfügung von Wahrheit.
Man kann bestenfalls das eigene Gebiet durchkämmen, lernt an Analogien und Spiegeln, und das ist sehr begrenzt. Die Umwelt hat die Funktion eines Indikators, der auf einen selbst hinweist. Nicht mehr, aber das ist eine Menge.
Im einen Fall wird ein vom Aussterben bedrohtes Tier gegessen, das das Virus übertragen hat ...
Also ... Klimakatastrophe und das Aussterben einer Spezies sind von ungefähr gleichem Gewicht, ja? Neben dem, dass Ihre Gleichgewichtung Stuss ist, können Sie jetzt nach Stockholm gehen und sich Ihren Nobelpreis abholen. Offensichtlich wissen Sie mehr als Ihre wissenschaftlichen Kollegen.
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Ich habe nicht von Gewichten in der Wirkung gesprochen, sondern von Ursachen. Wenn Ihnen an Gewichten gelegen ist, sollten Sie diese benennen können. M.W. kann derzeit niemand abschätzen, ob das Corona zur Pandemie wird. Auch dass die Todesopfer derzeit "nur" alte Leute mit Vorerkrankungen sind, ist nicht maßgeblich für Gewichtung, denn diese Gruppe dürfte auch als erstes von den Folgen des Klimawandels betroffen sein. Wenn Sie aber auf den Unterschied materieller Zerestörung abheben wollen, dann haben Sie Recht: der Klimawandel zerstört neben Menschen auch Gegenstände. Das allerdings als Kriterium für "Gewicht" erscheint mir zynisch.
Sorry für die Abschweifung, Herr Angele - ich stelle das jetzt ein.
Nunja – eigentlich ist das ja keine Eloge auf das Medium Radio, sondern eine Eloge auf den DLF. Na gut – pourquoi pas? Ich habe mir gerade überlegt, was das Medium bringt, was andere nicht bringen. Und kam da – leider – nur aufs Auto. Und die – auf der Piste nunmal unentbehrlichen – Stau-Warnungen. Wozu macht man im Auto sonst das Radio an? Wegen der Musik? Kaum. Allerdings ist es auch in Sachen »Nachrichtenversorgung unterwegs« ganz nützlich. Die Grundlage für das Thüringer Desaster bekamen wir – auf der Rückfahrt vom Tagesausflug über die thüringische Grenze – hautnah via Radionachrichten mit. Reaktion: Uff – gerade nochmal davongekommen.
Trotz gelegentlicher Ausflüge: Ich habe nicht den Eindruck, dass ich durch das Medium Radio mit irgendwas zusammengehalten werde.
„"Diskussion" in Zeiten, in denen per Mehrheitsakklamation in sozialen Medien entschieden wird, was als Wirklichkeit zu gelten habe, meint ohnehin etwas sehr von dem Verschiedenes als das, was ich darunter verstehe.“
Ja, aber, um das Thema mal wieder einzubinden, da höre ich gerade im Radio neue Töne, solche, die gerade nicht schwarzweiß sind, sondern die neuen gesellschaftlichen Realitäten immerhin zur Kenntnis nehmen und zu Wort kommen lassen. Wo früher jemand schnell abgewürgt wurde, darf er heute immerhin sagen, was er denkt, das ist ein Fortschritt.
„Empirie und Wahrheit begegnen sich nicht auf derselben Ebene, deswegen würde ich den Wahrheitsbegriff gerne heraushalten.“
Genau das meinte ich ja auch.
„Ich halte ihn für vergiftet.“
Unterbestimmt, würde ich sagen. Die Ansicht, dass es für alle Menschen gleiche Fakten gibt, die für alle gleichermaßen sichtbar einfach nur 'da sind' und irgendwie herum liegen und eingesammelt werden müssten, ist in der Tat himmelschreiend naiv. Bereits sogenannte Fakten sind in aller Regel Konstrukte, nicht in dem Sinne, dass sie falsch sind, sondern sie sind vorselektiert. (Zur Wahrheit im engen Sinne, gibt es drei große und insgesamt 20 Theorien, die alle unvöllständig sind.)
