In Uniform

Neue Rechte Die Bewegung der „Reichsbürger“ scheint völlig durchgeknallt. Doch sie ist weit davon entfernt, harmlos zu sein
Ausgabe 43/2016

Die Bewegung der „Reichsbürger“ besteht aus etwa 1.100 Personen und ist zweifellos verrückt. Sie erkennen die Staatlichkeit der Bundesrepublik nicht an, da das Deutsche Reich in den Grenzen von 1937 oder auch von 1914 noch fortbestehe. Es werden daher kommissarische „Reichsregierungen“ gebildet, von denen man gegen Entgelt „Reichspässe“, „Reichsführerscheine“, „Reichsbaugenehmigungen“ und dergleichen beziehen kann. Das fantasierte Reich wird „Königreich Deutschland“, „Germanitien“ oder „Fürstentum Germania“ genannt.

Verrückte können harmlos sein. Diese aber sind es nicht, wie spätestens am 19. Oktober offenbar wurde. Da versuchte die bayerische Polizei einem „Reichsbürger“ in Georgensgmünd bei Nürnberg die Waffenbesitzkarte – ausgegeben von der Bundesrepublik Deutschland – zu entziehen und 31 im Haus gelagerte Waffen zu beschlagnahmen. Es kam zu einem Schusswechsel, bei dem drei Polizisten verletzt und einer getötet wurde.

Der Vorfall war nicht erstaunlich. Wer den bestehenden Staat und seine Organe nicht anerkennt, wird Gewalt gegen ihn für legitim halten. Er war auch eigentlich nicht neu, denn Gewalt etwa gegen Gerichtsvollzieher war schon vorher gemeldet worden.

Aber diese Leute sind nicht nur verrückt. Viele von ihnen sind Neonazis. Zum Beispiel rechnet sich der bekannte Rechtsextremist Horst Mahler, der ganz offen die Rückkehr zum Nationalsozialismus anstrebt, zu ihnen. Ein Neonazi erkennt natürlich den bestehenden Staat nicht an, ob er sich nun „Reichsbürger“ nennt oder nicht. Das alberne Spiel, eine „Reichsregierung“ zu bilden, kann ihm als sinnvoll erscheinen, weil es vielleicht eine Brücke zu Leuten schlägt, die in vergangener Größe schwelgen möchten.

Dann aber ist es kein Wunder, dass „Reichsbürger“ nicht nur imstande sind, Polizisten zu erschießen, sondern unter Umständen auch selbst in den Polizeidienst eintreten. Mindestens zehn Fälle sind bekannt geworden. Joachim Herrmann, der bayerische Innenminister, stellt sich da seltsam naiv: „Für mich ist das unerklärlich“, denn ein Staatsdiener, meint er, müsse sich doch „mit voller Kraft für unseren Staat einsetzen“. Hat er noch nie gehört, dass Unterwanderung eine Kampfmethode ist?

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Geschrieben von

Michael Jäger

Redakteur „Politik“ (Freier Mitarbeiter)

Michael Jäger studierte Politikwissenschaft und Germanistik. Er war wissenschaftlicher Tutor im Psychologischen Institut der Freien Universität Berlin, wo er bei Klaus Holzkamp promovierte. In den 1980er Jahren hatte er Lehraufträge u.a. für poststrukturalistische Philosophie an der Universität Innsbruck inne. Freier Mitarbeiter und Redaktionsmitglied beim Freitag ist er seit dessen Gründung 1990. 1992 wurde er erster Redaktionsleiter der Wochenzeitung und von 2001 bis 2004 Betreuer, Mitherausgeber und Lektor der Edition Freitag. Er beschäftigt sich mit Politik, Ökonomie, Ökologie, schreibt aber auch gern über Musik.

Michael Jäger

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