China: Noch sind Immobilienkonzerne wie Evergrande und Country Garden im Sinkflug
Umbau Die Transformation von der zuletzt sehr exportabhängigen Ökonomie Chinas zu einer die auf Schlüsselindustrien und Massenkonsum setzt, wurde durch die Pandemie gestoppt. Die Rückkehr zu gewohnter Dynamik steht noch aus
Made in China – for China? Eine riesige Laterne wird in Huai’an in der Provinz Jiangsu für das Neujahrsfest vorbereitet
Foto: Zhao Qirui/VCG/Getty Images
Am 10. Februar beginnt das Jahr des Holz-Drachens, in dem – so die Überlieferung – das Beschreiten neuer Wege großartige Erfolge zeitigt. Auf jeden Fall wird es ein „interessantes“ Jahr, was für Chinesen eher beunruhigend klingt. Im Januar 2023 beendete die Regierung schlagartig die Null-Covid-Politik. Von einem Tag zum anderen wurden fast alle Maßnahmen wie Zwangsquarantäne, Isolation und Massentests in Millionenstädten in der Hoffnung auf rasche wirtschaftliche Erholung aufgehoben. Bisher jedoch florieren nur einige Branchen und Unternehmen. Dennoch kann China neben Indien für 2024 mit einem deutlichen Wachstum rechnen, das die OECD auf 6,3 Prozent beziffert, womit die USA, vor allem die EU, erheblich übertroffen würden
den.Artigkeiten gegenüber der EUGemessen am Pro-Kopf-Einkommen steht die Volksrepublik vor dem Sprung zu einem Land mit „hohem mittleren Einkommen“, wofür besonders das rasante Wachstum einer wohlhabenden Mittelschicht zuständig ist. Als Werkbank der Welt spielt China längst nicht mehr die Hauptrolle, da andere asiatische Staaten dabei sind, diesen Part nun auch gegenüber China zu übernehmen, während dort die High-Tech-Industrien florieren. Um Exportabhängigkeit bei Massengütern und Rohstoffen zu reduzieren, wird die Ökonomie derart umgebaut, dass sie nicht nur auf Ausfuhren angewiesen, sondern ebenso vom Massenkonsum im eigenen Land getragen wird, samt der für hochentwickelte Gesellschaften typischen Expansion des Dienstleistungssektors. Diese Konversion hat die Pandemie gestoppt, sie nimmt nunmehr einen neuen Anlauf, auch wenn das Umfeld eher wenig günstig ist.Der Handelskrieg, den die US-Regierung unter Donald Trump eröffnet hat, zeigt gerade in den Schlüsselindustrien Wirkung, bei denen China auf Hochtechnologie aus den USA wie der EU angewiesen bleibt. Wohl auch deshalb war der Ton beim ersten Gipfeltreffen mit der EU-Spitze Anfang Dezember in Peking auffallend moderat. Staatschef Xi Jinping war auf rhetorische Abrüstung bedacht. Man solle sich eher als Partner denn als Rivalen betrachten, so der Tenor. Bei den für die EU wichtigen Punkten wie dem Abbau des auf über 400 Milliarden Dollar angewachsenen Handelsdefizits und den zu begrenzenden Ausfuhren von Gütern nach Russland, die auch militärisch genutzt werden können, gab es Artigkeiten, keine Zugeständnisse.Einiges deutet darauf hin, dass Xi wie die gesamte KP-Führung dem ökonomischen Umbau wieder mehr Dynamik verleihen wollen. Erstmals seit zehn Jahren hat Chinas Präsident jüngst der Zentralbank einen Besuch abgestattet. Im Herbst gab es eine Finanzkonferenz des KP-Zentralkomitees, dessen übliches Winterplenum wurde vorerst ausgesetzt. Mit massiven Staatskrediten zu agieren, um wie vor Jahren aus dem Jammertal der Finanzkrise zu kommen, verbietet sich gegenwärtig. Noch immer schwächelt mit dem Immobilien- und Bausektor eine einstige Wachstumslokomotive. Banken, Immobilienentwickler und Baufirmen leiden darunter ebenso wie die Mittelschicht. Millionen Familien haben sich schwer verschuldet, um Wohnungen und Häuser als Anlageobjekte oder für die Altersversorgung zu erwerben. Sie taten dies in der Hoffnung, die Immobilien eines Tages mit hohem Gewinn wieder verkaufen zu können. Mehr als zwei Drittel des Privatvermögens stecken in Grundstücken, Häusern und Appartements.Hunderttausende leben in unfertigen WohnungenWenn so wie jetzt die Immobilienpreise fallen, gelingt es