„Mag sein, dass es unvermeidbar ist, von einem definitiven Sosein der Sachverhalte auch dann überzeugt zu sein, wenn hinsichtlich dieses Soseins Unsicherheit besteht, aber es scheint klüger, in solchen Fällen von Behauptungen Abstand zu nehmen.“
Hier beginnt dann die politisch-ideologische Wühlarbeit, die mit größter Selbstsicherheit verkündet, was man nicht sicher wissen kann. Ein Grund, warum mir beides zuwider ist.
„In fast allen Fällen sind Wahrscheinlichkeitsannahmen < 1 und > 0 angemessener als die Verfügung von Wahrheit.“
Ja, aber das entschärft dennoch kaum, weil man dann streiten würde, ob Ereignis X nun zu 0.87 oder doch nur 0.63 eintritt und dann kommt noch dazu, dass der gesunde Menschenverstand, da wo man ihn tatsächlich mal antrifft, Dinge nicht selten profunden einschätzt, als die eine oder andere Scientific Community. Nur weiß man nicht, womit man es im Einzelfall zu tun hat.
Die Übersetzungsarbeit zwischen interessierten Bürgern und der Scientific Community ist eine Rolle, die den Medien zufällt. Da manches auch der Wissenschaft beknackt ist, ist diese Vermittlung keine Einbahnstraße.
Im Grunde ist das auch meine Einstellung. Man muss sich vor Ausschließlichkeiten hüten, um einen Solipsismus zu vermeiden - dass Welt und die anderen dann nur dafür da seien, damit ich was lerne - aber es hat immer auch dieses Aspekt, hält dies als Angebot bereit.
"Erstaunliche Themen hier. Corona verbreitet sich rasant und am Südpol sind es gerade über 20°. Möge die Welt untergehen, aber wir hören Radio - so?"
Aber hier lese ich Sie eher (erkenntis)pessimistisch?
Dafür besteht in dem Sinne kein Grund, weil ja Radio nicht nur eine passive Konsumfuktion haben muss. Wie gesagt, in viele(n) Sendungen kann man sich aktiv einbringen und selbst wenn man es nicht tut, könnten die Sendungen den Horizont erweitern, zum Nachdenken anregen.
Dem Radio kommt m.E. auch insofern eine Sonderrolle zu, als es sich am unkompliziertesten in den Alltag einbauen lässt. Optische Medien fordern stets mehr von unserer Aufmerksamkeit, indem sie uns daran hindern, anderes zu tun, zumindest mehr als das Radio.
Ich fand es lange Zeit immer wichtig, dass Sendungen Live zu hören waren oder - manchmal - auch in einer Illusion von Live.
Gerade beim DLF gibt es diese hochinteressante und anregende "Lange Nacht", Kürzlich hatte ich die Sendung über Christa Wolf und Franz Fühmann verpasst und irgendwie kam ich nicht mehr dazu, sie im Podcast nachzuhören, sie gehörte in die Nacht.
Viele Sendungen, die mit dem direkten Kontakt zum Hörer zu tun haben - haben sich verändert. Früher gabs da einige, die mit dem direkten Anruf arbeiteten. Heute ist es so, dass Zuhörer Reaktionen über die sozialen Medien erfolgen und damit auch Entfremdung einhergeht.
Übrigens: Heute morgen habe ich - kurz bevor mein Mann mich zum Aufstehen ermahnte - noch die Kulturpresseschau vom Arno Orzessek gehört. Der machte auf mit dem Freitag. A-Z- Erkältungsmythen nahm er zum Aufhänger für allerlei Verweise. Das hat sicher den verantwortlichen Redakteur gefreut und mich auch, weil ich da auch oft was beisteure. So geht es mit den Medien.
