Er zögert, zagt und zittert noch, und die Welt der Investoren und Vermögensbesitzer zittert mit, am meisten zittern die deutschen Euro-Krisenmanager. EZB-Präsident Mario Draghi hat gesprochen, aber nicht genug gesagt: Ja, die Zentralbank kauft wieder Staatsanleihen, das seit März stillgelegte Programm wird wieder aufgenommen, aber nur unter gewissen Bedingungen. Von Auflagen ist die Rede, als hätte die deutsche Regierung dem Italiener Draghi ihren ewigen Refrain souffliert.
"Unpolitische" Zentralbank
Die Euro-Währungsunion war ein fauler Kompromiss von Anfang an. Besonders gilt das für die Zurichtung der EZB nach dem Muster der deutschen Bundesbank, formal „unabhängig“ und als Hüter der Geldwertstabilität installiert. Letztlich ein unpolitisches Institut, von profaner Wirtschafts- und Finanzpolitik durch eine virtuelle Mauer getrennt, so das offizielle Credo. Damit ließ man sich auf die fatale Illusion ein, der Euro sei auf Dauer ohne eine weitgehende Integration bei der Fiskalpolitik der beteiligten Staaten zu haben. Dieses Fehlurteil ersten Ranges spiegelt sich in der Spottgeburt einer „unpolitischen“ Zentralbank.
Was Draghi nun will, entspricht der Gemütslage im EZB-Rat und die ist durchwachsen. Die Mehrheit will die Wende hin zu einer richtigen Zentralbankpolitik, wie sie die US-Fed oder die Bank of England betreiben. Bundesbank und -regierung wollen das nicht. Doch wie sich beide auch sträuben, es hilft nichts, der Brocken muss hinunter. Entweder man besteht auf Auflagen und fordert Wohlverhalten im Sinn der unsäglichen „Reformen“, die von Kanzlerin Merkel zum EU-Kodex erhoben werden – dann muss die EZB im Gegenzug den Regierungen der Euroländer direkte Kredite gewähren, zu Niedrigzinsen. Oder man kauft Staatsanleihen angeschlagener Euroländer – dann kann man keine Auflagen machen, sondern höchstens nach der Bonität schauen und im Zweifelsfall höhere Zinsen verlangen. Die Bonität der Staaten, deren Kredit wackelt, soll aber gerade durch das Einspringen der EZB gestärkt werden, das ist der Sinn des Manövers.
Gefahr der Deflation
Für die irrationale deutsche Inflationsangst, die momentan die berechtigte Angst vor der Weltdepression verdrängt, gibt es Gründe, aber keine rationalen. Nur wer steif und fest an das Jahrhunderte alte Dogma glaubt, dass eine wachsende Geldmenge – und nur die allein – Inflation erzeuge, kann jetzt munter von der „Notenpresse“ schwatzen. Nur ist die Geldmenge trotz Billionenaktionen der EZB seit einem Jahr alles andere als dramatisch gestiegen, a die Banken die geliehenen Gelder horten oder sie an klamme Staaten weiterreichen. Außerdem haben wir nach wie vor reichlich Überkapazitäten, was die deutsche Exportwirtschaft sehr bald merken wird. Da die Nominallöhne nur in wenigen, starken Euroländer ein wenig steigen, da die wichtigsten Preistreiber auf den internationalen Rohstoffmärkten angesichts der sich abzeichnenden Weltdepression merklich ruhiger geworden sind, sind es im Moment nur einige sparwütige (und das heisst Gebühren und Steuern erhöhenden) Staaten, die das Preisniveau treiben. Ein Schuldenabbau, wie er im Moment überall mit finsterer Entschlossenheit betrieben wird, und zwar von Staaten ebenso wie von Unternehmen, Banken und nicht zuletzt von Privathaushalten, führt aber nicht zur Inflation, sondern im Gegenteil zu einer ganz aparten Krise, einer Bilanzdeflation.
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