kaum noch jemandem, diesen Besitz ohne schmerzliche Verluste wieder loszuschlagen. Noch schlimmer dran sind jene, die ihr Geld für Immobilien ausgegeben haben, die wohl nie mehr fertiggestellt werden. In Neubauvierteln großer Städte hausen Hunderttausende in Wohnungen, die weder bewohnbar noch zu vermieten sind, weil insolvente Bauträger das Weite gesucht haben. Mit dem Niedergang von Evergrande, Chinas zweitgrößtem Immobilienunternehmen, begann das Dilemma. Inzwischen gerieten weitere Schwergewichte ins Straucheln, zuletzt der Ex-Branchenprimus Country Garden, der im Oktober 2023 Anleihezinsen nicht mehr refinanzieren konnte.Mindestens ebenso bedenklich ist die hohe Schuldenlast der unteren Staats- und Verwaltungsebene. Etliche Provinzen und Kommunen haben Geld aufgenommen, um Infrastrukturprojekte in ihrer Region oder Stadt zu fördern und können nun die Verbindlichkeiten nicht mehr bedienen. Die unterschiedliche Finanz- und Wirtschaftskraft von Regionen und Metropolen taugt zum Lackmustest für Krisenresistenz. Kredite wurden von Geldhäusern zuweilen rasch und reichlich vergeben, ermutigt durch die Zentralbank. Doch sind dadurch Provinzen und Kommunen derart überschuldet, dass ihnen im Augenblick jede Kreditfähigkeit bestritten wirdDabei setzt die Regierung in Peking momentan auf ein riskantes Manöver, indem sie Finanzinstitute drängt, Bauträgern Kredite ohne Sicherheiten zu geben, um die Baubranche nicht völligem Siechtum auszusetzen.Sorgen müssen sich Xi Jinping und seine Berater über eine rasch steigende Jugendarbeitslosigkeit machen. Im Sommer 2023 lag sie erstmals bei über zwanzig Prozent. Ein misslicher Umstand, da die Zahl der Hochschulabsolventen rasant steigt. Jedes Jahr müsste China Millionen neuer Jobs für diese hochqualifizierte Klientel schaffen und wirkt überfordert. Ein fatales Signal an junge Fachkräfte und wiederum die Mittelschichtfamilie, die das Studium der Kinder finanziert hat. Wenn jedoch der Aufschwung der High-Tech-Branche im geplanten und erhofften Tempo vorangeht, dürfte es eine solche Jugendarbeitslosigkeit bald nicht mehr geben.Ausländische Investoren ziehen Kapital aus China abFür Unruhe sorgen ausländische Investoren, die China den Rücken kehren. Zum ersten Mal seit 1998 zeigte 2023 die Bilanz des externen Engagements ein Negativsaldo: Mehr Kapital wurde abgezogen, als in die chinesische Wirtschaft geflossen ist. Dabei braucht China dieses Investment, und das nicht zu knapp. Auf 200 bis 300 Milliarden Dollar pro Jahr wird der Bedarf veranschlagt. Die Investoren springen ab, weil sie außerhalb Chinas höhere Zinsen und attraktivere Anlageobjekte als chinesische Wertpapiere oder Anleihen finden können. Ein Teil des Geldes ausländischer Interessenten geht in andere asiatische Länder wie Vietnam und vorrangig Indien, also dorthin, wo ein Boom winkt.Ungeachtet dessen spielt China bei etlichen Schlüssel- und Zukunftstechnologien in der allerersten Liga mit, zum Beispiel bei der E-Mobilität. Gerade hat der chinesische Autobauer BYD den US-Konzern Tesla überholt, sind in chinesischen Fabriken erste Elektrofahrzeuge mit Natrium-Ionen-Batterien in die Serienfertigung gegangen. Diese Alternative zu herkömmlichen Lithium-Batterien wird sich durchsetzen.Und obwohl in der Volksrepublik weiter Kohlekraftwerke gebaut werden, ist sie weltweiter Vorreiter beim Auf- und Ausbau erneuerbarer Energien. Im vergangenen Jahr wurden in China mehr Solar- und Windkraftanlagen gebaut als im gesamten Rest der Welt. Bei den Solarmodulen sind chinesische Firmen Weltmarktführer, was dazu führt, dass hier die Europäer von Importen aus China abhängig sind. Industriepolitik in großem Stil können die Chinesen, und einen strategischen Plan zum Umbau ihrer Wirtschaft haben sie auch. Der operative Einsatz passender Instrumente wird indes noch verhandelt.
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