Mich erstaunt die medial vermittelte Gleichwertigkeit der Themen. Eine Weile wird über Klima geschrieben, daneben über die Sussexes oder das Radio berichtet, und kaum verschwindet das Klima aus den Medien, ist es Thüringen oder Penny Laurie. Ich meine, dass die Beliebigkeit der "Vergnügungen" der maßgebliche Grund ist, weshalb nie etwas erreicht wird. Gehorsam springt man jeweils auf das Angebotene, hat keine eigene Priorität, fordert gar andere zum Gehorsam auf, den vorgegebenen Themen zu folgen.
Ich schließe daraus, dass es den Leuten mit im Grunde nichts ernst ist und sie nur den Thrill und anschließend die Erholung suchen. Womöglich auch nicht wirklich verstehen, was und wo die Bedrohung liegt, die näher kommt.
„Ich schließe daraus, dass es den Leuten mit im Grunde nichts ernst ist und sie nur den Thrill und anschließend die Erholung suchen.“
Ja, der Trend zur Boulevardisierung ist allgegenwärtig. n-tv.de ist da für mich immer der Hammer. Gehört zu RTL, ist an sich gar nicht schlecht, aber neben Weltpolitik kommt dann das Dschungelcamp oder Heidi Klum.
Gegen den Hang zur Emotionalisierung, zum hyperventilierenden Überschnappen, dem Verlust der Impulskontrolle in allen Lebenslagen schreibe ich immer gern an, es wird für überzogen gehalten, das ich das tue. Neben den richtig Durchgeknallten gibt es aber ein größere Gruppe, die, so wie Sie es beschreiben, ihre Empörerlis brauchen, die fest zum Leben dazu gehören. Ein Lebensrecht, wie die Kreuzfahrt. Jetzt ist ja gerade Festzeit, wir sterben alle am Virus, AKK, Nazis überall, geil.
Es hat halt ein bisschen mehr kick, wenn das real ist, als nur im Tatort, aber dann gibt’s eben einen Prosecco mehr und wenn es mit dem Einschlafen noch immer nicht klappt, gibt’s da bestimmt was von ratiopharm.
Anders gesagt, ich freue mich über jeden, der diese Entwicklung auch gaga findet, Risiken und Nebenwirkungen für Individual- und Kollektivpsyche habe ich mich schon bis zum Selbstlangweilen verbreitet.
Nur dass das Radio kein social medium ist. Es bietet zwar gelegentlich wechselseitige statt nur einseitige Kommunikationsformen, aber nicht als Massenphänomen.
"Genau das meinte ich ja auch."
Nun, Sie haben den Wahrheitsbegriff in die Diskussion hinein gebracht, also können Sie eigentlich nicht genau das meinen.
Es ist vielleicht nur eine Betonungsnuance, aber "Fakten" meinen etwas anderes als "Faktizität". Fakten betreffen die Vermittlung von Faktizität. Die Aussage "ich habe mir den Finger verbrannt" beschreibt (falls es so ist) ein Faktum, aber sie erfasst nicht die Faktizität, weder die des Verbrennungsprozesses noch die der vielfältigen Zustände, die mein Finger durchläuft, ehe am Ende die Aussage erfolgt. Faktizität ist daher nur durch eigene unmittelbare Wahrnehmung zugänglich, alles andere sind Fakten, die bereits ganz grundlegend auf einer Ebene von Gläubigkeit angelegt sind, oder von mir aus Vertrauen in Aussagen, wenn Ihnen diese Beschreibung lieber ist.
Daher würde ich den Wahrheitsbegriff gerne heraushalten; Faktizität benötigt ihn nicht, und bei der Vermittlung von Fakten folgt er - und das auch nur im Idealfall absoluter Lauterkeit - der Wahrnehmung des Senders, deren Angemessenheit vom Empfänger in aller Regel nicht geprüft werden kann. Und dass es zur Wahrheit Theorien gibt, heißt ebensowenig, dass es Wahrheit gibt, wie die Existenz von Religionen belegen, dass es Gottheiten gibt.
"ob Ereignis X nun zu 0.87 oder doch nur 0.63 eintritt"
Eine Frage, die gelegentlich von äußerstem Belang und gelegentlich von äußerster Belanglosigkeit sein kann. Da es aber keine umfassende Kindersicherung gegen Dummheit gibt, lässt man sie halt streiten und entzieht sich unterdessen.
