Zehn gute Gründe für das 9-Euro-Ticket

Verkehrswende Dass nicht alles reibungslos läuft, ist klar – ein Erfolg wird das 9-Euro-Ticket trotzdem. Hier steht warum
Das 9-Euro-Ticket ist da. Keine Sorge vor dem Ansturm!
Das 9-Euro-Ticket ist da. Keine Sorge vor dem Ansturm!

Foto: Ina Fassbender/Afp via Getty Images

Seit heute nimmt das 9-Euro-Ticket, Teil des Entlastungspakets der Bundesregierung wegen der gestiegenen Energiepreise, seinen Lauf! Und das ist gut so, trotz aller Kritik, die an ihm geübt wurde:

Die besten Gründe für das 9-Euro-Ticket

1. Schon einmal deshalb, weil es „ankommt“. Die Menschen finden es gut. In zehn Tagen vor dem heutigen Geltungsbeginn wurden neun Millionen Tickets verkauft. Wenn man erst einmal unterstellt, dass das vor allem Leute sind, die den Nahverkehr sowieso nutzen, zahlen sie jetzt drei Monate lang sehr viel weniger dafür, man könnte sagen: fast nichts. Für viele, die unter der Inflation leiden, ist das eine wichtige soziale Hilfe. Allerdings fragt man sich, wie es nach dem 1. September weitergehen soll. Kommt es dann, über die bis heute geltenden Preise hinaus, zu Verteuerungen?

2. Es wird auch Leute geben, die ihr Auto stehen lassen, um in den kommenden drei Monaten Bahnen und Busse zu nutzen. Das bedeutet weniger CO2-Ausstoß im Verkehr. So ist das Ticket als Anreiz zum Umstieg, das zugleich die Fahrten der üblichen Nutzer verbilligt, ein Exempel „sozialökologischer“ Politik, wie es anschaulicher nicht sein könnte. Allerdings wird niemand sein Auto stehen lassen, um zwischen, sagen wir, Berlin und Hamburg im Bummelzug zu sitzen.

3. Man kann hier schon mal zusammenfassen: Das Ticket wird, wenn es gut läuft, eine Werbung für die Bahn sein. Das ist wünschenswert in der sozialökologischen Perspektive. Es hängen freilich Probleme daran, deshalb kann der Schuss nach hinten losgehen. Dennoch ist die Idee beeindrucken, denn was kann wichtiger sein als die genannte Perspektive, und wie könnte man sie in einem sofort gangbaren Schritt besser versinnbildlichen?

Warum uns der Ansturm keine Sorgen machen sollte

4. Die Bahn hat bereits angekündigt, dem zu erwartenden Ansturm mit mehr Zügen und Bussen wie auch mit mehr Personal zu begegnen. Allerdings sind die Möglichkeiten der Bahn begrenzt: Sie spricht von 50 weiteren Regionalzügen, das ist wenig gemessen an den 7000 Zügen, die schon im Einsatz sind.

5. An den Feiertagen soll auch das Angebot auf touristischen Strecken, etwa zur Ostsee oder zu den Alpen, erhöht werden. Aber wird das nicht zu furchtbar vollen Zügen führen? Wie auch immer: Eine Maßnahme, die den Nahurlaub erstens fördert, zweitens stark verbilligt und dieses drittens nur dann, wenn Bahn oder Bus genutzt werden, ist „sozialökologisch“ im höchsten Maß. Im übrigen wird sie schon am kommenden Pfingstwochenende auf dem Prüfstand stehen, und vielleicht kann dann noch nachgebessert werden.

6. Das Ticket ist einfach zu handhaben: Wer sollte das nicht begrüßen. Ganz so einfach dann aber doch nicht. Denn trotz des generellen Prinzips, dass alle Regionalzüge genutzt werden können, gibt es welche, die ausgenommen sind und denen man es nicht unbedingt ansieht. Wer in solchen Zügen mit dem 9-Euro-Ticket „erwischt“ wird, dürfte nicht als Schwarzfahrer behandelt werden, sondern müsste die Möglichkeit haben, das reguläre Ticket im Zug zu kaufen. Davon liest man aber bisher nichts.

Ein Schritt Richtung Verkehrswende

7. Das Ticket wird auf jeden Fall Druck aufbauen, in Sachen Verkehrswende die richtige Richtung weiterzugehen. Denn entweder es wird ein Soforterfolg, dann wird gefragt werden, warum es nach drei Monaten schon wieder aufhören soll. Oder es scheitert an den genannten Problemen, dann weiß nicht nur die Politik, sondern wissen auch die Wähler und Wählerinnen, was getan werden muss, damit die Verkehrswende kommt.

8. Es ist, mit anderen Worten, ganz einfach deshalb gut, weil es ein Experiment ist. Als Experiment wird es denn auch im Bundesverkehrsministerium wissenschaftlich begleitet.

9. Es ist mehr als der Nulltarif, den es in einigen europäischen Städten schon gibt oder gegeben hat. Als landesweite Verbilligung ist es ganz neu, so dass man das Gefühl hat, da geht wirklich mal etwas voran – mehr vielleicht, als die Erfinder des Tickets geplant hatten...

10. Auch das Ausland findet unser Experiment spannend. Wir haben nicht gesagt: „Schaut auf dieses Land!“ – und doch funktioniert es so. Eine sozialökologische Wende, die den Namen verdient, müsste ja europaweit angegangen werden. Und kann nur so beginnen, indem versucht wird, ein Vorbild zu schaffen.

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Geschrieben von

Michael Jäger

Redakteur „Politik“ (Freier Mitarbeiter)

Michael Jäger studierte Politikwissenschaft und Germanistik. Er war wissenschaftlicher Tutor im Psychologischen Institut der Freien Universität Berlin, wo er bei Klaus Holzkamp promovierte. In den 1980er Jahren hatte er Lehraufträge u.a. für poststrukturalistische Philosophie an der Universität Innsbruck inne. Freier Mitarbeiter und Redaktionsmitglied beim Freitag ist er seit dessen Gründung 1990. 1992 wurde er erster Redaktionsleiter der Wochenzeitung und von 2001 bis 2004 Betreuer, Mitherausgeber und Lektor der Edition Freitag. Er beschäftigt sich mit Politik, Ökonomie, Ökologie, schreibt aber auch gern über Musik.

Michael Jäger

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