Dass der gesunde Menschenverstand - womöglich gleich noch die Schwarmintelligenz - Dinge profunder einschätzt als eine scientific community halte ich zumindest hinsichtlich der hard sciences für ein Gerücht.
Von den Medien lasse ich mir nichts mehr übersetzen. Die sind selbst in ihren bemühtesten Versuchen immer noch politischen Absichten verpflichtet, die sie gerne für sich behalten dürfen.
Lокal Gеilе Sсhlamре
- 100% FREI
- Keinе Kгеditкаrtе
- Тгeffеn und FIСKЕN!
http://kisstok.com
„Nun, Sie haben den Wahrheitsbegriff in die Diskussion hinein gebracht, also können Sie eigentlich nicht genau das meinen.“
Aber so eingebracht: „Nicht nur darum ist Empirie ein guter Prüfstein, aber für die Wahrheits(re)konstruktion denkbar ungeeignet.“ (Moorleiche)
Ansonsten sind wir da, wenn ich das richtig erkenne, eher auf einer Linie:
„Faktizität ist daher nur durch eigene unmittelbare Wahrnehmung zugänglich, alles andere sind Fakten, die bereits ganz grundlegend auf einer Ebene von Gläubigkeit angelegt sind, oder von mir aus Vertrauen in Aussagen, wenn Ihnen diese Beschreibung lieber ist.“
Und darum ist das, was das Relevante an den Fakten ist, wo sie beginnen und enden, ihre Hierarchisierung eben mehr Konstrukt, aus 'der gesunde Menschenverstand' meint.
„Und dass es zur Wahrheit Theorien gibt, heißt ebensowenig, dass es Wahrheit gibt, wie die Existenz von Religionen belegen, dass es Gottheiten gibt.“
Auch hier meine ich dasselbe wie Sie, weil ja zig Theorien, die sich zudem noch widersprechen, ohne dass eine dominiert, gerade nicht überzeugend sind.
Kurz: Wahrheit im alltäglichen Sinne verstanden, kann man benutzen, im strengen Sinne, ist es ein Begriff, der nicht aufgeht.
„Dass der gesunde Menschenverstand - womöglich gleich noch die Schwarmintelligenz - Dinge profunder einschätzt als eine scientific community halte ich zumindest hinsichtlich der hard sciences für ein Gerücht.“
Ich bin kein Vertreter der Ansicht, dass mehr Menschen automatisch mehr wissen, als andere. Neben Schwarmintelligenz gibt es auch Schwarmdummheit, oder anders gesagt, kollektive Täuschungen, Massenregressionen und dergleichen. Die hard sciences folgen oft grundsätzlich nicht weiter reflektieren Prämissen und der Glaube, mit einer größeren Exaktheit darüber hinweg täuschen zu können, kann nicht ersetzen, dass die Prämissen reflektiert werden sollten.
„Von den Medien lasse ich mir nichts mehr übersetzen. Die sind selbst in ihren bemühtesten Versuchen immer noch politischen Absichten verpflichtet, die sie gerne für sich behalten dürfen.“
Das allerdings sehe ich weniger, bzw. es ist etwas, was man ja berücksichtigen kann, bei dem, was man liest oder eben hört. Alles besteht ja in gewisser Weise aus Übersetzungen, nur sind höhere Grade der Komplexität eben nicht ohne Verlust (oft von eben dieser Komplexität) zu übersetzen. Man kann also nicht 'mal eben in drei Sätzen' sagen, was in einem Buch von 500 Seiten steht, aber gewisse weniger komplexe Darstellungen können einem den Weg zu der Entscheidung weisen, ob man es als lohnend erachtet, sich tiefer in die Thematik einzugraben, oder ob es einem reicht, sie am Rande zu streifen.
"Und darum ist das, was das Relevante an den Fakten ist, wo sie beginnen und enden, ihre Hierarchisierung eben mehr Konstrukt, aus 'der gesunde Menschenverstand' meint."
Okay, sogesehen ja. Das Schicksal teilen sie mit jeder der Narration zugänglichen Aussage.
"Die hard sciences folgen oft grundsätzlich nicht weiter reflektieren Prämissen und der Glaube, mit einer größeren Exaktheit darüber hinweg täuschen zu können, kann nicht ersetzen, dass die Prämissen reflektiert werden sollten."
Das kann ich für die hard sciences nur teilweise bestätigen. Naturwissenschaftler sind sich, wie ich sie kennengelernt habe, sehr über die durch die Wissenschaftstheorien ihrer Fächer gezogenen Grenzen des Wissbaren und der Art seiner Findung im Klaren, zumindest jene Wissenschaftler, die sich mit Grundlagenforschung beschäftigen. Bei Ingenieurswissenschaften sieht die Sache schon wieder anders aus, allerdings gibt es für diesen Bereich das Beweisverfahren der funktionierenden Technik, die oft das einzige ist, was Ingenieure interessiert.
"nur sind höhere Grade der Komplexität eben nicht ohne Verlust (oft von eben dieser Komplexität) zu übersetzen"
Zustimmung. Deswegen erarbeite ich mir lieber eine Differentialgleichung als ein populärwissenschaftliches Buch zum Thema zu lesen.
Gut, da sind wir dann einer Meinung, vielleicht mit Abweichungen im Detail, die aber nichts mehr mit dem Thema hier zu tun haben, vielleicht kann man die ja irgendwo noch mal, thematisch passender und gesondert besprechen, hat sich auf jeden Fall gelohnt, da wechselsetig nachzufassen, danke.
Die Einseitigkeit, mit der Sie den Deutschlandfunk hier lobhudeln, ist auch mir zu penetrant, lieber Michael Angele.
Ihre Beschreibung mag für den DLF vor etwa 20 Jahren, so wie ich ihn in Erinnerung habe, noch gestimmt haben.
Heute ist der DLF im Bereich der Politik und vor allem Außenpolitik stark auf Regierungsinteressen und -meinungen eingeengt, unterscheidet sich nicht mehr wesentlich vom Mainstream anderer Medien. Daher hat der DLF für mich an Bedeutung verloren.
Selbstverständlich ist und bleibt es die Aufgabe des bundesweiten öffentlichen Radios, ein gewisses journalistisches Niveau zu halten. Die "Entscheider" und Interessierten wollen mit den täglich notwendigen Fakten und Meinungsbildern versorgt sein und sich ihr eigenes Urteil nicht von vornherein vorgeben lassen.
Eine Größenordnung von 2 Mio. Hörer/innen, war das vmtl. zu allen Zeiten. ---> So what?
Was das allerdings mit Schirrmacher zu tun hat?
In den nächsten Jahren werden viele Millionen Altersarme - vielleicht auch wir selbst? - die wirkliche Bedeutung des Schirrmacher grell ausleuchten.
Schirrmacher hat als als ökonomischer Dummkopf die Altersarmut gepredigt und zahlreiche Feuilleton-lesende ökonomische Dummköpfe - auch in meinem Bekanntenkreis, wider ihre eigenen Intreressen - haben es ihm nachgeplappert.
Ich kenne welche, die haben am Ende eines arbeitsreichen Lebens am Rande der Altersarmut gelebt und ihre paar Groschen trotzdem noch für das FAZ Feuilleton ausgegeben, in dem ihnen genau diese Alterarmut gepredigt wurde: Erbärmlichste "Milchmädchen"-Ökonomie, hier vornehm im Feuilleton eingekleidet, für mich ist das "typisch deutscher Michel".
Schirrmacher ist völlig überschätzt! Er war der letzte Vertreter des Bildungsbürgertums in einer publizistischen Leitfunktion, wie ihn der Neoliberalismus nun nicht mehr braucht und abgeschafft hat.
Sorry, - im aktuellen Wust der Schnuckel-Offensiven und des desolaten deep-link-handlings, -> Fragen-und-Antworten-Blog, bis jetzt übersehen.
S. war m. E. mitnichten ein Letzter des BB, sondern der Erste eines Post-BB, der sich - darin eben den modernen Libs (ich vermeide bewusst "Neolibs") schon zu ähnlich - die Leitungsfunktion gegenüber einer verskrupelten (ein Hauch von Reife liegt darin) und verränkten BB-Schaft mehr ergaunert als verdient bzw. im Seriösen erarbeitet hat. Seine Haltungen zur Altersvorsorge u. v. a. bis zu seinem Rückruf beim ollen Marx belegen vor allem Beliebigkeit/falsch verstandenes "anything goes" (-> Hauptsache es raucht und stinkt Mal in der alten Pennerbude des BB, macht ordentlich Wind und verkauft sich deshalb gut ... ), - sicher alles auch auf dem Boden nützlicher Unkenntnis im Ökonomischen verankert, da haben Sie wohl Recht. Aber er sah sich ja mehr als Kulturfreak, weniger als Ök'm. Von daher hat "der Neolib'mus" ihn auch nicht fallen lassen, sondern viele kleine Schirrmachers erzeugt/Kopien gezogen/, - wie z. B. unseren CR hier, die nach seinem Tod sein Unwerk weiter vollenden
"in un-kenntnis ver-ankert" : köstlich!
treffender als : "im glauben verwurzelt"
4 sterne!
"CR" ? cassetten-recorder?
außerdem : "un-werke " werden nie vollendet, aber intensiv: betrieben.
s.o.
ChefRedakteur!
Voll. von UW? - keine vorschnellen Verallgemeinerungen, bitte. Ich kann Ihren Impuls gut nachvollziehen, aber es gibt vollendete Unwerke! (negative Werke)
Und danke für die Blumen/Sternchen, - bin selbst ganz hingerissen ...
... aber Sie haben das "nützliche" bei Unkenntnis vergessen, - gemeint ist natürlich das karrierenützliche der ök. UK bei ihm.
"unwerk" besser: "schleuder-arbeit"(w.sombart)
ob das besser ist, weiss ich nicht, zeigt aber alles in die gleiche/selbe Richtung. jede zeit u. jede perspektive hat da z. t. eigene wortschöpfungen/begriffe.
Und zum BB wäre das Adjektiv "bräsig", - warum von der auf höchstem Niveau (FAZ-Feuilleton-Redaktion zur Machtübernahme Schirrmachers) geübten Kleingärtnerei abgehen -, neben verskrupelt und verränkt, noch hinzuzufügen.
Von mir aus könnte Schirrmacher (S.) auch "der Erste und Letzte post-Bildungsbürger (BB)" genannt werden. Jedenfalls gehört er einer sterbenden Schicht des Bürgertums an. Wie 'dos' richtig sagt: in ihrem Untergang krass beliebig und opportunistisch, überall mitmischend "wo es dampft und raucht"...
Die Germanisten früherer Jahrzehnte (öfters mit großbürgerlichem Hintergrund) hätten mit Frank Schirrmacher, seiner Beliebigkeit und seinem Opportunismus in allen Gassen - darunter Aussagen zur Altersarmut - NICHTS zu tun haben wollen (obwohl sie in der groben ideologischen Richtung mit ihm übereingestimmt hätten).
Diese Germanisten-Großordinarien hätten keine Stellung genommen, ob die Rentenversicherung wirklich von der Demografie oder nicht vielmehr von der Produktivität abhängt (wie es die Lehrmeinung sagt). Sie hätten darüber geschwiegen und/oder auf ihre Fachkollegen verwiesen.
Sterbende Schicht des Bürgertums:
S. war eine Übergangsfigur. Denn die herausragenden Feuilleton-Leitfiguren gibt es nicht mehr! Sie alle sind heute weggefallen: zu teuer, zu aufwändig steuerbar. Der "Neoglibber" hat nun seine eigenen namenlosen Apparatschiks dafür (Modell: Rating-Agenturen). Um mit Marx zu sprechen: Der ideelle Gesamtkapitalist konnte sich nach dem Mauerfall in die Anonymität der Bürokratie und ihrer Befehlsempfänger zurückziehen...